Wissenswertes über die Flucht aus dem LärmalltagStille ist eine Frequenz

Wissenswertes über die Flucht aus dem Lärmalltag / Stille ist eine Frequenz
Vollkommene Stille ist beinahe unmöglich zu erzeugen. Messungen über die Frequenzen, die unser Gehirn aussendet, zeigen Werte nahe der Null, nur wenn wir uns im Tiefschlaf befinden. Foto: Unsplash

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Innere Stille ist eine Frequenz, die die Neuronen in unterschiedlichen Hirnarealen im Gleichtakt aussenden. Sie ist kein Geschenk, sondern will mit Muße erlernt werden, so wie es die Mönche des Dalai Lama seit Jahrtausenden praktizieren. Die Hektik und der Alltagsstress nehmen gerade wieder zu. Der Lärm der Städte kehrt zurück, die großen Büros werden sich voraussichtlich wieder füllen und Belastung durch Arbeit, aber auch Fahrzeiten kehren zurück. „Wo liegen die Frequenzen der Stille?“ und „Kann man Stille auch vortäuschen?“, diesen Fragen ging unsere Korrespondentin Elke Bunge nach.

Frequenzen der Stille

Frequenzen der Stille oder die Frequenzen, die unser Gehirn in unterschiedlichen Situationen aussendet und die man mittels eines Elektroenzephalogramms (EEG) aufzeichnen kann:

– Deltawellen 0-4 Hz (Tiefschlaf),
– Thetawellen 4-8 Hz (Schlaf, Trance),
– Alphawellen 8-13 Hz (Entspannung),
– Betawellen 13-30 Hz (Aufmerksamkeit),
– Gammawellen 30-70 Hz (Konzentration).

Forscher haben festgestellt, dass die Frequenz der Stille bei den meditierenden Mönchen des Dalai Lama im Bereich der Gammawellen zu finden ist. Die Meditation ist also ein Moment der höchsten Konzentration.

Dem Gehirn äußere Stille vortäuschen – Propellermaschinen der Schweizer Crossair wurden Versuchsobjekt

Kann man Stille auch von außen künstlich erzeugen? Lässt sich Stille simulieren, in Augenblicken, in denen keine Stille vorhanden ist? Auch dieses Thema beschäftigt die Wissenschaft. Forscher sind heutzutage in der Lage, dem menschlichen Gehirn in bestimmten Situationen äußere Stille vorzutäuschen. „Sound Engineering“ nennen die Fachleute dieses Gebiet. Und es ist durchaus keine graue Theorie.

So hatte die Schweizer Crossair die Methode angewandt, um den Lärm in ihren Propellermaschinen zu verringern. In der Saab 2000, einer der schnellsten Turbopropellermaschinen für Passagiere, fingen Mikrofone in den Kabinen den von den Propellern erzeugten Lärm auf. Ein elektronisches „noise control system“ erzeugte in kürzester Zeit Gegenwellen und speiste diese in den Passagierraum über Lautsprecher ein. Bei diesem Prinzip sollten sich die vom Propeller erzeugten Wellen mit den künstlich hergestellten Gegenwellen auslöschen. Kein einfaches Unterfangen, erzeugen die Propeller doch etliche unterschiedliche Frequenzen. Es gelang den Forschern jedoch, etwa die Hälfte der von den Propellern verursachten und in den Passagierraum übertragenen Frequenzen zu eliminieren. Für die Passagiere wurde es deutlich ruhiger in der Kabine. Inzwischen ist das Geschichte: Crossair-Nachfolger Swiss fliegt nur noch Düsenmaschinen.

Lärmminderung durch das sogenannte „weiße Rauschen“ bedeutet nicht unbedingt einem rauschenden Wasserfall zuzusehen, wie auf diesem Bild. Es handelt sich um eine Lärmminderung, wobei phasenverschobene Gegenwellen zur Lärmquelle ausgesendet werden.
Lärmminderung durch das sogenannte „weiße Rauschen“ bedeutet nicht unbedingt einem rauschenden Wasserfall zuzusehen, wie auf diesem Bild. Es handelt sich um eine Lärmminderung, wobei phasenverschobene Gegenwellen zur Lärmquelle ausgesendet werden. Foto: Unsplash

Lärmlinderung durch „weißes Rauschen“

1936 ließ sich der deutsche Physiker Paul Lueg beim United States Patent Office in der Veröffentlichung „Process of Silencing Sound Oscillations“ eine ganz besondere Idee schützen. Heutzutage gilt er als Vorreiter auf einem Gebiet, das als „active noise control“ bezeichnet wird, also ein „aktive Lärmkontrolle“. Seine Kernaussage: Zwei gleiche Töne, wenn sie phasenverschoben – exakt um eine halbe Schwingung versetzt – aufeinandertreffen, löschen sich gegenseitig aus. Es geht also um Lärmunterdrückung durch Erzeugung phasenverschobener Gegenwellen.

So ähnlich funktioniert auch das Prinzip der Geräuschunterdrückung einzelner unangenehmer Frequenzen durch Einstreuung anderer Frequenzen, die dann die Wahrnehmung unangenehmer Geräusche unterbindet. Dabei wird die Wahrnehmung von Lärm durch Sinnestäuschung reduziert.

Diese Methode ist aktueller denn je. Kehrt unser Arbeitsplatz nach Corona in die Großraumbüros zurück, kommt auch der Lärm der Telefone, Computer, Drucker und Kopierer sowie Stimmengewirr zurück. Eine stressige Umgebung, die wir für eine ganze Weile umgehen konnten. All dies schafft Unruhe, die man gern vermeiden möchte. Und so arbeiten Wissenschaftler und Techniker an Lösungen, um unserer immer lauter gewordenen Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Über Lautsprecher wird ein sogenanntes „weißes Rauschen“ in die Arbeitsräume eingespeist. Es täuscht im Bürogebäude Privatatmosphäre vor, die gar nicht besteht. Wie ein Rauschen im Wald, wenn der Wind sanft durch die Blätter streicht, soll es uns Menschen ein entspannteres Arbeiten bescheren. Das physikalische Prinzip ist denkbar einfach: Eine eingestreute konstante Verteilung unterschiedlicher Frequenzen lässt uns bestimmte unangenehme Töne nicht mehr wahrnehmen. Der Name „weißes Rauschen“ wurde übrigens in Analogie zum weißen Licht gewählt, das alle Frequenzbereiche des sichtbaren Lichts enthält.

Das Vortäuschen von Stille und die wirklich innere Stille

Das Auslöschen bestimmter Töne oder Einstreuen unterschiedlicher Frequenzen sind heute somit zwei Möglichkeiten, eine äußere Stille zu erzeugen oder aber auch vorzutäuschen. Innere Stille zu erlangen ist hingegen ein Prozess, der sich erst durch über lange Zeit erlernte Meditation erreichen lässt. Die physikalische Gemeinsamkeit dieser unterschiedlichen Arten von Stille ist die emittierte Schwingung. Die emotionale Gemeinsamkeit: In einer Zeit, in der das Leben immer unruhiger wird, werden Ruheräume geschaffen, die unserem Körper Kraft schenken.