Ein Konstrukt aus Technik, Form und Farben

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Man muss Ott Neuens nicht kennen, um seine Bilder zu mögen. Man muss nicht wissen, dass er, der Spätberufene, in kurzer Zeit so vieles aufholen muss und deshalb eins nach dem anderen malt. Seine Kunst spricht für sich./Heike Bucher

38 Bilder hängen in der kleinen Galerie „Am Duerf“ in Steinsel und alle sehen so aus, als wären sie Teil eines Ganzen. Wie ein Mosaik, das der Maler irgendwann einmal zusammensetzen möchte, oder ein Memory-Spiel, das er gemalt hat. Denn seine Bilder sind sich auf den ersten Blick unglaublich ähnlich. Es sind Quadrate, allesamt. Auf ihnen mischen sich Farben – vorwiegend in warmen Erdtönen wie Braun, Rot, Gelb und die Kombination aus allen. Ab und zu Blau oder Grau.
Wer nahe herangeht, erkennt die eigenartige Struktur – als käme einem Sand oder ein irgendein buntes Betongemisch aus der Leinwand entgegen, so sehen sie aus. Und so, als wöge jedes von ihnen kilogrammschwer. Es sind einzelne Schichten, die nach und nach aufgetragen wurden, gespachtelte Schichten, die gezielt hin und her gewischt wurden. Sie brauchen keinen Pinsel, weil ihnen ansonsten das Authentische verloren ginge. Denn Ott Neuens übt – er probiert die Malerei mit Bienenwachs, Pigmenten und Acrylfarbe aus und fertigt Studienobjekte an, die beweisen, wie gut ihm diese Übungen gelingen.
Jedes Bild, auch wenn es im ersten Moment wie der Zwilling des anderen aussehen mag, ist ganz individuell in seiner Farbe und Struktur. Und bleibt dabei entspannt und unaufdringlich. Es gibt keine Botschaft, die verstanden werden muss, kein Bild hinter dem eigentlichen Bild, dessen Aussage den Uneingeweihten verborgen bleibt. „Die Werke von Ott Neuens sind reich an Materie und Relief, sie erinnern an die geläuterte Frische eines Bordeleser Weinbergs nach dem Gewitter.“ Fast zärtlich klingen die Worte, die Claude Frisoni fand.

Einblick indas Werk des Malers

Passend zur Ausstellung erschien ein Buch des Kunstkritikers Patrick-Gilles Persin über das Werk von Ott Neuens, Frisoni schrieb das Vorwort. Auf 140 Seiten gibt es vor allem die vielen Bilder zu sehen, die Neuens in den vergangenen Jahren gemalt hat, seit er mit der Malerei begann. Unter ihnen auch viele der 38 Kunstwerke, die jetzt in Steinsel ausgestellt sind. Natürlich lügen Fotos immer ein wenig, weil sie vor allem eins nicht plastisch zeigen könne: die eigentliche Struktur der Oberfläche eines Bildes. Die Rauheit und die Unebenheiten von Neuens’ Bildern, die man gerne berühren möchte, wenn man vor ihnen steht.
Einen Besuch in der Ausstellung kann das Buch freilich nicht ersetzen, aber einen Einblick in das Werk eines Malers gibt es allemal. „Ott Neuens will sich nicht entblößen, etwas von sich selbst preisgeben“, meint Patrick-Gilles Persin. Warum sollte Neuens das auch tun? Es gibt so viele Gründe, ein Bild zu malen. Neugier kann einer sein – Neugier auf Formen und Farben zum Beispiel.
Malerei muss nicht zwangsläufig mit einem „Nachaußenkehren“ der persönlichen Gefühlswelt zu tun haben, auch wenn wir oft nach Deutungsmöglichkeiten suchen. Dass ein Bild ein Bild sein kann, ein Konstrukt aus Technik, Form und Farben, das zeigt Ott Neuens in seiner Ausstellung.