Das Gnadengesuch

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(dpa)

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Großherzog Henri hat laut Artikel 38 der Luxemburger Verfassung das Recht, jemanden zu begnadigen oder eine Strafe zu mildern. Die "Commission de grâce" berät ihn dabei.

Alle zwei bis drei Wochen kommt die Kommission zusammen, um über die Gesuche zu beraten. Die Gründe für die Anträge auf eine Strafmilderung oder eine Begnadigung sind vielfältig. Ihnen allen jedoch geht eine Verurteilung vor Gericht voraus. Mal geht es um die Bitte, eine Geldstrafe herabzusetzen, mal um das Aufheben eines Arbeitsverbots beim Staat oder um das Herabsetzen einer Gefängnisstrafe, was selten gewährt wird.

Beim Gros der Gesuche jedoch geht es um die ganze oder teilweise Aufhebung eines vom Gericht angeordneten Fahrverbots. Im letzten Jahr z.B. ging es bei 323 in der Kommission behandelten Dossiers insgesamt 288 Mal um eine Fahrerlaubnis, im Jahr 2014 war dies bei 268 von insgesamt 328 Dossiers ein ähnliches Verhältnis.

323 Dossiers

Einfach ist die Arbeit der Kommissionsmitglieder sicher nicht. Noch lange nicht alle Anträge werden auch positiv begutachtet. Von den 323 im Jahre 2015 behandelten Dossiers wurden 133 ablehnend begutachtet. Im Jahr zuvor waren es mit 150 von 328 Dossiers sogar fast die Hälfte. Und auch die positiv bewerteten Anfragen beinhalten zumeist Einschränkungen. So wird ganz selten ein Fahrverbot aufgehoben. Vielmehr geht es darum, dem Antragsteller die Chance zu bieten, seinen Führerschein wieder beruflich nutzen zu können.

In einigen Fällen sprechen sich die Kommissionsmitglieder auch nur für eine befristete Aufhebung des Fahrverbots aus. Wer seinen Führerschein für zwei oder drei Jahre weggenommen bekam, kann ihn dann vielleicht ein Jahr lang beruflich nutzen. Anschließend muss er einen neuen Antrag auf Verlängerung der Maßnahme einreichen. Was normalerweise zugestanden wird. Nach eingehender Analyse des bisherigen Verhaltens des Antragstellers natürlich. In 67 Fällen wurde der Führerschein im letzten Jahr „à titre d’essai“ zugestanden.

Kein verbrieftes Recht

Hie und da wird eine Angelegenheit auch neu angesetzt. Wenn ein Arbeitsvertrag z.B. Ende des Monats ablaufen würde, wird erst entschieden, wenn der Antragsteller einen neuen, verlängerten Arbeitsvertrag eingereicht hat („affaire refixée“).
Nur in Ausnahmefällen spricht sich die Kommission für eine Aufhebung des Fahrverbots aus nicht beruflichen Gründen aus, wie uns der Sekretär der Kommission erläuterte. Das kann in Scheidungsfällen geschehen, wenn der oder die Betroffene das Sorgerecht für die Kinder z.B. nur am Wochenende hat.

Die Gewährung des Gnadengesuchs ist kein verbrieftes Recht. Es kommt sehr auf die Sachlage an. Ein Antragsteller, der die Promillegrenze in einem bestimmten Zeitraum wohl zweimal überschritten hat, aber nur geringfügig, wird sicher anders betrachtet als jemand, dem das Gleiche mit hoher Überschreitung des zulässigen Wertes passiert. Und wer mit zu hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn angehalten wird sicher anders als ein anderer, der mehrfach mit exzessiver Geschwindigkeit innerhalb einer Ortschaft aus dem Verkehr gezogen werden musste.

Auskünfte und Befragungen

Wichtig sind auch die Erkenntnisse, die die Kommissionsmitglieder aus den beiliegenden Berichten gewinnen können. Sie geben Auskunft über die allgemeine Situation des Antragstellers, über seine Finanzlage, seine soziale Situation, oder darüber, ob noch andere Klagen gegen ihn anhängig sind .

Wichtig sein kann auch die Frage, ob die bisherigen Gerichtskosten beglichen sind oder ob zumindestens eine Einigung auf eine Zahlung vorliegt. Ein Antragsteller, der in Luxemburg wohnt, wird zu all diesen Punkten von der zuständigen Polizeistelle befragt. Wohnt er im nahen Ausland, kümmert sich hierzulande der „Service central d’assistance sociale“ um die Befragung.

Handschriftliches Gnadengesuch

Bei Anträgen von Gefängnisinsassen erstellt die „Commission de défense sociale“ ein begleitendes Gutachten zum Antrag. Das Nachlassen von Gefängnisstrafen kommt sehr selten vor. Das Herabsetzen oder die Aufhebung von Geldstrafen ebenfalls.
Manche Anfragen sind bei der Kommission auch an der falschen Adresse. So ist sie nicht zuständig für das Tragen von Überwachungsfußketten oder bei einem administrativen Führerscheinentzug, der z.B. für ein Jahr erfolgt, wenn ein Fahrer seine Führerscheinpunkte verloren hat. Und wer dann im Falle sein sollte, einen solchen Antrag stellen zu müssen, sollte eines auch noch wissen: Das Gnadengesuch an den Großherzog muss handschriftlich verfasst sein. Selbst wenn man einen Anwalt einschaltet – was nicht sein muss.

In den meisten Fällen folgt der Großherzog bei seinen Entscheidungen den Vorschlägen der „Commission de grâce“. Gebunden hieran ist er nicht. Doch nur ganz selten, vielleicht ein oder zweimal im Jahr, weicht er von den Empfehlungen ab, und wenn, dann nur geringfügig.