Das bekannte Unwesen

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Man sollte schon einen guten Grund haben, sich an einem verregneten Novemberabend des in nicht allzu ferner Zukunft wohl ehemaligen Centre Hamilius zu verirren. Maskénadas jüngste Theaterproduktion hat unbedingt als solcher zu gelten.

Das Thema Prostitution mag nicht jedermann auf einer Bühne goutieren, umso weniger als die Zwangsnuttenrolle der Dijana die unangenehme Angewohnheit hat, sich die ganze Zeit ans Publikum zu wenden, so als wären alle Zuschauer kurz auf einen Quickie oder zum Afternoon Tea vorbeigekommen.

Info

„It felt empty when the
heart went at first but it is alright now“

von Lucy Kirkwood
Regie: Rafael Kohn
Mit: Larisa Faber und Jacqueline Acheampong

Weitere Vorstellungen
1., 5., 6. und 7. November um 20 Uhr
9. November um 17 Uhr im Centre Hamilius

Tickets und Info:
info@maskenada.lu
Tel.: (+352) 27 48 93 82
www.maskenada.lu

Débat
sur la traite des êtres humains et la prostitution forcée
Am 6. November um 18 Uhr
Im CID Femmes
rue Beck 14
L-1222 Luxemburg

Aber der witzige, perfekt konstruierte Text der englischen Autorin Lucy Kirkwood und das kongeniale Zusammenspiel der Regie mit den beiden herausragenden Schauspielerinnen Larisa Faber und JacQueline (sic) Acheampong, lassen das ernste Sujet zu einem sowohl nachdenklich stimmenden als auch unterhaltsamen, gelungenen Abend werden.

Regisseur Rafael Kohn tat gut daran, den auch in einer misslungenen deutschen Übersetzung existierenden Text von „It felt empty when the heart went at first but it is alright now“ in englischsprachiger Originalfassung zu inszenieren. Es wäre sehr zu wünschen, andere würden zahlreich diesem Beispiel folgen, insbesondere angesichts einer immer vielsprachiger werdenden Bevölkerung im Land. Der Titel bezieht sich im Übrigen auf das im Verlauf des Werks erwähnte Zitat eines Kindes nach einer Herztransplantation und tut nichts weiter zur Sache.

Hingerissen

Das Herz am rechten Fleck beweist jedoch Larisa Faber in ihrer Rolle, die fast im Alleingang ein abendfüllendes Pendant zum aktuellen Clip der stopthetraffik.org-Initiative hinlegt. Obwohl man weiß, dass die rumänischstämmige Faber in London Schauspiel gelernt hat, ist man doch hingerissen, wie kontrolliert und doch beschwingt es ihr gelingt, auch dieser Sprache noch einen nie übertrieben wirkenden Akzent zu verleihen.

Die ihr nur in der Textfülle etwas unterlegene Acheampong hat noch dazu mehrfach Gelegenheit, neben ihrer übergangslos von schwarzer Odaliske zur Zuchthausmamma mutierenden Chor-Rolle, ihre Stimme unter den erschwerten Bedingungen des a-capella-Gesangs zu beweisen. Wenn sie dann mit einem einzigen Satz zum Schluss alle verbliebenen Fragen klärt und den Zuschauer mit einer sehr anrührenden Interpretation von „The House oft the Rising Sun“ in den Abend entlässt, macht sie die Lichter hinter sich aus und der milde gestimmte Heimkehrer überlegt sich nur etwas beklommen, wo all die weniger privilegierten Mitbürger, die er in dieser kalten Nacht im immer noch leidlich beheizten Zwischengeschoss des Centre Hamilius zurücklässt, wohl Anfang 2015 übernachten werden, wenn endlich dieser lang ersehnte Neubau Royal Hamilius sich seinen Weg bahnen wird. Aber hallo: Dann ist es sicherlich schon wieder Frühling und Luxemburg ist schließlich immer noch ein Wohlfahrtsstaat.

Prostitution und Frauenhandel

Das engagierte Begleitheft zum Theaterstück wirft im Übrigen eine Reihe andere, sehr pointiert formulierte Fragen zum Thema Prostitution und Frauenhandel auf, deren teils einfalls-, teils hilfslose Beantwortung durch unsere Gesellschaft uns allen die Schamesröte ins Gesicht treiben sollte.

Rafael Kohn jedoch hat sich mit dieser Regiearbeit endgültig als einer der vielversprechendsten Spielleiter in Luxemburg etabliert und wäre es nicht im Dezember und würde es nicht auch in Rumänien regnen, man müsste sich spontan ins Flugzeug setzen, nach Sibiu eilen und ihm im „Radu Stanca“-Theater beim Wedekind-Inszenieren zusehen.