„Er ist tot, er ist tot“

„Er ist tot, er ist tot“
(dpa)

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Sie wollten ihn lebend, doch der Serienmörder von Toulouse stirbt im Kugelhagel. Auch die letzte Konfrontation mit der Waffe in der Hand plante er offenbar genau.

Es sind drei Explosionen, die am Mittag plötzlich die normalerweise so beschauliche Rue Sergent Vigne in Toulouse erschüttern. Nach mehr als 30 Stunden Belagerung sind sie am Donnerstag der Auftakt für die Erstürmung der Wohnung, in der sich der 23-jährige Mohamed Merah verschanzt hat. Der selbst ernannte Mudschahedin, der sieben Menschen erschossen haben soll, hält die Öffentlichkeit bis zuletzt in Atem. Auch seine letzte Konfrontation mit der Waffe in der Hand ist offenbar präzise geplant.

Über die laufenden TV-Kameras ist die gesamte Nation live dabei, als eine minutenlange schwere Schießerei mit automatischen Waffen die Umstehenden zusammenzucken lässt. Schock und ungläubiges Staunen sind ihnen ins Gesicht geschrieben, viele hatten eher mit einem Selbstmord gerechnet. Erst hatte Merah die Polizei mit dem Versprechen hingehalten, aufgeben zu wollen. Am Mittwochabend wechselte er die Taktik und brach den Kontakt ab. Innenminister Claude Guéant fragte öffentlich, ob Merah noch lebe.

Mehr als 300 Patronen abgefeuert

Gegen 11.30 Uhr bricht dann am Donnerstag plötzlich die heftige Schießerei los. Mehr als 300 Patronen werden abgefeuert, berichten TV-Journalisten später. Spezialisten erkunden die Zimmer der Wohnung mit kleinen Video-Robotern, als der 23-Jährige – aus mehreren Waffen wild um sich feuernd – plötzlich aus dem Badezimmer stürmt, so schildert Innenminister Guéant die Szene. Merah stirbt im Kugelhagel mit der Waffe in der Hand – so wie er es sich angeblich gewünscht hat.

„Er ist tot, er ist tot“, ruft Didier Martinez den verblüfften Journalisten zu. Der Sprecher der Polizeigewerkschaft löst damit hektische Betriebsamkeit bei den umstehenden Reportern aus – Handys fiepen, knappe Mitteilungen werden weitergegeben. „Seine absolute Entschlossenheit, zu töten, war schockierend“, sagt Martinez, der sich zunächst um die verletzten Kollegen sorgte.

Erleichtert und enttäuscht

Gérard, ein weißhaariger Architekt mit Baseball-Kappe und dunklem Mantel, trifft an der Absperrung ein, als längst wieder gespenstische Ruhe über dem Ort liegt. „Ich bin erleichtert, zugleich aber auch enttäuscht, dass er nicht lebend dingfest gemacht wurde“, sagt er. „Es wäre gut gewesen, an ihm ein Exempel zu statuieren – ich bin sicher, es gibt in Toulouse noch andere (Extremisten) wie ihn.“ Die Frage nach dem Warum bewegt auch ihn, so wie die ganze Nation.

„Irgendwie ist es merkwürdig, dass jetzt alles vorbei ist“, meint Alexandre Cavalie. Der 22-Jährige in seiner blauen Regenjacke saß im Unterricht in einer nahen Wirtschaftsschule, als er das Stakkato der Salven aus den automatischen Waffen hörte. In der Mittagspause kommt er mit Freunden schnell vorbei, um einen Blick auf den Ort des Geschehens zu werfen. Auch Alexandre findet es schade, dass sich Mohamed nicht mehr vor der Justiz verantworten wird.

Andere Mittel?

Hätte man ihn nicht durch Tränengas oder andere Mittel unschädlich machen können? Eine Frage, die alle umtreibt. Nein, sagte wenig später Präsident Nicolas Sarkozy in einer Fernsehansprache. Zu viele seinen bereits gestorben. „Es war nicht vertretbar, noch mehr Leben aufs Spiel zu setzen.“

Französische Zeitungen porträtieren Merah als Kleinkriminellen, der sich selbst als Al-Kaida-Terrorist sah und den gewaltsamen Tod palästinensischer Kindern rächen wollte. „Einen Killer, bis zuletzt von extremer Gefährlichkeit“, nennt ihn der sozialistische Präsidentschaftskandidat François Hollande. „Der Tod von Mohamed Merah hat eine unerträgliche Angst beendet.“