Energiepass lässt den Markt kalt

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LUXEMBURG - Am 1. Juli ist die letzte Stufe der luxemburgischen Energieverordnung in Kraft getreten. Seitdem müssen Energieeffizienz- und Wärmeschutzklasse in Kauf- und Mietinseraten angegeben werden.

So jedenfalls sieht es das überarbeitete Reglement vor. Ein Blick auf die Zeitungsinserate oder ein Surf auf den einschlägigen Immobilienportalen sorgt allerdings für Ernüchterung.

Pierre Jacobs* blättert durch die Immobilienanzeigen und schüttelt stinksauer den Kopf. „Nicht, nichts, nichts, keine Informationen über den Energieverbrauch und den Wärmeschutz“, schimpft er.

Zusätzliche finanzielle Belastungen

„Sie haben ja einen Energiepass?“, hatte ihn die Maklerin gefragt, als er Ende Juni seine Immobilie zur Miete anbieten wollte. „Sie wissen ja, dass das ab dem 1. Juli Vorschrift ist“, hatte sie noch nachgeschoben.

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hatte ihn die Bemerkung damals getroffen. Würde sich überhaupt noch ein Mieter für das Haus finden, wenn er einen Energiepass vorlegen muss?

Dabei ist er doch dringend auf das Geld angewiesen. Hunderte Arbeitsstunden und rund 60.000 Euro, fast seine gesamten Reserven, hat er seit dem überraschenden Tod seiner Mutter vor zwei Jahren in die Sanierung des Elternhauses investiert. Für eine grundlegende energetische Sanierung war am Ende kein Geld mehr übrig geblieben.

Und dann war, kurz vor Abschluss der Arbeiten, auch noch dieser Brief des „Fonds national de solidarité“ ins Haus geflattert. Eine Rückzahlungsforderung von über 20.000 Euro für die finanzielle Beteiligung an der Pflege seines vor über zehn Jahren an Alzheimer verstorbenen Vaters. Damit hatte er wirklich nicht gerechnet, dass er jetzt auch noch den Staatshaushalt von Luc Frieden sanieren müsse.

Warum der „Fonds“ seine Forderungen ohne Vorwarnung und mit einer derartigen Verspätung geltend mache, hatte ihm auch auf mehrfache Rückfrage hin niemand erklären können. Das sei „beim Ableben der Person damals eben nicht aufgefallen“, hatte man ihn lapidar abgefertigt.

Neuer Anstrich ist wichtiger

Die Sorge von Herrn Jacobs sollte sich allerdings schnell als unbegründet erweisen. Nach knapp fünf Wochen hatte die Maklerin einen Mieter gefunden. Zwar nicht ganz zu dem erhofften und wohl zwischenzeitlich von den Statistikern des „Observatoire du logement“ erfassten Preises, aber immerhin … Zumindest die monatlichen Rückzahlungen an den „Fonds“ waren damit vorerst abgedeckt.

Dass auf dem Energiepass nur ein G für die Energieeffizienz und ein H für den Wärmeschutz standen, sei bei der Suche nach einem Mieter kein Thema gewesen, hatte die Maklerin auf seine Nachfrage hin bemerkt. Auch beim abschließenden Termin zur Unterzeichnung des Mietvertrags gab es keine Nachfrage zu diesem Punkt. Das rund 1.000 Euro teure Dokument wurde unbesehen und unkommentiert in den Akten abklassiert. „Der Fall von Herrn Jacobs ist eigentlich typisch für die aktuelle Situation“ bestätigt Jean-Paul Scheuren, Präsident der „Chambre immobilière“ gegenüber dem Tageblatt. Das Thema Energie sei bei den allermeisten Kunden noch nicht angekommen. „Ein neuer Anstrich ist als Verkaufsargument immer noch wichtiger als ein guter Energiepass“, bemerkt er. Und man spürt, dass ihn das selbst wurmt.

Schließlich hatte die „Chambre immobilière“ schon bei der Einführung des Energiepasses vor Jahren bedauert, dass nicht gleichzeitig auch deren Offenlegung in den Anzeigen verbindlich gemacht wurde. „Wir hatten gehofft, mit der neuen Regelung mehr Transparenz auf dem Immobilienmarkt zu schaffen“, erklärt Scheuren. Als Chef der „Chambre immobilière“ vertritt er rund ein Viertel der gut 400 Immobilienagenturen des Landes.

Die Mitglieder der „Chambre immobilière“ verpflichten sich einem internen Deontologiekodex und einer „charte de qualité“. Vor allem kleine, oft nebenberuflich betriebene Immobilienagenturen sind nicht Mitglied der Berufskammer. „Wir haben unsere Mitglieder über die Neuerungen in Sachen Energiepass und Publikation in Verkaufs- und Mietanzeigen informiert“, betont Scheuren.

Nicht nur „Karteileichen“

Mit der aktuellen Umsetzung des Reglements ist auch er nicht zufrieden. „Man muss aber bedenken, dass die neuen Bestimmungen erst seit zwei Monaten, zwei traditionell relativ ruhigen Sommermonaten, in Kraft sind“, gibt er zu bedenken.

Zudem seien viele Objekte auf dem Markt, die noch vor dem 1. Juli aufgenommen wurden. Man werde jetzt, im September, nochmals eine Informationskampagne an die Adresse der Mitglieder starten, kündigt Scheuren an.

Beim Besuch der einschlägigen Internetportale wird schnell klar, dass die aktuelle Situation ziemlich komplex und alles andere als zufriedenstellend ist. Besonders düster sieht es im Bereich der Altbauten aus. Nur etwa jede dritte Verkaufsanzeige enthält die geforderten Informationen über den Energiebedarf. Bei den Mietangeboten ist immerhin jede zweite Anzeige halbwegs korrekt.

Dabei sind es nicht nur die von Scheuren erwähnten „Karteileichen“, bei denen die Informationen über den Energieverbrauch fehlen. „Auch die Immobilienagentur, die mich Ende Juni mit dem Zeugs genervt hat, publiziert jetzt wieder Anzeigen ohne Angabe von Energie- und Wärmeschutzklasse“, schimpft Pierre und tippt verärgert mit dem Finger auf den Schirm seines Computers.

Geduld des Ministers am Ende

Auch im Wirtschaftsministerium wächst der Unmut über die schleppende Umsetzung des Reglements.

„Noch beobachten wir die Situation nur“, heißt es aus der Generaldirektion Energie, „der Immobiliensektor wurde schon Mitte Mai über die neuen Bestimmungen informiert. Die hatten eine Vorlaufzeit von anderthalb Monaten, bevor das Reglement zum 1. Juli in Kraft trat.

So langsam müsste die Botschaft auch bei dem letzten Makler angekommen sein. Lange werden wir nicht mehr zuschauen“, meint eine Mitarbeiterin, die nicht genannt werden möchte, weil sie eigentlich nicht befugt sei, mit der Presse zu reden.

Deutlicher wird Wirtschaftsminister Etienne Schneider. In den nächsten Wochen werden man nochmals eine Sensibilisierungsaktion starten. „An da rabbelt et“, lässt er zwischen zwei Terminen über seine Sekretärin wissen. Was genau das bedeuten könnte, bleibt vorerst offen. Um die Antwort zu finden, muss man schon etwas suchen. Über Querverweise in den Reglementen landet man am Ende beim Energiegesetz von 1993, das für Verstöße gegen Bestimmungen der Ausführungsreglemente Gefängnisstrafen von acht Tagen bis zu zwei Monaten sowie Geldstrafen von 2.501 bis 1.000.000 Franken vorsieht, also rund 25.000 Euro.

*) Name von der Redaktion geändert.