Dienstag4. November 2025

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MigrationZwischen Hoffen und Bangen: Schicksale von Asylbewerbern in Luxemburg

Migration / Zwischen Hoffen und Bangen: Schicksale von Asylbewerbern in Luxemburg
Der 24-jährige Gnalby Barry absolviert eine Bäckerlehre Foto: Editpress/Alain Rischard

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Sie sind schon seit Jahren in Luxemburg, arbeiten, absolvieren eine Ausbildung oder gehen zur Schule. Doch ihre Asylanträge wurden abgelehnt. Der Guineer Gnalby ist der zweite aus einer Reihe von Migranten, die das Tageblatt vorstellt und die sich in einem Zustand zwischen Hoffen und Bangen befinden.

Gnalby hat einen E-Roller genommen, um pünktlich zu unserem Treffen zu erscheinen. Als ich ankomme, ist er bereits am vereinbarten Treffpunkt in Belval. Wir gehen zusammen in die Tageblatt-Redaktion. „Das liegt auf meinem Nachhauseweg“, sagt er. Seine Arbeit befindet sich in Bascharage, wo er eine Bäcker- und Konditorausbildung absolviert. Seit drei Monaten hat er ein Zimmer in Esch. Die Asylbewerber wie er, die aufgefordert werden, ihre Aufnahmeeinrichtung zu verlassen, haben es schwer, eine Bleibe zu finden.

Das kann Tesfu bestätigen, ein junger Eritreer, der nur mit der Unterstützung einer Hilfsorganisation eine Wohnung fand. Während er den Vorteil hat, dass ihm ein internationaler Schutzstatus gewährt wurde, hat Gnalby einen solchen nicht erhalten. Stattdessen gab es für ihn dreimal eine Absage auf seinen Antrag. Dabei wird sein Heimatland Guinea immer wieder von politischen Unruhen heimgesucht. Zuletzt gab es im September 2021 einen Putsch. Das westafrikanische, unter anderem an Liberia und Sierra Leone angrenzende Land, deren Bürgerkriege um die Jahrtausendwende mehrfach überzugreifen drohten und das selbst ein Zielland Hunderttausender Flüchtlinge wurde, ist alles andere als ein sicherer Staat.

Der 24-Jährige beschreibt, wie schwierig es für ihn war, als er aus der Flüchtlingsunterkunft ausziehen musste, nachdem sein Asylantrag abgelehnt worden war. Eine große Leere klafft nach jedem Negativbescheid für die Antragsteller – verbunden mit einer letzten Hoffnung, doch er will in Luxemburg bleiben und sich eine Zukunft hierzulande aufbauen können. „Es gab immer wieder liebenswerte Leute, die mir geholfen haben“, betont er. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb sei es „ein bitteres Gefühl“, sagt Gnalby. Auch er konnte nur mithilfe von Aktivistinnen und Aktivisten ein Zimmer in einer Wohngemeinschaft finden.

Seit fünf Jahren ist Gnalby in Luxemburg, nachdem er in Guinea aufgebrochen war und sich auf den beschwerlichen Weg nach Norden gemacht hatte. Unzählige Menschen aus Westafrika haben sich in den vergangenen Jahrzehnten auf die lange und mitunter lebensgefährliche Reise begeben, um der Armut zu entfliehen oder weil sie in ihrer Heimat verfolgt wurden. Wenn sie die Reise durch die Wüste überlebt haben, ist der nächste, nicht weniger gefährliche Schritt die Überfahrt in einem der überfüllten Boote auf dem Mittelmeer, auf dem viele ihr Leben lassen. Unzählige sind mir schon begegnet, die auf ihrem Weg nach Luxemburg eine wahre Odyssee erlebten. So etwa der bereits erwähnte Tesfu, der eine Zeit lang in Uganda lebte und später über die Türkei nach Europa kam, oder Jonah, ebenfalls aus Eritrea stammend, der einst deportiert, in der Wüste ausgesetzt und ins Gefängnis gesperrt wurde.

Odyssee ins Ungewisse

Oder Yasmin und Fatima, die beide nicht wollen, dass man ihren richtigen Namen nennt. Die zwei Frauen aus Tansania kamen als 16-Jährige nach Luxemburg, Fatima war vor einer Zwangsheirat in dem muslimischen Land geflohen. Ihre Tante hatte dies arrangiert und wollte sie als junge Braut an einen alten Mann verscherbeln. Das Mädchen sollte sich beschneiden lassen. Wie Yasmin kam sie mit einem Fischerboot über das Mittelmeer ans europäische Festland. Letztere will nicht darüber sprechen, was sie auf der Überfahrt erlebt hat. Die Tränen in ihren Augen sprechen für sich. Als sie in Luxemburg ankam, war Yasmin schwanger.

Ein anderes Beispiel ist Tope, der nach der Ermordung seines Vaters, eines Aktivisten einer nigerianischen Oppositionspartei, als blinder Passagier auf einem Schiff nach Europa kam. Als er schließlich mit dem Bus in Luxemburg eintraf, war er noch minderjährig. Nach kurzer Zeit in einer Einrichtung kam der Junge aus Lagos bei einer luxemburgischen Familie unter. Er belegte Kurse in Französisch und Luxemburgisch und engagierte sich in mehreren Hilfsorganisationen. Trotzdem wurde er nach fünf Jahren abgeschoben. Ich besuchte ihn in Nigeria, ebenso wie zwei seiner Landsleute aus dem Norden respektive dem Süden des Landes, die abgeschoben waren und die, inzwischen mittellos und verschuldet, nochmal von vorne anfangen mussten.

„Ich wollte gleich arbeiten“

Oder Serge, der eigentlich anders heißt und von der Elfenbeinküste den gefährlichen Fluchtweg mit einem Boot über den Atlantik bis nach Marokko und dann nach Spanien wählte. Dort verbrachte er einige Zeit, bevor er vor vier Jahren nach Luxemburg kam. „Ich wollte gleich arbeiten“, sagt er. „aber musste erstmal sechs Monate warten.“ Er probierte es zuerst als Heizungsmechaniker, besuchte das CNFPC in Ettelbrück und begann schließlich eine Lehre zum Elektriker. Serge ist im zweiten Ausbildungsjahr, seine „Autorisation d’occupation temporaire“ (AOT) ist abgelaufen – und weil er für seinen Antrag auf Asyl zum dritten Mal einen Negativbescheid bekam, musste er aus der Flüchtlingseinrichtung. Seither lebt er bei einem Freund. „Ich stehe jeden Morgen um fünf Uhr auf, gehe zur Arbeit, will mich integrieren“, sagt er mit einem verzweifelten Blick. „Und alles soll vergeblich gewesen sein?“ Er schaut oft Fußball, um sich abzulenken. Die Elfenbeinküste ist amtierender Afrikameister. Darauf ist er stolz.

Auch Gnalby ist ein begeisterter Fußballfan. Sein Lieblingsclub sei Real Madrid, sagt er. Als ich ihn auf Serhou Guirassy anspreche, lächelt er. Der in Frankreich geborene und aufgewachsene Sohn guineischer Eltern ist der zurzeit größte Star des westafrikanischen Landes. Er habe selbst Fußball gespielt, sagt Gnalby, wie sein elfjähriger Bruder Bhohi, der in Guinea geblieben ist und dort ein Internat besucht. „Wir telefonieren jede Woche“, sagt Gnalby. „Er fehlt mir sehr.“ Von seinem Heimatdort in Kindia, einer Provinz im Westen Guinas und ein gutes Stück weit von der Hauptstadt Conakry entfernt, ist die Erinnerung geblieben. Hoffnung setze er nach wie vor auf ein Leben in Luxemburg. Nur noch wenige Monate und er hat seine Ausbildung abgeschlossen. Aber das Gefühl der Unsicherheit beschleicht ihn oft. Ein bitteres Gefühl.