Brennende Barrikaden im Glitzerviertel

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Copacabana und Ipanema - das sind Rios weltbekannte Glamour-Viertel. Proteste und brennende Straßenbarrikaden gehören eigentlich nicht zu deren Markenzeichen. Doch kam es genau dort zu Tumulten.

In Rios Stadtteil Copacabana ging am Dienstagabend nichts mehr. Straßen waren blockiert, Hubschrauber der Polizei in der Luft, und der Verkehr staute sich endlos. Wütende Bewohner einer Armensiedlung, einer Favela, errichteten Straßenbarrikaden. Sie protestierten gegen den Tod eines 26 Jahre alten Mannes, eines Berufstänzers, der auch durch TV-Auftritte bekannt war. Schwer bewaffnete Sonderheiten der Polizei versuchten, die Lage in den Griff zu bekommen. Die Stadt am Zuckerhut kämpft gut sieben Wochen vor dem WM-Anpfiff wieder mit Negativ-Schlagzeilen.

Douglas Rafael da Silva Pereira war auch als „DG“ bekannt und trat als Tänzer in der TV-Show «Esquenta» des Senders Globo auf. Seine Leiche wurde in einem Gebäude in der kleinen Favela Pavão-Pavãozinho gefunden. Sein Körper wies keine Schussverletzung auf. Erste Polizeiermittlungen schlossen einen Sturz als Todesursache nicht aus. Dem widersprach aber die Mutter Maria de Fátima da Silva vehement.

Zeichen von Schlägen

„Er ist nicht gefallen, er war verletzt und hatte Zeichen von Schlägen am Rücken und an den Schultern“, sagte sie dem Nachrichtenportal UOL. Sie sieht die Polizei hinter der Tat. „Sie haben ihn geschlagen, und als sie bemerkten, dass er für Globo arbeitete, versuchten sie, seine Leiche zu verstecken.“

Bislang sind das nur Vorwürfe. Die Ermittlungen laufen, doch weckt der Fall Erinnerungen an den Tod des Hilfsarbeiter Amarildo de Souza im vergangenen Jahr, der ebenfalls zu massiven Protesten der Bevölkerung in Rio geführt hatte. Der Mann aus der Favela Rocinha war wochenlang spurlos verschwunden, bis sich die Anzeichen immer mehr verdichteten, dass er von Polizisten zu Tode gefoltert wurde.

Proteste eskalierten

Die Proteste in Copacabana eskalierten am Dienstag und die Polizei rückte auch in die Favela vor, in der zeitweise der Strom ausfiel. Eine U-Bahn-Station wurde vorübergehend geschlossen. Es fielen Schüsse. Mindestens ein Mensch wurde getötet. Schießereien gehören zum traurigen Alltag der Favelas. Fast nirgendwo sonst in Brasilien treffen Arm und Reich so krass aufeinander wie in Rio. Oft liegen Favelas nur ein, zwei Straßenzüge entfernt von sündhaft teuren Glamour-Meilen mit Luxus-Hotels und exklusiven Bars.

Obwohl die Fußball-WM vom 12. Juni bis 13. Juli in zwölf Städten ausgetragen wird, dürfte Rio eine der Hauptdestinationen der WM- Besucher sein. Dort findet am 13. Juli das Finale statt. Viele der hunderten kleinen und großen Favelas in Rio gelten offiziell als „befriedet“. Schon seit 2008 wurden dort Schritt für Schritt fast 40 Polizeiwachen installiert. Immer wieder rückt die Polizei im Kampf gegen die Drogenkriminalität in die Favelas ein, zuletzt im Norden der Sechs-Millionen-Stadt, im „Complexo da Maré“, wo inzwischen das Militär für Sicherheit sorgt.

Protestaufruf

Im Stadtteil Copacabana rief eine Nichtregierungsorganisation via Facebook für Donnerstag zu einem Protestmarsch auf. „Wir dürfen nicht zulassen, dass mehr Menschen durch die Polizei in unserer Gemeinschaft sterben. Es gibt keinen Frieden ohne Gerechtigkeit. Genug mit der staatlichen Barbarei“, hieß in einem Aufruf des „Netzes der Gemeinschaften und Bewegungen gegen die Gewalt“.

Wie der Tänzer „DG“ ums Leben kam, muss erst noch geklärt werden. Doch der Fall und die Proteste werfen ein erneutes Schlaglicht auf die Sicherheitslage in dem WM-Land.