„Früher“ ist vorbei

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Warum Luxemburg keine Zeit zu verlieren hat.

Wenn Juncker sachlich-nüchtern erklärt, die EU befände sich in einer existenziellen Krise, dann sollten wir Luxemburger nur nicht glauben, das ginge uns nichts an. Weil unser Land so klein ist, keine Bodenschätze hat und auch keine Industrie, von der es leben könnte, kann es nur dauerhaft in einem größeren Gefüge bestehen.
Dieses Gefüge ist die Union, die nicht nur wirtschaftliche Interessen bedienen sollte, sondern eminent politische (gemeinsame Werte!) und soziale (Arbeit, Einkommen, Sicherheit in allen Lebenslagen).
Dass die Union in die existenzielle Krise geriet, die Juncker zugibt, ist nicht die Folge einer Naturkatastrophe wie, beispielsweise, das Erdbeben in Mittelitalien. Die Schuld daran trägt erstrangig der kleine Kreis der europäischen Spitzenpolitiker, zu denen natürlich auch der ehemalige Luxemburger Premier zählt. Er stand, wie seine Amtskollegen, voll hinter der diskutablen Osterweiterung und den neoliberalen Reformen mitsamt Sparkurs, alles Quellen von Schaden, Enttäuschung und Abkehr.

Die nächsten Wochen und Monate müssen zeigen, ob es den entrückten EU-Lenkern gelingt, „Europa“ wieder zu einem glaubwürdigen, attraktiven Projekt zu gestalten. Wir sollten allerdings nicht auf EU-Wunder im luxemburgischen Interesse warten, sondern die mit einigem Können begonnene Modernisierung des Landes vorantreiben. Die jetzige Regierung hat, im Gegensatz zu einer CSV-geführten, nicht den Ballast all dessen zu schleppen, was gestern war.
Vieles mag gestern schön und gut gewesen sein, aber „früher“ ist vorbei. Es reicht nicht mehr, wie so oft in alter Zeit geschehen, Ideen zu kopieren; die politische Führung muss nach vorne preschen, manchmal gesellschaftspolitisches, wirtschaftliches, soziales und kulturelles Neuland betreten.

Experten-Prognosen

Die Erfahrung lehrt, dass Experten-Prognosen, die langfristige Entwicklungen (Bevölkerung, öffentliche Finanzen, Rentenfinanzierung z.B.) in Luxemburg betreffen, mit Vorsicht zu prüfen sind. Weil die Mengen so gering sind und die äußeren Einflüsse so groß, sollte eine vorwärts gerichtete Regierung ihre Politik nie unter dem Eindruck pessimistischer Hypothesen machen. Der Juncker-Frieden’sche Sparwahn fußte auf solchen Hypothesen; er hat das Land sozialpolitisch um Jahre zurückgeworfen, ohne es wirtschaftlich voranzubringen. Manche, deren Aufgabe die Aussaat von Missgunst, Unzufriedenheit und Hadern ist, hantieren neuerdings mit Begriffen wie Implizite Staatsschuld, wegen des Pensionssystems. Sie tun es, weil sich mit der realen Schuld und den tatsächlichen Staatsfinanzen keine Angst mehr schüren lässt, welche die von ihnen angestrebte Rückkehr der CSV fördern könnte. Motto: Leute, fürchtet, damit in euch der Bedarf nach „früher“ wächst. Vielleicht sollte man den Virtuosen der Implizit-Berechnungen mal die Aufgabe erteilen, implizite Vermögen, Aktiva, offenzulegen.

Eine erste Übung wäre die Erstellung des impliziten Vermögens aller Kirchenfabriken, was natürlich die Ermittlung des heutigen und spekulativen Wertes der geschenkten, ererbten und erstandenen Immobilien, Ländereien einbegriffen, voraussetzt. Das würde lustig! Und eine zweite Übung wäre das Aufrechnen des impliziten öffentlichen Vermögens, mitsamt Schätzung des heutigen und des künftigen Wertes des Immobilienbesitzes und der Infrastrukturen.
Das wäre ein Kantersieg über die Bangemacher.