Das Einmaleins des Wahlkampfes

Das Einmaleins des Wahlkampfes

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Mut, Moneten und "Micro-Targeting". Der Weg zur US-Präsidentschaft ist hart, teuer und unglaublich kompliziert. Ohne eine perfekt geölte Wahlkampfmaschinerie hat auch der beste Politiker keine Chance.

Der Kampf ums Weiße Haus zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem Kontrahenten Mitt Romney ist in vollem Gang. Knapp vier Monate vor der Wahl nimmt die Aufregung in beiden Lagern Tag um Tag zu. Für einen Erfolg müssen viele Dinge stimmen:

DER KONTOSTAND: Ohne Geld geht natürlich gar nichts. TV-Werbung, Tausende Mitarbeiter, Plakate, Reisekosten, Internetauftritte und vieles mehr – das kann schnell mehr als eine Milliarde Euro kosten. Obama wie auch Romney verbringen daher einen wesentlichen Teil ihrer Zeit mit Spendensammeln. Zuletzt hatte Romney dabei die Nase vorn, im Juni sammelte er rund 106 Millionen Dollar ein (86 Millionen Euro), Obama dagegen nur 71 Millionen Dollar. Hinzu kommen Abermillionen, die sogenannte unabhängige Gruppen in Werbung für ihre Kandidaten stecken.

Doch wer ganz am Ende tatsächlich mehr Geld hat, ist eigentlich gar nicht entscheidend, sagt Nathan Gonzales, Vize-Chefredakteur der parteiunabhängigen Politpublikation Rothenburg Report. «Die Kandidaten haben so viel Geld, dass sie so viel Werbung machen können, wie sie wollen.» Bis zum 6. November könne ohnehin kein Wähler den vielen Werbespots, Anzeigen oder Handzetteln entfliehen.

Die Nähe zählt

DAS IMAGE: Den US-Präsidentschaftswahlkampf prägen viele Themen: Wirtschaft, Außenpolitik, Soziales, Staatsschulden, Einwanderung sind nur einige davon. Doch zuallererst steht das Image im Vordergrund. „Amerikaner wollen das Gefühl der Verbindung zu ihrem Kandidaten, sie wollen einen, der weiß, was sie durchmachen“, sagt Gonzales.

Romney werde sich daher so oft wie möglich mit seiner Frau und den Söhnen sowie Enkelkindern zeigen, um das Image als abgehobener Millionär gegen das des treu sorgenden Familienvaters zu tauschen. Obama dagegen wird alles tun, um Romney weiter als Finanzhai zu dämonisieren, der als Gründer der Investmentfirma Bain unzählige Arbeitsplätze vernichtete oder ins Ausland verlegte. Und Romney wird Obama weiter hauptsächlich zum Totengräber der Wirtschaft erklären.

Klare Positionen gefragt

DIE BOTSCHAFT: Romney sieht sich noch immer der Charakterisierung als Wendehals ausgesetzt. Ihm fehle die klare Botschaft, was er als Präsident vorhabe, lautet die Kritik. Das sei ein schwerer Fehler, urteilt Politikprofessor Robert Shapiro von der Columbia University in New York. „Obama hat ziemlich klare Positionen und ist daher in einer guten Position.“

So habe der Präsident sich etwa in Fragen der Homo-Ehe oder der Steuern bereits eindeutig festgelegt. „Es gab einen Aufschrei, aber jetzt fragen ihn die Reporter nicht mehr danach. Aber Romney muss sich wieder und wieder mit den Fragen auseinandersetzen. Das macht ihn schwach.“ Noch habe der Republikaner aber die Chance, «sich selbst als Kandidat zu definieren», meint Gonzales.

Persönlicher Kontakt mit den Wählern

DIE MANNSCHAFTSGRÖßE: Mit Werbung und Kundgebungen erreichen die Kandidaten eines nicht: direkt mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Gerade in den Staaten mit vielen Wechselwählern, den „Battleground States“, benötigen sie viel Personal, das persönlich auf die Menschen zugeht. Diese Helfer müssen zudem in ihren Heimatorten rekrutiert werden, „damit sie mehr Glaubwürdigkeit haben“, so Shapiro.

Die Demokraten hoffen dabei, ihre zahllosen Unterstützer von 2008 reaktivieren zu können, die Obama zum klaren Sieg verhalfen. „Wir haben riesige Zahlen an Büros an all diesen Orten», frohlockte Obamas Wahlkampfmanager Jim Messina jüngst in einem Interview des Magazins «The Atlantic“. Romneys Team habe dort je nur zwei, drei Standorte.

Zünglein an der Waage

DIE FOKUSSIERUNG: Ein Erdrutschsieg wie 2008 für Obama ist bei Präsidentenwahlen ungewöhnlich, traditionell enden sie extrem knapp. Das erwarten Fachleute auch dieses Jahr. Hauptgrund ist, dass der Wählerkuchen fest zwischen Demokraten und Republikanern aufgeteilt ist. Die wenigen wirklich Unentschlossenen können daher das Zünglein an der Waage spielen, sagt Shapiro. „Am Ende müssen sie nur diese eher kleine Gruppe überzeugen.“

Dafür setzen die Kandidaten auf sogenanntes «Micro-Targeting» (Target = Ziel). Ihre Strategen brechen die Wählergruppen bis auf den kleinsten Nenner herunter, bis hin zur Frage, welche Zeitschriften sie lesen und was sie im Internet einkaufen. Dann passen sie ihre Botschaft genau so für die Gruppe an, dass sie auch wirklich wählen geht und das Kreuz an der richtigen Stelle macht.

Der Präsident, ein Mann des Volkes

DIE ELOQUENZ: Der US-Präsident muss wie ein Mann des Volkes wirken, aber er muss auch wie ein König auftreten können. Gesten der Unsicherheit, Versprecher und Falschaussagen werden von den Medien hemmungslos aufgespießt und setzen sich in den Wählerköpfen fest.

Insgesamt drei live im Fernsehen gezeigte Debatten gelten dabei als Lackmustest. „Obama hat den klaren Vorteil hier, sein Stil hat sich als sehr effektiv erwiesen“, sagt Shapiro. Außerdem habe er als Amtsinhaber viel mehr Übung, vor allen bei Diskussionen über die Außenpolitik. Sei Manager Messina aber warnt davor, Romney zu unterschätzen: „Er ist ein ernsthaft unterbewerteter Debattierer“.