Bereits zum 8. Mal wurde am vergangenen Wochenend im „Volks Club“ im südenglischen Brighton das Musikfestival „The Great Skinhead Reunion“ veranstaltet. Mit den Toxkäpp! trat am Freitag erstmals eine luxemburgische Band dort auf.
Organisiert wird das dreitägige Festival seit 2011 von Symond Lawes, Betreiber der Internetplattform subcultz.com. Lawes war Teil der Two-Tone-Bewegung, die Ende der 1970er Jahre entstand. Der heute 52-Jährige machte sich als Model für verschiedene Modelabels aus der Szene und als Nebendarsteller in einige TV-Serien einen Namen. Nachdem einige seiner Freunde verstorben waren, beschloss Lawes vor sieben Jahren, eine Art „Konveniat“ in Brighton zu veranstalten. Schnell wurde daraus ein Musikfestival.
Rund 500 bis 700 Besucher zählt „The Great Skinhead Reunion“ jedes Jahr. Neben gealterten britischen Skinheads der ersten Stunde kommen mittlerweile auch viele jüngere Gäste vom europäischen Kontinent und aus der ganzen Welt nach Brighton, um am ersten Juni-Wochenende mit Gleichgesinnten zu tanzen und zu feiern. An dieser Stelle muss präzisiert werden, dass es sich dabei nicht um Nazi-Skinheads handelt. Das Festival versteht sich als „unpolitisch“, die meisten Besucher beschwören mit ihren Tattoos und Patches den „Spirit of 69“ oder das Trojan-Label und berufen sich damit auf die Anfangszeit der Subkultur.
Sicherheitsschuhe und Hosenträger
„Es kommen Besucher aus Südamerika, den USA, Costa Rica und aus vielen anderen Gegenden der Welt. Auf der ’Skinhead-Reunion‘ treffen sich sogar Typen, die während des nordirischen Konflikts in gegnerischen Lagern aufgewachsen sind und nun hier zusammen einen trinken. Das ist unglaublich“, meinte Lawes.
Die Skinhead-Bewegung formierte sich gegen Ende der 60er Jahre in London und Brighton. Der englische Kulturwissenschaftler Dick Hebdige führt ihre Entstehung auf eine soziale Spaltung innerhalb der Mod-Szene zurück. Während ein Teil der Mods sich vorwiegend der Fashion-Szene und den bürgerlichen Hippies zuwandte, grenzten sich die „harten“ Mods von dieser Entwicklung ab und schufen einen Stil, der sich auf den Habitus der britischen Arbeiterklasse berief.
Hebdige verweist auf die sehr überspitzte, fast schon karikaturistische Darstellung des „Lumpenproletariats“, das nicht den sozialen Aufstieg anstrebt, sondern eine Stärkung des eigenen Klassenbewusstseins, das stolz zur Schau getragen wurde. Diese Attitüde verbanden die Skinheads mit Charakteristiken der jamaikanischen „Rude Boy“-Subkultur.
Der Stil der Skinheads war gekennzeichnet von kurz geschorenen Haaren, Dr.-Martens-Sicherheitsschuhen, glattgebügelten Jeans mit Hosenträgern, Karo-Hemden oder Polo-Shirts von Marken wie Ben Sherman und Fred Perry sowie der Harrington-Jacke. Die Musik, die sie hörten, stammte vor allem aus Jamaika: Ska, Reggae, Rocksteady und Northern Soul, den sie von den Mods übernahmen. Auch jugendliche Einwanderer aus den westindischen Kolonien waren damals Teil der Skinhead-Bewegung.
Als gemeinsamen „Feind“ hatten sie die als passiv geltenden pakistanischen Einwanderer ausgemacht, mit denen sie sich des Öfteren Auseinandersetzungen lieferten, bei denen es vornehmlich um „territoriale“ Ansprüche in bestimmten Stadtvierteln und die Zurschaustellung von Männlichkeit ging. In den 1970er Jahren brach die Skinhead-Subkultur dann auseinander. Laut Hebdige besannen sich die westindischen Einwanderer zusehends auf ihre „Blackness“ und wandten sich der jamaikanischen Reggae-Bewegung zu. Damit standen die weißen Skinheads „alleine“ da. Die Skinhead-Bewegung hielt Einzug in die Fußballstadien, vor allem im englischen Norden. Daraus erwuchsen die Hooligans, die genau wie die Skinheads in der englischen Provinz nun immer häufiger von nationalistischen und rechtsextremen politischen Parteien umworben wurden.
Vereinnahmung durch Rechtsextreme
Aus den Harringtons wurden Bomberjacken, aus den Sicherheitsschuhen Springerstiefel und die überspitzte, fast schon „mythische“ Darstellung des „Lumpenproletariats“ schlug in ein hässliches Bild von aggressiven, rechtsradikalen Schlägern um. Eine ähnliche Entwicklung gab es Anfang der 90er Jahre in ganz Europa. Auch Luxemburg blieb davon nicht verschont. So verfügte die rechtsextreme „National-Bewegong“ von Pierre Peters Anfang der 90er Jahre über mehrere Anhänger, die als rechte Skinheads auftraten und vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckten.
Die Skinhead-Kultur wurde in den 90ern zunehmend von Rechtsextremen vereinnahmt und kopiert. Dieser Bewegung verdanken die Skinheads ihren schlechten Ruf, den sie selbst auch auf eine einseitige und sensationsgeladene Darstellung in der (Boulevard-)Presse zurückführen. Bereits Anfang der 1980er hatte es in England mit der Two-Tone-Bewegung eine kurze Rückbesinnung auf die Werte von 1969 gegeben. Bands wie The Specials und Madness erlangten zwar internationale Bekanntheit, doch die Bewegung war nur von kurzer Dauer. Teile der Skinheads schlossen sich anschließend der Oi!-Bewegung an, einer Musikrichtung, die dem Punk entstammt und im Laufe der 80er sehr populär wurde.
Eine dritte Welle entstand Anfang der 1990er Jahre mit der Ska-Punk-Bewegung in den USA. Obwohl sie sich musikalisch an Ska und Reggae orientierten, distanzierten sich die Ska-Punks stilistisch weitgehend von den Skinheads, die zu dem Zeitpunkt kein gutes Bild in der Öffentlichkeit abgaben. Während im Oi! das gesamte politische Spektrum abgedeckt war, positionierten sich die Ska-Punks unmissverständlich im linken Bereich.
Dem Geist der Zeit „angepasst“
Auch die luxemburgische Band Toxkäpp! begann vor 23 Jahren als Punk- und Ska-Punk-Band im Escher „Schluechthaus“. Im Laufe der Jahre hat das mittlerweile achtköpfige Ensemble sich aber eher dem Ska und dem Two-Tone-Sound zugewandt. Auf der letzten Platte „e quante Sprong“ sind sogar deutliche Reggae-Einflüsse zu hören.
Dass eine Band wie Toxkäpp! auf einem Musikfestival wie „The Great Skinhead Reunion“ auftritt, zeigt, dass die Veranstalter bemüht sind, sich vom Bild der rechten Schläger deutlich zu distanzieren. Das Festival zeigt auch, dass der „Spirit of 69“ trotz aller Verirrungen und Vereinnahmungen innerhalb der Skinhead-Szene überlebt hat.
Die Skinheads haben sich vielleicht nicht in ihrem Aussehen, dafür aber in ihrem Verhalten dem Geist der Zeit weitestgehend „angepasst“. So blieben am vergangenen Wochenende in Brighton Schlägereien und Aggressivität trotz des nicht zu verachtenden Konsums an Lager und Pale Ale aus. Auch war der Frauenanteil überraschend hoch für eine solche Veranstaltung. Insbesondere beim Auftritt der Toxkäpp! fühlten die Damen sich zum Skanken animiert.
Die Gründe, die zu dieser Anpassung geführt haben, sind vielfältig. Einerseits fehlt es an Nachwuchs. Das Angebot an vor allem kommerziell gesteuerten Subkulturen hat sich in den vergangenen Jahren quasi bis zur Unendlichkeit vervielfältigt. Andererseits sind die Protagonisten von damals in die Jahre gekommen und gesitteter geworden. Wenn sie den „Skinhead way of life“ denn überlebt haben.
Ein weiteres Indiz für diesen Anpassungsprozess ließ sich am Samstag beim spontanen Auftritt von Brightons Lokalmatadoren Peter and the Test Tube Babies erkennen. Die 1978 gegründete Punkband orientiert sich zwar musikalisch am Oi!, nimmt sich dabei aber selbst nicht zu ernst. Sänger Peter Bywaters trug stilsicher ein mit Flamingos besticktes Hawaii-Hemd und wurde nicht müde, sich in seinen Ansagen über die Skinheads lustig zu machen. Diese ließen sich nicht provozieren und tanzten, was das Zeug hielt.
De Maart















































































Thankyou, greetings from England