Von Bush zu Obama

Von Bush zu Obama
(Alain Rischard/editpress)

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Die amerikanische Außenpolitik des 20. Jahrhunderts lässt sich anhand von zwei Begriffen zusammenfassen: Isolationismus und Internationalismus – Letzterer wird in der kritischen Lesart auch als (militärischer) Interventionismus beschrieben.

Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu

Die aktuellen Geschehnisse im Irak sind aus dieser Perspektive unter anderem das Resultat einer US-Außenpolitik, die während der Bush-Ära den Interventionismus auf die Spitze trieb und durch Barack Obamas zwar begrüßenswerten, aber im Nachhinein gescheiterten Rückzug ein Machtvakuum in dem krisengebeutelten Land schuf. Das Aufkommen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und der politische Einfluss des Iran in Bagdad wären ohne Bushs und Obamas Irak-Politik nicht einmal annähernd denkbar gewesen.

Es wäre vereinfachend, die restlichen Akteure, die den Irak ebenfalls destabilisiert haben, auszublenden und nicht auf die Spannungen innerhalb des Landes hinzuweisen (geografische, religiöse, ressourcengebundene, ethnische und historische Aspekte spielen eine zentrale Rolle). Es ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass der Übergang von Bushs kurzsichtiger, mörderischer zu Obamas idealistischer, naiver Irak-Politik die Machtverhältnisse im Nahen Osten langfristig verändert hat: Der Machtkampf zwischen dem Iran und Saudi-Arabien wurde durch die eigentlich positive isolationistische Außenpolitik unter Obama befeuert.

So hat sich das ansonsten US-treue Riad mittlerweile von Obamas Nahost-Kurs distanziert. Zu zögerlich ist er ihnen im Umgang mit dem Iran. Teheran kann wiederum wegen seiner starken Netzwerke im Irak, in Syrien und im Libanon seinen geostrategischen Expansionismus mehr denn je ausleben. Dies zeigt sich nicht zuletzt bei den Atomgesprächen. Obama hat selbst darauf hingewiesen: Ein Deal bedeute noch lange nicht, dass der Iran zum Vorzeigepartner werde. Die zahlreichen von Teheran angestifteten Stellvertreterkriege sind Washington ein Dorn im Auge. Allerdings hat das 2011 im Irak hinterlassene Vakuum die Perser derart gestärkt, dass man nicht mehr an ihnen vorbeikommt – und die widersprüchlichsten Koalitionen entstehen. So kooperieren Amerikaner und Iraner im Irak im Kampf gegen den IS, bekämpfen sich jedoch im syrischen „Proxy“-Krieg, und neuerdings stehen sie sich auch noch im Jemen diametral gegenüber. Die Saudis sehen jedoch selbst diese eingeschränkte iranisch-amerikanische Kooperation mit Argwohn. Das Vordringen Teherans führt gar zur absurden Situation, dass Saudi-Arabien und Israel mittlerweile eine verdeckte Koalition gegen die USA gebildet haben. Für sie wird Obama zunehmend zum Feindbild. Seine militärischen Hemmungen – die nichts mit Pazifismus zu tun haben – provozieren sie zunehmend. Die USA haben Jerusalem und Riad über Jahrzehnte mit Waffen beliefert und ihre Macht in Nahost auf diesen beiden Staaten aufgebaut. Kommt es zu einem Deal mit dem Iran, werden sie noch stärker kooperieren und sich gemeinsam weiter gegen die USA wenden.

So deprimierend es auch klingen mag: Selbst der Wille zum Isolationismus des amtierenden US-Präsidenten kann den Nahen Osten nicht befrieden. Im Gegenteil: Obamas weitsichtige – oder mittlerweile abwesende? – außenpolitische Vision heizt die Stimmung und die zynischen Machtspiele im Nahen Osten nur noch weiter an.