Dienstag4. November 2025

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Mit Humbug an die Macht

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In einem Jahr wählen die Bürger der USA einen neuen Präsidenten. Oder sie bestätigen den Amtsinhaber, der indes gegenwärtig nicht die besten Aussichten zu haben scheint.

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Der Rest der Welt kann eigentlich nur hoffen, dass der Demokrat es schaffen wird, denn von der republikanischen Rechten ist derzeit nichts Gutes zu erwarten.
In der Tat ist die Partei Abraham Lincolns unter dem Impuls der fundamentalistisch-regierungsfeindlichen „Tea Party“-Bewegung ein weiteres Stück nach rechts abgedriftet. Und zwar in Richtung der „whacky“ oder „loony right“. Der bescheuerten und beknackten Rechten. Nirgends ist das so deutlich zu sehen wie bei der zunehmend irrationalen Haltung, die eine ganze Reihe von republikanischen Präsidentschaftskandidaten in spe gegenüber den Naturwissenschaften vertreten. Die britische Fachzeitschrift New Scientist ( www.newscientist.com ) widmet diesem Problem den Aufmacher ihrer aktuellen Ausgabe unter dem Titel „Unscientific America – a dangerous retreat from reason“.

Die Republikaner haben mit den Naturwissenschaften etliche Probleme: Eines davon besteht darin, dass die meisten Naturwissenschaftler politisch liberal eingestellt sind und demnach eher den Demokraten nahestehen. Und deshalb haben etliche Republikaner nicht nur etwas gegen die Wissenschaftler selbst, sondern auch noch – und da wird’s dann endgültig beknackt – gegen die Resultate ihrer Forschung.

Fataler Obskurantismus

Die Kandidatin Michele Bachmann hat angekündigt, dass sie nach ihrem allfälligen Einzug ins Weiße Haus die US-Umweltschutzbehörde EPA kurzerhand abschaffen wird. Überhaupt ist man bei den Republikanern nicht mehr „présidentiable“, sobald man die Ansicht einer großen Mehrheit von Naturwissenschaftlern teilt, derzufolge der Mensch erheblich zur gefährlichen Aufwärmung der Erdatmosphäre beiträgt.

Natürlich hat es ein Politiker im Umgang mit den Naturwissenschaften nicht leicht: Nur zwei Prozent der Kongressabgeordneten verfügen über eine akademische Qualifikation auf diesem Gebiet (dafür sind aber 41 Prozent Juristen). Politiker haben ein ähnliches Problem wie Journalisten: Sie müssen tagtäglich über Dinge pontifizieren, von denen sie streng genommen keine blasse Ahnung haben. Nun ist es aber so, dass ein ignoranter Leitartikler in der Regel weniger Schaden anrichten kann als ein ahnungsloser Politiker: Der New Scientist schätzt, dass der südafrikanische Präsident Mbeki, weil er öffentlich predigte, Aids werde nicht vom HIV verursacht und die Patienten bedürften daher auch keiner antiviralen Therapie, etwa 300.000 seiner Landsleute auf dem Gewissen haben dürfte.

Nun wird wohl kaum jemand direkt daran sterben, wenn US-amerikanische Obskurantisten den Kreationismus gleichberechtigt mit der Evolutionstheorie in den Biologieunterricht hieven. Und dennoch sollte es uns Nicht-Amerikanern Anlass zu höchster Sorge geben, wenn in der Nation mit dem größten Atomarsenal der Welt Leute ans Ruder gelangen, die fundamentalchristlichem Humbug im Zweifelsfall den Vorzug gegenüber den Erkenntnissen der Naturwissenschaft geben.

Und wenn die USA, als weltweit größter Verbraucher fossiler Brennstoffe, im Kampf gegen die Klimaveränderung knappe und wertvolle Zeit vergeudet, einfach weil die republikanische Partei entschieden hat, dass dieses Problem keines ist, dann könnte das für den Rest der Menschheit, gerade in der Dritten Welt, durchaus verheerende und mörderische Konsequenzen haben.