„Greift in Libyen ein bitte“

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Nach der Enthauptung von 21 ägyptischen Kopten durch Dschihadisten in Libyen dringt Ägypten im Kampf gegen islamistische Milizen auf eine internationale Militärintervention unter UN-Mandat in dem Land.

Der UN-Sicherheitsrat müsse eine entsprechende Resolution verabschieden, forderte der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi im französischen Sender Europe 1. Ähnlich äußerten sich Frankreich und Italien, die EU kündigte Gespräche mit den USA und Ägypten an.

Das Chaos in Libyen bedrohe nicht nur die Nachbarländer wie Ägypten, hob al-Sisi hervor. Die gesamte Region und auch die europäischen Mittelmeer-Anrainerstaaten seien bedroht. Den Europäern hielt er vor, nach der Tötung des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi während der Nato-geführten Luftangriffe 2011 ihre Aufgabe nicht vollendet zu haben. Die Bevölkerung sei nun „Gefangener extremistischer Milizen“. „Wir müssen zusammenarbeiten, um den Terrorismus zu besiegen“, beschwor Al-Sisi.

Ägypten bombardierte IS-Stellungen

Am Montag hatte die ägyptische Luftwaffe mit Angriffen auf mutmaßliche Stellungen der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat in der libyschen Küstenstadt Derna begonnen. Damit reagierte Kairo auf die Veröffentlichung eines Videos im Internet, das die Enthauptung von 21 ägyptisch-koptischen Christen durch IS-Kämpfer zeigt. Die Gräueltat wurde international scharf verurteilt.

Frankreich, das am Montag dem Verkauf von Rafale-Kampfflugzeugen an Kairo zustimmte, forderte gemeinsam mit Ägypten eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats in New York. Diese soll am Mittwochnachmittag stattfinden, wie am Dienstag bekannt wurde. Der ägyptische Außenminister Sameh Schukri reiste bereits nach New York.

Libyens ehemalige Kolonialmacht Italien erklärte ihre Bereitschaft zu einer Militärintervention. Ministerpräsident Matteo Renzi machte sich zugleich für eine politische Lösung stark. „Hysterie und unvernünftige Reaktionen“ seien fehl am Platz, sagte er im italienischen Fernsehsender TG5.

Die EU will zuerst mit den USA reden

Die Europäische Union schloss eine militärische Rolle zum derzeitigen Zeitpunkt aus. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini will nach eigenen Angaben mit US-Außenminister John Kerry sowie mit ägyptischen Regierungsvertretern ein gemeinsames Vorgehen zu Libyen erörtern.

Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Seid Raad al-Hussein, rief unterdessen die Libyer auf, die militanten Islamisten zu bekämpfen. Die im Video zu sehende Hinrichtung der 21 koptisch-orthodoxen Christen sei „nach internationalem und islamischem Recht untersagt“. Ägypten forderte der Hochkommissar auf, bei Vergeltungsaktionen in Libyen Zivilisten zu schonen.

Experten zufolge will sich al-Sisi als Verbündeter des Westens im Kampf gegen militante Islamisten profilieren. Zugleich bezwecke er, sein brutales Vorgehen gegen die Muslimbrüder im eigenen Land vergessen zu machen. Neben Libyen im Westen ist Ägypten auch von Osten mit Dschihadisten konfrontiert. Auf der Sinai-Halbinsel haben diese sich der Dschihadistengruppe Islamischer Staat angeschlossen und zahlreiche ägyptische Soldaten getötet.

Nach dem Sturz Mursis

Nach dem Sturz des langjährigen ägyptischen Machthabers Husni al-Mubarak vor vier Jahren wurde der aus der Muslimbruderschaft hervorgegangene Mohammed Mursi, Ägyptens erster demokratisch gewählter Staatschef, sein Nachfolger.

Mursi wurde 2013 durch das Militär gestürzt, das Mubaraks ehemaligen Armeechef al-Sisi an die Macht brachte. Danach gingen Armee und Polizei mit großer Härte gegen Mursi-Unterstützer vor. Mehr als 1400 von ihnen wurden getötet, über 15.000 weitere sitzen im Gefängnis. Hunderte von ihnen wurden zum Tod verurteilt. Die UNO bezeichnete die Massenprozesse als „beispiellos in der jüngsten Geschichte“. Mursi und nahezu der gesamten Führungsriege der Muslimbruderschaft, der derzeit der Prozess gemacht wird, droht ebenfalls die Todesstrafe. Wegen Verstoßes gegen ein umstrittenes Gesetz, das die Demonstrationsfreiheit einschränkt, wurden auch dutzende linke und nicht religiöse Aktivisten inhaftiert.