Blutiges Wochenende in Syrien

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Die Proteste in Syrien gehen unvermindert weiter. Sicherheitskräfte sind in der Stadt Sabadani einmarschiert. Am Wochenende sollen bis zu 41 Personen getötet worden sein.

Die Regierung des syrischen Präsidenten Baschar Assad ist am Wochenende erneut mit harter Hand gegen Regimekritiker vorgegangen. Am Sonntag marschierten Soldaten in die Stadt Sabadani ein. Nach den bisher grössten Protesten seit Beginn des Aufstandes im Land wurden nach Angaben von Aktivisten bereits zuvor mindestens 28 Menschen getötet und Hunderte weitere verletzt. Andere Schätzungen gingen von mindestens 41 Toten seit Freitag aus. Bei einer Verhaftungswelle seien zudem über 500 Personen festgenommen worden, teilte der Aktivist Mustafa Osso mit.

Rund 2.000 Soldaten und Angehörige anderer Sicherheitsdienste seien am Sonntag mit Panzerfahrzeugen in die Stadt Sabadani an der Grenze zum Libanon einmarschiert, teilte das örtliche Koordinationskomitee mit. Zuvor seien Telefon- und Internetleitungen sowie die Elektrizitätsversorgung unterbrochen worden.

Soldaten desertieren

Am Samstag eröffneten Regierungstruppen Zeugenberichten zufolge in der Stadt Al Bukamal nahe der Grenze zum Irak das Feuer auf Demonstranten. Dabei sollen mindestens eine Person getötet und mehrere weitere verletzt worden sein. Mehr als 100 Soldaten hätten sich aber in Al Bukamal den Protesten angeschlossen, sagte Osso. Die Soldaten seien gemeinsam mit den Demonstranten durch die Straßen marschiert und hätten gerufen: „Volk und Armee sind eins“.

Allein in Damaskus und Umgebung seien nach den Freitagsgebeten 22 Menschen umgekommen, sagte Mohammed Abdullah vom örtlichen Koordinationskomitee, das die Proteste in Syrien dokumentiert, am Samstag. Damit habe das Vorgehen gegen die Protestbewegung, die seit vier Monaten den Rücktritt von Präsident Assad fordert, in Damaskus einen blutigen Höhepunkt erreicht.

In einem Vorort von Damaskus nahmen die syrischen Behörden am Sonntagmorgen auch den führenden Oppositionspolitiker Ali Abdullah fest, wie sein Sohn Mohammed mitteilte. Der 61-jährige Politiker war erst am 30. Mai nach fünf Jahren Haft aufgrund einer Begnadigung freigelassen worden.

Oppositionstreffen in Istanbul

Unterdessen suchten syrische Oppositionsführer am Samstag bei zeitgleich in Damaskus und in der Türkei stattfindenden Treffen nach Wegen zu einem friedlichen Übergang zur Demokratie. Wie die Organisatoren mitteilten, trafen in Istanbul rund 400 Aktivisten zu einer sogenannten „Nationalen Heilskonferenz“ zusammen. Dort sollten demnach Vertreter einer gemeinsamen Oppositionsbewegung von sowohl in Syrien als auch im Exil lebenden Aktivisten gewählt werden. Auch die Erstellung eines Arbeitspapiers war geplant.

Oppositionsführer Maschaal Tammo sagte der Nachrichtenagentur AP am Samstag, eine ähnliche Tagung sei ursprünglich auch in Damaskus geplant gewesen, jedoch nach dem jüngsten gewaltsamen Vorgehen der Sicherheitskräfte abgesagt worden. So seien mindestens 14 Demonstranten im Viertel Kabun getötet worden, wo die Konferenz hätte stattfinden sollen. Eine Gruppe habe sich dennoch an einem geheimen Ort in der syrischen Hauptstadt getroffen und telefonisch mit den Konferenzteilnehmern in Istanbul Kontakt aufgenommen.

Regime sei „faschistisch“

„Das Regime hat den gesamten Staat als Geisel genommen und wir wollen ihn zurück“, erklärte in Istanbul unterdessen der prominente syrische Oppositionspolitiker und Hauptorganisator der städteübergreifenden Konferenz, Haitham al Maleh. Assads Regime sei „faschistisch“, sagte er und würdigte das „heldenhafte syrische Volk“, das sich dagegen auflehnte. Der 80-jährige al Maleh war wegen seiner politischen Aktivitäten über Jahre in Syrien inhaftiert gewesen. Aus Angst um sein Leben hatte der Rechtsanwalt das Land jedoch vor Kurzem verlassen.

Während eines Besuchs in der Türkei zeigte sich US-Außenministerin Hillary Clinton angesichts der Lage in Syrien besorgt. „Die Brutalität muss ein Ende finden, es muss legitime, ernsthafte Bemühungen geben, mit der Opposition Veränderungen herbeizuführen“, erklärte sie am Samstag vor Journalisten.

Bei der blutigen Niederschlagung des Aufstandes sind in Syrien nach Angaben von Menschenrechtlern bislang etwa 1.600 Menschen getötet worden. Die Regierung hat die Zahlen als zu hoch zurückgewiesen und macht eine ausländische Verschwörung für das Blutvergiessen verantwortlich.