Stur bleiben: Patrick Miranda veröffentlicht die zweite EP seines Soloprojekts Pleasing

Stur bleiben: Patrick Miranda veröffentlicht die zweite EP seines Soloprojekts Pleasing

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Vor knapp zwei Wochen veröffentlichte Patrick Miranda die zweite EP seines Projekts Pleasing im „Gudde Wëllen“. Mittlerweile arbeitet der Gitarrist an seinem ersten Album. Wir haben uns mit dem jungen Musiker über seinen Schaffensprozess und seine Zukunftsperspektiven unterhalten.

„Klar habe ich einen Plan B und einen Plan C. Aber wenn man mich fragt, was ich vorhabe, falls es mit der Musik nicht klappt, schweige ich meistens. Und frage mich, wieso man eigentlich nicht davon ausgehen sollte, dass es mit der Musik klappt.“

Patrick Miranda, 21 Jahre jung, setzt alles auf die Musik. Nach unserem Gespräch nimmt der junge Mann den Zug nach Düsseldorf, um in der Wohnung von zwei Freunden, die dort studieren, an Songs für seine erste Platte zu werkeln.

„Ich habe vieles dafür aufgegeben, um mich jetzt ausschließlich der Musik zu widmen. Viele Musiker haben Angst, das zu sagen – vielleicht aus Aberglauben oder weil sie nicht eingebildet wirken wollen. Aber ich will es mit der Musik schaffen. Ich will anderen das, was ich schaffe, zeigen, will den Zuhörer in die Klangwelten, die ich konstruiere, eintauchen lassen. Und ja, womöglich von meiner Kunst leben können.“

Post- und Math-Rock-Projekt

Nach einer ersten beruflichen (der junge Luxemburger hat neun Monate im Epizentrum der Luxemburger Identität – dem Cactus – gejobbt, um Geld für die Musik zu sparen) und musikalischen Erfahrung (in der Metal-Band Awakening the Seasons) konzentriert sich Miranda nun auf sein Soloprojekt Pleasing – ein Post- und Math-Rock-Projekt, das sich auf das klassische Rock-Triumvirat Bass, Schlagzeug und Gitarre konzentriert – und dem sich der Gitarrist seit nunmehr zwei Jahren widmet.

Nachdem vor knapp zwei Wochen die zweite EP „1 & 2“ (siehe Kasten) im „Gudde Wëllen“ vorgestellt wurde, tüftelt Miranda bereits an seinem ersten Album. „Meine erste EP ,Polara‘ entstand relativ ungehemmt. Ich schrieb meine Ideen nieder, nahm die Songs auf – und das war’s. Die EP, die ich vor ein paar Tagen herausgebracht habe, ist konzeptueller und besser produziert. Es handelt sich um drei Songs, die allerdings wie aus einem Guss sind und eigentlich wie ein einziger, langer Track wahrgenommen werden könnten.“

Momentaufnahmen

Zwischen den Gitarrenfiguren nisten sich immer wieder Momentaufnahmen ein – Geräuschkulissen wie das Knirschen von Kies unter Fußsohlen oder ein Lachen, die Miranda mit seinem Handy aufgenommen hat. Die EP soll wie ein „Fotoalbum“ wirken. Mithilfe seiner Musik will der junge Gitarrist die Zeit zurückspulen können.

Seine erste Platte soll technisch noch komplexer, noch konzeptueller werden. Und das, ohne dabei verkopft zu wirken – „man muss kein Math-Rock-Fan sein, um die Musik genießen zu können“. In seinem Vorhaben, sowohl eingängige als auch komplexe Musik zu schreiben, erinnert Miranda an Mutiny on the Bounty – die er mit Bands wie Tiny Moving Parts, Slipknot und Nirvana zu seinen eklektischen Einflüssen zählt. „Ich will nicht, dass mir jemand sagt, dass die Musik von Pleasing anstrengend ist. Eigentlich soll jeder diese Musik hören können. Sowohl Pop-, Metal- und Jazzhörer sollen sich irgendwie auf vertrautem Gelände fühlen.“

Ein Leben für die Musik

Miranda ist bereits in der Hälfte des Kompositionsprozesses. Sein Album soll „sehr persönlich“ werden. Weshalb die Platte auch an sehr unterschiedlichen Orten aufgenommen werden soll. „Einige Songs habe ich bei einem Freund, bei dem ich mich zum Schreiben isoliert habe, aufgenommen. Bei Freunden, die in Düsseldorf studieren, werde ich zwei Wochen schreiben. Weitere Kompositionen sind bei mir zu Hause entstanden, noch andere im Auto.“

Weil alle Facetten seiner Persönlichkeit auf der Platte durchscheinen sollen, hat Miranda auch Songs in ungewöhnlicheren Zuständen geschrieben. Neben dem klassischeren Komponieren im Rausch – eine Vorgehensweise, ohne die uns wohl so einige wichtige Rockalben entgangen wären – hat Miranda auch Tracks geschrieben, nachdem er zwei Tage nicht geschlafen oder einen ganzen Tag nichts gegessen hat. Da, wo er seine im Rausch geschriebenen Tracks als chaotisch bezeichnet, empfindet er die Musik, die nach zu wenig Schlaf entstanden ist, als abstrakt, roh. „Die Ideen, die man hat, sind nicht wirklich fassbar, die Gedanken sind diffus – aber dieses Unfassbare zeigt einen anderen Aspekt meines Schaffens.“

Zusammenarbeit

„Ein paar weitere Songs habe ich komponiert, währenddem sich andere Musiker und Freunde im selben Raum befanden.“ Was ungewöhnlich für Miranda ist, schließlich bastelt er vorzugsweise alleine an seinen Songs – mit Gitarre und Laptop, auf dem das „Garage Band“-Programm es ihm erlaubt, seine Ideen auf einer Festplatte zu verewigen. Ganz alleine geht’s natürlich dann doch nicht. Für die EP haben seine Live-Mitstreiter Xavier Hofmann (Bass) und Sascha Ewen (Drums) ihre Parts teilweise selbst geschrieben. „Die Ideen stammen von mir, aber da ich eben kein Bass- oder Schlagzeugvirtuose bin, gab ich den beiden Anweisungen. Neben Xavier und Sascha ist Marc Froehling für den klanglichen Feinschliff verantwortlich.“

Miranda kann sich durchaus vorstellen, den Schaffensprozess einmal zu öffnen – aber nur ab einem gewissen Punkt. In der Intimität entfalten sich die Emotionen, die seiner Musik innewohnen, am besten.

Von seiner Erfahrung in einer Metal-Band hat er bei Pleasing die Energie, die Technik und die Ehrlichkeit beibehalten. Eine Ehrlichkeit, die auf der neuen Platte seiner Mentoren Slipknot abhandengekommen ist. „Das liegt oftmals darin, dass man im Prozess des Erwachsenenwerdens – wohl wegen des Leistungsdrucks – vergisst, wer man eigentlich ist. Im Musikbetrieb sind es Berühmtheit, die Meinungen der Fans und das Anpassen an die Trends der Musikindustrie, die bewirken, dass der Musiker an Authentizität verliert.“

Administrationsdschungel

Den Trends der Musikindustrie jedoch fernzubleiben, bedeutet auch, an der Peripherie der Anerkennung zu sein – ein Musiker muss heute nicht nur Musik schreiben, sondern sich auch selbst vermarkten können. Weswegen Miranda auf die hier in Luxemburg angebotenen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten zurückgreift. „Plattformen wie das Rocklab zeigen einem den Weg durch den Administrationsdschungel, den es zu bewältigen gilt. Durch solche Weiterbildungen habe ich beispielsweise erfahren, wie man den Kontakt mit der Presse aufnimmt. Diese Hilfeleistungen sind deswegen unumgänglich, da die Selbstvermarktung oftmals den Unterschied macht zwischen den Musikern, denen der Durchbruch gelingt – und denen, die es nicht schaffen.“

So beschreibt Miranda das Feedback von David Wolf, Paul Bradshaw und Sam Reinard, die ihn über seinen Schaffensprozess und seine Zukunftspläne befragten und dabei unterstützten, als wertvoll. Dem Risiko, dass bei solchen Weiterbildungen zu sehr auf die Formatierung und Anpassungsfähigkeit des Musikers gepocht wird oder seine Kompositionen so glatt geschliffen werden, dass sie sich den Trends der Industrie anpassen, geht Miranda geschickt aus dem Weg: „Klar hat man mir manchmal auch wohlgemeinte Tipps gegeben, die ich dankend annahm – und wieder verwarf. Um seine künstlerische Identität zu bewahren, muss man einfach ein bisschen stur bleiben – und sich selbst vertrauen.“


„1 & 2“ – die zweite EP

Mit der zweiten EP wendet sich Pleasing definitiv vom Metal ab – gab es auf der ersten EP „Polara“ noch gelegentlich gesangliche Wutausbrüche, ist „1 & 2“ irgendwo zwischen Post- und Math-Rock angesiedelt. Die Transition von einer ersten EP mit gelegentlichen Gesangseinlagen zu diesem kurzen instrumentalen Werk gelingt dank der verspielten Gitarrenmuster und des treibenden Schlagzeugs äußerst gut, auch wenn die Songs stellenweise etwas leer wirken: Der Beginn von „2“ könnte auch ein Track von La Dispute sein – ohne den keifenden Sprechgesang eines Jordan Dreyer.
Herzstück der EP ist definitiv das nicht nur vom Titel her längere „People Will Never Forget How You Made Them Feel“. Das Stück verbindet komplexen Aufbau mit eingängigen Melodien, nimmt sich Zeit, um Atmosphäre aufkommen zu lassen und erinnert in der verschrobenen Verspieltheit seiner Gitarrenfiguren manchmal an Mutiny On The Bounty, vor allem aber an ein etwas weniger hyperaktives Pendant von And So I Watch You From Afar.
Mit drei Tracks und knapp 15 Minuten Spielzeit ist „1 & 2“ etwas kurz geraten ist – dafür darf man auf das kommende Album umso gespannter sein.

Pleasing: am 29. November im Rocas. Im Dezember erscheint die erste Single des Albums.