Inklusion oder „Ediff“?

Inklusion oder „Ediff“?

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Interessanterweise heißt das Sonderschulwesen in Luxemburg „Education différenciée“. Dieser Name zeigt eindeutig die Richtung an, die im Jahr 1973 die Verantwortlichen diesem Bereich zugestanden, nämlich dem des differenzierten Unterrichts.

Aussonderung war nicht in deren Sinn. Leider wurde in der Praxis die Idee nicht verwirklicht. Zu diesem Zeitpunkt wurde nämlich schon in verschiedenen deutschen Ländern die inklusive Beschulung von förderbedürftigen Kindern versuchsweise eingeführt. Dieses Beispiel kann verdeutlichen, wie weit die Luxemburger Schulpolitik im Vergleich zu anderen Ländern im Hintertreffen ist.

Minister Meisch gebührt also unsere Anerkennung für die mutigen Schritte in Sachen Inklusion, die er in der Ausrichtung des Schulwesens in Luxemburg getan hat. Lange genug hat die Umsetzung dieser humanistischen Idee gebraucht.

In Wirklichkeit wurden auf Druck von verschiedenen Eltern schon in den 90er-Jahren Anstrengungen seitens des Ministeriums unternommen, um die behinderten Kinder in Regelschulen zu unterrichten. Dass diese Schulversuche sich während 20 Jahren nur langsam entwickelten, muss der Unkenntnis der Politiker und damaligen Erziehungsminister in Sachen schulische Inklusion angekreidet werden.

Aufstand

Dass nun heute nach mehr als 40 Jahren Bestand der „Ediff“ die Angestellten, die größtenteils für die inklusive Arbeit mit förderbedürftigen Kindern eingestellt wurden, den Aufstand proben, weil sie befürchten, sie würden im Zuge der weltweiten Inklusionsbestrebungen förderbedürftiger Schüler einer anderen (schulischen) Hierarchie unterstellt werden und sie dadurch einiger zu Unrecht erworbenen Vorteile verlustig gehen könnten, muss jedem rechtschaffenen Menschen zu denken geben. Es scheint jedoch des Pudels Kern zu sein.

Es sei uns hier erlaubt, noch einmal auf den Text der UNO-Charta hinzuweisen, der klipp und klar die Marschroute für die Beschulung von Kindern mit Förderbedarf vorgibt:
„Les Etats parties veillent à ce que les personnes handicapées ne soient pas exclues, sur le fondement de leur handicap, du système d’enseignement général et à ce que les enfants handicapés ne soient pas exclus, sur le fondement de leur handicap, de l’enseignement primaire gratuit et obligatoire ou de l’enseignement secondaire; …“ Luxemburg hat diese Konvention unterschrieben.

Offene Fragen

Einige Fragen bleiben in dieser chaotischen Zeit der Aufmüpfigkeit unbeantwortet:
– Die Fachkräfte der „Equipes multiprofessionnelles“ (EMS) (anfänglich des SREA: „Service ré-éducatif ambulatoire“) wurden alle angestellt, um den von einer Kommission bestimmten Kindern in den Regelklassen zu helfen. Wohlverstanden in den Regelklassen, nicht in abgesonderten Räumen. Das wird auch in Zukunft weiterhin der Fall sein. (cf. Aussage der Vorsitzenden der Personalvertretung, LW) Was hindert die Mitglieder der EMS an der Ausübung ihres Berufes?

– Manche beschweren sich, dass man ihnen Musikunterricht und Basteln zumutet. Würde „rhythmische Erziehung“ und „Musicotherapie“ oder „feinmotorische Übungen“ ihnen besser gefallen und ihrem Berufsbild eher entsprechen?

– Andere wiederum meinen, man wolle, dass sie manchmal mit einer ganzen Klasse musizieren oder basteln sollen. Haben sie noch nicht von den Möglichkeiten einer methodischen Differenzierung gehört oder wie wichtig für das bedürftige Kind die Integration in den Klassenverband ist?

Inklusion bedeutet auch Inklusion des zuständigen Sonderpädagogen, der durch seine spezifischen Kenntnisse eine wertvolle Hilfe für die ganze Klasse sein kann. Es geschieht ihnen also nichts Unrechtes. Von Ersatzstunden für fehlende Lehrer war nie die Rede.
– Man wird das komische Gefühl nicht los, dass diese Leute – ganz gleich welcher Ausbildung – sich tüchtiger wähnen als die „gewöhnlichen“ Lehrkräfte und sie nicht zu den Lehrkräften gehören wollen. Woher diese Überheblichkeit?

– Überrascht muss man sein ob der Schaffung von zahlreichen Direktorenstellen (nicht nur auf die Ediff bezogen) auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene. Würden diese sog. Direktoren nicht eher den Bedürfnissen gerecht, wenn sie bei den Kindern wären?
– Die Fachkräfte unterstehen nicht mehr der Direktion der Ediff. Welche Vorteile hatten die Leute, um sich so vehement gegen eine allgemein in der Arbeitswelt gängige Praxis der Verpflanzung in eine andere Struktur zu wehren?

Könnte es eventuell sein, dass die nun endlich erfolgende Inklusion die Angestellten der Ediff stört? Möchten sie lieber in den Zentren der Ediff („unabhängig“ „T“; „neutral“ LW) weitermachen?

Man kann nicht aus-/abgesondert vom Schulwesen für die Inklusion eintreten. Dann stehen andere Posten zur Verfügung.

Ich erwarte mir viele interessante Antworten auf meine Fragen.

Jetty Ury-Entringer