LEITARTIKEL: Juncker on tour

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Luxemburgs Spitzenpolitiker befinden sich erneut auf Wahlkampftournee, diesmal nicht in eigener Sache, sondern in Deutschland. / Lucien Montebrusco

Dort wird am 27. September der neue Bundestag gewählt. Gestern Abend war Außen- und Vizepremierminister Jean Asselborn seinem bundesdeutschen Amtskollegen und Spitzenkandidaten Frank-Walter Steinmeier in Aachen zu Hilfe geeilt, wie schon einige Wochen zuvor dem ersten SPD-Mann an der Saar, Heiko Maas.
Der CSV-Spitzenkandidat bei den Wahlen am 7. Juni, Jean-Claude Juncker, leistete seinerseits den Parteifreunden der CDU in Trier und in Saarbrücken rhetorischen Sukkurs.
Europa wächst zusammen. Die meisten staatlichen Grenzen Europas sind Vergangenheit, zwischen gleichfarbigen Parteien waren sie bereits früher zerflossen. Doch rechtfertigt dies auch die Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder, und sei es das Nachbarland, zu dem Luxemburg noch nie so gute Beziehungen unterhielt wie in den letzten Jahrzehnten?
Man wolle keine Links-Links-Regierung an der Grenze, ereiferte sich Premierminister Jean-Claude Juncker in Saarbrücken an der Seite von CDU-Mann Peter Müller, zur Gaudi der CDU-Anhängerschaft in der Congresshalle. Die Quittung lieferte der andere, größere Teil der saarländischen Wählerschaft. Sie strafte den amtierenden Ministerpräsidenten mit einem Stimmenverlust von 13 Prozent ab.
In Trier ließ Juncker es vergangene Woche vorsichtiger angehen. Er verstehe nichts von bundesdeutscher Innenpolitik, genauso wenig wie die SPD, so die Lektion des Luxemburgers an die Adresse Deutschlands ältester Partei. Die Lacher hatte der gewiefte Redner auf seiner Seite. Die Botschaft war auch dieses Mal klar.

Einmischung

Natürlich kann niemand vom „letzten Kommunisten Luxemburgs“, wie Juncker sich selbst bezeichnete, ein Loblied auf eine andere Partei denn die CDU erwarten. Doch ging er mit seinem undiplomatischen Bonmot nicht zu weit?
Man stelle sich den Bruchteil einer Sekunde vor, Nicolas Sarkozy oder Frank-Walter Steinmeier hätten sich im Vorfeld des 7. Juni in Paris oder Berlin offen gegen eine Regierungsbeteiligung der CSV ausgesprochen. Nicht nur einen Sturm der Entrüstung wie vor einigen Monaten nach den gezielten Ouagadougou-Äußerungen des deutschen Finanzministers Peer Steinbrück hätten sie im ansonsten beschaulichen Luxemburg ausgelöst. Ein Hurrikan der Stärke 5 (verwüstend) wäre über die politische Landschaft Luxemburgs hinweggefegt.
Dabei ist der Ausgang der deutschen Wahlen am 27. September noch keineswegs klar, genauso wenig wie die politische Konstellation morgen in Saarbrücken. Und wenn es nun doch mit Hilfe der Grünen zu Links-Links kommen sollte? Wird Premierminister Juncker das Saarland in Zukunft meiden, aus der Kooperationsagenda für die Großregion streichen, der die neue großherzogliche Regierung sogar ein eigenständiges Ressort widmet?
Aber vielleicht ging es bei den Verbalattacken nicht so sehr um eine mögliche Warnung vor einer Linksregierung in Deutschland. Denn sollte Bundeskanzlerin Merkel ihre eigene Nachfolgerin in dem Amt werden, hätte sie ein entscheidendes Wort bei der Besetzung wichtiger EU-Posten wie dem des ständigen EU-Ratspräsidenten zu sagen.
Es werde in Zukunft kein kategorisches Nein geben, sollte ihm ein entsprechendes Amt angeboten werden, hatte Juncker der Voix am 28. August anvertraut. Dieses Mal habe er den Luxemburgern nicht versprochen, bis zum Ende der Legislaturperiode Premierminister zu bleiben.
„Juncker on tour“, jetzt nicht für das Amt des Premierministers, sondern für das des ersten permanenten EU-Ratspräsidenten.

lmontebrusco@tageblatt.lu