KinderwissenDie kleine Wörterkiste 10

Kinderwissen / Die kleine Wörterkiste 10
Die Redewendung „Eine Hand wäscht die andere“ stammt aus der Zeit der Römer. Es bedeutet, dass man sich gegenseitig hilft, wenn Unterstützung gebraucht wird. Foto: dpa/Patrick Pleul

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Sprichwörter sind zusammengefasste Volksweisheit. In einem knappen Satz werden langjährige Lebenserfahrungen ausgedrückt. Für besonders treffende und ulkige Formen interessierte sich Elke Bunge.

Mit Argusaugen beobachten

Neulich hatte Papa eine Riesenüberraschung: Er hat Camille einen kleinen Hund mitgebracht! Der Kleine trägt den Namen Paul. Doch Paul war noch nicht stubenrein und so meinte Papa zu Mama und Camille: „Wenn Paul aufsteht und sich in eine Ecke verkrümeln will, müssen wir gut aufpassen. Wir müssen ihn jetzt erst mal mit Argusaugen beobachten!“ Aber was meint Papa damit und wer ist eigentlich Argus?

Argus war nach der griechischen Mythologie der Diener der griechischen Göttin Hera. Am Körper von Argus sollen überall Augen gewesen sein. Selbst wenn er schlief, blieben einige seiner Augen immer geöffnet. Hera war die Frau des Gottes Zeus. Dieser hatte eine Geliebte namens Io. Das gefiel seiner Frau überhaupt nicht und so beauftragte Hera ihren Diener Argus, Io nicht aus den Augen zu lassen. In ihrem Ärger verwandelte Hera die Nebenbuhlerin aber auch noch in eine Kuh. Daraufhin nahm Zeus die Gestalt eines Stieres an. Da Zeus es bald leid war, dass Argus seine Geliebte ständig beobachtete, ließ er ihn aus Rache erschlagen. Hera trauerte sehr um den Verlust ihres treuen Dieners. Sie machte Argus unsterblich, indem sie dessen Augen an sich nahm und diese in das Federkleid eines Pfaus einsetzte. Wer einen Pfau schon mal ein Rad hat schlagen sehen, kann die Augen des Argus dort entdecken. Auch in unserem Sprachgebrauch ist Argus lebendig geblieben: Wenn wir jemanden genau beobachten, dann eben mit Argusaugen – und das kann auch für einen kleinen Hund wie Paul gelten!

Leben wie Gott in Frankreich

Es ist Pausenzeit in der Schule und Marianna packt, wie Isabel und Hélène, ihr Schulbrot aus. Das Pausenbrot von Marianna sieht besonders appetitlich aus: Ein Baguette mit Büffelmozzarella, Tomate und Basilikum. Dazu gibt es noch frische Erdbeeren und ein Stück Schokolade als Nachtisch. Die beiden Freundinnen staunen nicht schlecht, ihre Pausenbrote sind dagegen eher trist. Isabel kann nicht an sich halten und sagt: „Boh, Marianna, du lebst ja wie Gott in Frankreich!“ Hélène ist sehr verdutzt über den Satz ihrer Freundin, vielleicht auch weil Mariannas Familie doch ursprünglich aus Italien kommt. Was hat das mit Frankreich zu tun? Und was mit Gott? Mit dem Herkunftsland von Marianna hat der Satz jedenfalls nichts zu tun, er will vielmehr sagen, dass es Marianna mit ihrem leckeren Pausensnack besonders gut geht und sie von ihrer Familie verwöhnt wurde.

Aber woher kommt eigentlich dieser Ausdruck? Die Herkunft der Redewendung ist nicht eindeutig geklärt. Sicher weiß man jedoch, dass sie aus der Zeit der Französischen Revolution stammt. Doch ob vor oder nach der Absetzung des Sonnenkönigs Ludwig XIV., ist nicht sicher geklärt. Lange Zeit gab es in Frankreich die Ständeordnung. Diese teilte die Menschen in drei Klassen ein, dabei bildeten die Geistlichen den ersten, Adlige den zweiten und alle übrigen Bürger den dritten Stand. Der erste Stand hatte viele Privilegien und lebte meist in großem Wohlstand. Daraus entstand, so die erste These, das Sprichwort „Leben wie Gott in Frankreich“ für ein Leben in Sorglosigkeit und Reichtum. Gott wurde dabei zum Stellvertreter der gesamten Geistlichkeit. Während der Französischen Revolution lehnte sich das Volk massiv gegen diese Ordnung und Klassifizierung der Stände auf. Gleiche Rechte sollten für alle Bewohner des Landes gelten.

Sie entmachteten den König und die katholische Kirche. Hieraus lässt sich die zweite These der Herkunft des Sprichwortes erklären, denn Gott hatte ab sofort keine Aufgabe mehr und konnte es sich in dem schönen Land bequem machen.

Eine Hand wäscht die andere

Michels Nachbar Herr Ney läuft heute mit einem furchtbar gebeugten Rücken vom Haus zu seinem gestapelten Holz, um ein paar Scheite für seinen Ofen zu holen. Als Michel ihn sieht, ruft er zu seinem Nachbarn herüber, ob er ihm beim Tragen helfen könne. Ein Lächeln überzieht das Gesicht von Herrn Ney und er dankt Michel vielmals. Er habe sich heute Morgen einen Hexenschuss zugezogen und kann sich im Moment kaum bewegen. Michel läuft zum Gartentor und trägt Herrn Ney einen ganzen Stapel Holz ins Haus. Herr Ney ist überaus glücklich und dankt dem Jungen sehr. Ein paar Tage später holt Michel sein Rad aus dem Schuppen, weil er gern eine Runde drehen würde! Aber, oh nein, der Vorderreifen ist platt und lässt sich auch nicht einfach so aufpumpen. Herr Ney sieht Michel, wie er vergeblich versucht, seinen Vorderreifen mit Luft zu befüllen. Sein Rücken ist wieder fit und Rad fährt er auch gern, daher hat er alles im Haus, um den kaputten Vorderreifen zu flicken. Er geht schnurstracks mit seiner Werkzeugtasche zu Michel und im Nu ist der Vorderreifen wieder repariert. Ein bisschen Öl für die Fahrradkette hat er auch dabei. Dann schmunzelt er und freut sich: „Siehst du, so wäscht eine Hand die andere.“ Den Ausdruck kannte Michel zwar schon, aber woher kommt er eigentlich? Übrigens hat Herr Ney kurz darauf auch sein Rad geholt und beide haben eine Runde gemeinsam gedreht.

Die Redewendung „Eine Hand wäscht die andere“ stammt aus der Zeit der Römer. Der Philosoph und Dichter Seneca schrieb damals auf Latein: „Manus manum lavat“ (auf Deutsch „eine Hand wäscht die (andere) Hand“). Der Ausdruck entspringt einem Vers des römischen Dichters: „Noli mihi invidere, mea res agitur; deinde tu si quid volueris, in vicem faciam: manus manum lavat.“ Übersetzt: „Sei mir nicht missgünstig, um meine Sache geht’s; ein andermal, wenn du was haben willst, werde ich dir auch den Gefallen tun: Eine Hand wäscht die andere!“ Das hört sich vielleicht für uns heute ein wenig kompliziert an, aber es will einfach sagen, dass der eine dem anderen hilft, so wie bei Michel und Herrn Ney.