Streiten wird sich lohnen

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Übers Wochenende sorgte Junckers wahltaktisch geschickte Umverteilung der CSV-Ministerämter für Gespräch, doch nun rückt der 1. Mai die wichtigeren Themen in den Vordergrund.

Die meisten Europäer, auch die meisten Luxemburger, sind auf der Verliererstraße, seit die EU von ihren politischen Entscheidungsträgern in die Rezession gesteuert wird. Schleichend, dann schneller, trieb die forcierte Budgetsanierung einzelne Mitgliedstaaten in die soziale Armut, zuerst im Süden des Kontinents. Inzwischen sind auch alte Kernländer wie Frankreich und Holland gefährdet.

Alvin Sold asold@tageblatt.lu

Luxemburg erlebt die Folgen der katastrophalen Politik in Gestalt einer ganzen Reihe von sozialen Verschlechterungen: Der Index ist manipuliert, es gibt keine Anpassung der Steuertabellen an die Teuerung mehr, das zum 1. Januar geschuldete Rentenajustement wurde per Ukas gestrichen, der Wert des nicht mehr indizierten Kindergeldes mitsamt den neuen Prämien nimmt Jahr um Jahr ab, die sogenannte Pensionsreform beantwortet die langfristig anstehende Finanzierungsfrage nicht, zeigt aber den Weg in den systematischen Abbau.

Wie kontraproduktiv die von der CSV-LSAP-Koalition hausgemachte Austerität ist, offenbart sich an ihren wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen.

Die früher so zuversichtlichen Luxemburger (wir verwenden den Begriff im Sinne der Landesbevölkerung insgesamt) geben ihr Geld zögerlicher aus; Handel und Handwerk, die immerhin ein Drittel der Wirtschaft darstellen, klagen über sinkende Umsätze. Viele Betriebe haben in Erwartung der bösen Dinge, die da noch kommen sollen, einen Einstellungsstopp verordnet, andere bauen Stellen ab oder ersetzen Abgänge nicht mehr; es grassiert der Trend zu zeitlich befristeten Verträgen mit den niedrigstmöglichen Einstiegslöhnen, auch für höchstqualifizierte junge Menschen. Wie um Luxemburg herum steigt unsere Arbeitslosenrate, trotz aller statistischen Bereinigungstricks, in nie da gewesene Höhen. Es ist eine Schande.

Natürlich weiß das exzellent organisierte Patronat die Gunst der Stunde zu nutzen. Man verweist auf die angeblich billigere Konkurrenz bei den direkten Nachbarn oder, wenn das nicht zieht, auf die Hungerlöhne in Osteuropa und in Asien; der Index muss ganz weg, und wenn der Staat Mindestlöhne denn für richtig halte, dann möge er sie auch teilweise finanzieren, via Zuschüsse an die Unternehmen. Aber keine zusätzlichen Beiträge zu den Pensions- und Krankenkassen; der Staat selber will ja auch nicht bei der notwendigen Steigerung der Pflegeversicherungssätze mitmachen!

Wir erleben, was der Franzose le retour du pendule nennt.

Jahrzehntelang konnten fortschrittliche Kräfte das letztlich Frieden spendende soziale System auf- und ausbauen und in die wohl nobelste Errungenschaft der Demokratie, den Sozialstaat, einfließen lassen. Jetzt, nach langer Lobby- und Expertenarbeit bei der EU und der OECD, wo sie überforderte oder komplizenhafte Politiker für eine entfesselte Deregulierung und die zerstörerische Privatisierung gewinnen konnten, sind die Herren (und Damen) des Geldes mittels ihrer „Märkte“ in der Lage, ihr Primat durchzusetzen. Zu der von ihnen gewollten Neuordnung gebe es keine Alternative.

Esou geet et net

Es gibt immer eine Alternative zu einem Zustand, der ja nichts anderes ist als das Ergebnis des Willens.

Ist der Wille, das Pendel wieder zugunsten der großen Mehrheit unserer Menschengesellschaft ausschlagen zu lassen, stark genug?

In Europa wächst er zwangsläufig: So kann es ja nicht weitergehen!

In Luxemburg ist er zumindest in den Reihen der größten Gewerkschaft vorhanden. Diese Gewissheit gewannen wir am Montagabend, als OGBL-Präsident Reding in seiner Rede zum 1. Mai eine sachliche Bestandsaufnahme des bereits angerichteten Schadens machte und besonnen für die überfällige Korrektur der Politik in Luxemburg eintrat.

Der OGBL, so viel ist sicher, wird bei den Wahlen keine Kandidaten unterstützen, die für die Fortsetzung der sozial ungerechten und deshalb unmoralischen Austerität eintreten.

Um es à la Juncker zu sagen: „Näischt geet esou virun, wéi et elo goung!“