„1984“ ist machbar

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Wer Ende der 1970er-Jahre seine „Première“ machte, erinnert sich wohl noch sehr gut an die Pflichtlektüre von Orwells „1984“.

Die Zukunftsperspektive, die dieser politische Roman eines Veteranen des spanischen Bürgerkriegs bot, ließ einen erschaudern. Doch damals erschien die Verwirklichung der technischen Voraussetzungen für die praktische Umsetzung einer solchen totalen Tyrannei doch noch reichlich weit entfernt.
Heute, rund 30 Jahre nach dem Stichdatum 1984, sind diese technischen Voraussetzungen aber mehr oder weniger gegeben. Doch erschaudern lässt dies die wenigsten Zeitgenossen. Denn: Ein Teil jener technologischen „Errungenschaften“, die den totalen Überwachungsstaat überhaupt erst ermöglichen, sind heute bereits schon sehr nützlich, wenn es darum geht, den kaufberauschten Untertan in einer via Internet kontrollierten Konsumgesellschaft zum Geldausgeben zu verführen.
Vielen glücklichen Websurfern sind ihre politischen Freiheiten de facto egal: Kümmerten diese sie nämlich auch nur für „fënnef Su“, wären sie nicht unverzagt Mitglied bei Facebook oder anderen US-Webdiensten, die ihre persönlichen Daten ohne Federlesens Uncle Sam’s Geheimdienstkrake NSA zur Verfügung stellen.

Francis Wagner fwagner@tageblatt.lu

Die Freiheiten sind bedroht

Aber neben den Zeitgenossen, die sich freiwillig (zuvörderst von kommerziellen Unternehmen) ausspionieren lassen, gibt es auch noch jene, die gegen ihren ausdrücklichen Willen auf Schritt und Tritt vom Staat perlustriert werden. Dem „Whistleblower“ Edward Snowden gebührt das enorme Verdienst, unwiderruflich aufgezeigt zu haben, dass der totale Überwachungsstaat nicht nur machbar, sondern schon längst in der Mache ist.
Sicher, die Anhänger des Polizeistaates beten seit jeher dasselbe Mantra herunter: Wer nichts auf dem Kerbholz hat, der braucht auch nichts zu befürchten.
Wenn’s denn wahr wäre! Eine Demokratie besteht ja mitnichten aus naturgesetzlicher Notwendigkeit: Eine Demokratie kann ebenso schnell oder noch viel schneller wieder verschwinden, wie sie erkämpft wurde. Die technischen Voraussetzungen für „1984“ sind also zum großen Teil bereits gegeben. Fehlt also bloß noch das politische Regime, das willens ist, es mit letzter Konsequenz repressiv in die Tat umzusetzen.
Heute sind die USA eine Art von Demokratie. Doch was wird morgen sein? In welchen Datenbanken werden EU-Bürger dann als bei der Einreise in die States oder sonst wo auf der Welt schleunigst dingfest zu machende Regimefeinde registriert sein, ohne dass ihnen selbst dieser Status notwendigerweise bewusst sein müsste und ohne dass ihnen eine Verteidigung nach rechtsstaatlich üblichen Normen zugestanden werden würde?
Snowden hat die Amerikaner davor gewarnt, dass der Überwachungsstaat, in dessen Mechanismus er bis vor Kurzem selbst als kleines Rädchen diente, bald „die Fähigkeit des amerikanischen Volkes überfordern werde, ihn zu kontrollieren“. Es ist mittlerweile jedenfalls nicht mehr allzu schwer vorstellbar, dass die parlamentarische Demokratie aus Angst vor dem Terror demnächst sehenden Auges ihren eigenen Untergang inszenie