Wenn Taxifahren zum Film wird

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Auch in diesem Jahr wird die Berlinale ihrem Ruf, das politischste der großen Filmfestivals zu sein, gerecht. Politikum Nummer 1 ist wieder Jafar Panahi mit seinen neuen Film „Taxi“ im Wettbewerb.

Der Wettbewerb ist voll von sogenannten Problemfilmen. Filme, die die Kamera auf Krisenherde unserer Zeit halten, Filme, die Licht in dunkle Vergangenheiten bringen, Filme, die sich mit sozialer und politischer Ungerechtigkeit auseinandersetzen. Der politische Film, er hat seinen festen Platz auf der Berlinale. Regisseure, die die Welt beobachten und darstellen und sich dabei nicht scheuen, den Finger in die Wunde zu legen, sind gern gesehene Gäste in Berlin.

Dass sich Festivalpräsident Dieter Kosslick mit seiner Wahl nicht nur Freunde macht, liegt auf der Hand. Schon bevor die Berlinale am vergangenen Donnerstag eröffnet wurde, gab es heftige Proteste.

Erst die Polemik um die Satire „The Interview“: Nordkorea hatte der Berlinale in einem Schreiben mit „gnadenloser Bestrafung“ gedroht, sollte der Film, in dem es um ein fiktives Mordkomplott gegen den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un geht, gezeigt werden. Dass dies nie vorgesehen war, haben die nordkoreanischen Diplomaten nun auch verstanden. „The Interview“ läuft zwar regulär zeitgleich mit der Eröffnung der Berlinale in den deutschen Kinos an, hat aber mit der Berlinale und ihrem Programm direkt nichts zu tun. Bei einem Treffen mit dem nordkoreanischen Botschafter in Berlin, Si Hong Ri, konnte Dieter Kosslick das Missverständnis noch vor der Eröffnung aus dem Weg räumen.

Freiheit von Kunst

Bleibt der Iran: Bei manchen iranischen Medien ist die Berlinale in heftige Kritik geraten, da ihrer Einschätzung nach das große Interesse an Jafar Panahi nicht mehr cineastischer Natur sei, sondern langsam zu einem Politikum werde. „Die Berlinale gehörte einmal zu den drei wichtigsten Filmfestspielen der Welt, verfolgt aber in den letzten Jahren mehr politische Ziele“, schrieb das konservative Kulturinstitut Aviny auf seinem Webportal. Das zeige sich insbesondere in der „übertriebenen“ Aufmerksamkeit für den mit einem Berufsverbot belegten Panahi, hieß es in dem Leitartikel „Illegales Taxi fährt nach Berlin“. „Ich lade Panahi so lange ein, bis er kommen kann. Die ständige Einladung an Panahi, der vor vier Jahren Jurymitglied war und nicht ausreisen durfte, steht“, kontert Dieter Kosslick. Die Berlinale kämpfe seit ihrer Gründung im Jahr 1951 um die Freiheit von Kunst und Meinungsfreiheit und ließe es nicht zu, dass politische Interessen die Freiheit der Kunst einschränkten.

Jafar Panahi war wegen seiner Kritik an der iranischen Regierung im Dezember 2010 zu sechs Jahren Haft und einem 20-jährigen Berufs- und Ausreiseverbot verurteilt worden. Das Urteil wurde allerdings nicht vollständig vollstreckt, Jafar Panahi wohnt zu Hause – und arbeitet heimlich. Für den bereits versteckt gedrehten Film „Geschlossener Vorhang“ erhielt er 2013 den Silbernen Bären für das beste Drehbuch. Der gestern auf der Berlinale Premiere feiernde jüngste Film von Panahi „Taxi“ wird in diesem Jahr erneut als ein Favorit für die Bären gehandelt.

Doch auch hier in Berlin gehen die Meinungen auseinander: Sollen Filme ausschließlich nach cineastischen Kriterien, also wegen ihrer künstlerischen Leistung, ausgezeichnet werden oder aber darf die Jury mit ihrer Wahl auch ein politisches Zeichen setzen und gegebenenfalls über künstlerische Schwächen hinwegsehen? Gerade bei einem Film, der versteckt realisiert wurde? Gerade bei „Taxi“ von Jafar Panahi? Nachdem der Film es geschafft hat, aus dem Iran herauszukommen, wird er nun übrigens in den nächsten Monaten in vielen europäischen Städten gezeigt. So auch beim Luxemburg City Film Festival, das vom 26. Februar bis 8. März stattfindet.