BettelverbotZerbrochenes Porzellan: Zahl der Kripo-Beamten im Sondereinsatz wird reduziert

Bettelverbot / Zerbrochenes Porzellan: Zahl der Kripo-Beamten im Sondereinsatz wird reduziert
Das Quartier Gare: Auch hier sind aktuell Beamte der Kriminalpolizei im Sondereinsatz Foto: Editpress/Julien Garroy

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Nach einem Brief der Generalstaatsanwältin Martine Solovieff beschäftigen sich sowohl die Kommissionen für Inneres und Justiz als auch die Plenarsitzung der Chamber mit dem Sondereinsatz der Kriminalpolizei in Sachen Bettelverbot. Die Zahl der Beamten soll nun zwar reduziert werden – viele Fragen bleiben aber weiterhin offen.

Meris Sehovic verlässt als einer der Ersten den Saal. Der Grünen-Abgeordnete ist sichtlich erregt. „Ich komme enorm schockiert aus dieser Sitzung. So etwas habe ich noch nicht erlebt.“ Am Donnerstagmorgen sind die beiden parlamentarischen Ausschüsse für Inneres und Justiz zu einer gemeinsamen Sitzung zusammengetroffen – angeregt von LSAP und Piraten. Auslöser war ein Brief von Generalstaatsanwältin Martine Solovieff an Innen- und Polizeiminister Léon Gloden (CSV), in dem Solovieff den Sondereinsatz von Kriminalbeamten zur Bekämpfung von organisierter Bettelei in Luxemburg-Stadt kritisiert hatte. Neben der Generalstaatsanwältin nahmen auch Georges Oswald, Bezirksstaatsanwalt der Stadt Luxemburg, Minister Gloden und Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) an der Sitzung teil.

Beide Staatsanwälte hätten angegeben, so berichtet Sehovic nach Ende der Kommissionssitzung, bei der Entscheidungsfindung, die zum Sondereinsatz der Kriminalbeamten geführt habe, nicht mit eingebunden gewesen zu sein. Sein Fazit: „Der Minister hat in drei Monaten mehr Porzellan zerschlagen, wie Villeroy & Boch in einem Jahr herstellen.“ Léon Gloden hingegen versteht die Aufregung aus den Reihen der Opposition nicht. Aus seiner Sicht sei es „ein konstruktiver Dialog“ gewesen. Die Staatsanwaltschaft habe ganz klar bestätigt, dass die Zahl von 1.191 Fällen, die im Brief der Generalstaatsanwältin aufgezählt werden, nicht in den Wochen seit Beginn des Sondereinsatzes hinzugekommen sei. Der Minister räumt aber ein, die Staatsanwaltschaft habe nicht genug Informationen von der Polizei erhalten, das solle in Zukunft verbessert werden. „Wir müssen weiter am Dialog zwischen der Polizei und der Staatsanwaltschaft arbeiten.“

Zwischen handwerklichen Fehlern und institutioneller Krise

Sehovic geht mit seiner Kritik jedoch viel weiter: „Die Staatsanwaltschaft sagt uns, dass der Sondereinsatz – so wie er im Moment aufgesetzt ist – nicht geeignet ist, um die vorgeschriebenen Ziele zu erreichen. Und noch schlimmer: Dass man deshalb riskiere, dass die Prozeduren, die daraus entstehen, annulliert werden könnten, weil der Rechtsstaat nicht respektiert wurde.“ Der ADR-Abgeordnete Fernand Kartheiser relativiert nach der Sitzung: „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht den Eindruck vermitteln, dass eine institutionelle Krise existiere.“ Es seien jedoch ganz sicher eine Reihe handwerklicher Fehler begangen worden, vor allem, was die Koordination der beteiligten Instanzen Innenministerium, Justiz und Polizei betreffe.

Während Justizministerin Elisabeth Margue (CSV) ebenfalls von „mangelnder Kommunikation“ spricht, erinnert sie gleichzeitig an Gewaltenteilung und Zuständigkeiten. Als Justizministerin greife sie nicht ein in die Kommunikation zwischen den Autoritäten. Auch Gloden habe den Sondereinsatz zwar beauftragt, die Umsetzung aber falle nicht nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. „Ich bin nicht zuständig für das operative Geschäft“, sagt der Innenminister.

Kritik am Vorgehen von Minister Gloden kommt auch aus den Reihen der anderen Oppositionsparteien. „Dass die juristischen Autoritäten aus der Presse von diesem Sondereinsatz erfahren, ist keine Art und Weise, wie man im Rahmen von Institutionen arbeitet“, sagt Dan Biancalana (LSAP). Da reiche es auch nicht, zu sagen, man wolle die Kommunikation in Zukunft verbessern. Biancalana kritisiert außerdem, dass der Sondereinsatz ausgeweitet worden sei, ohne das offiziell mitzuteilen. Am Anfang habe organisierte Bettelei im Fokus gestanden, dann seien neue Elemente wie Drogenkriminalität, Zuhälterei und illegale Migration hinzugekommen.

Auch der Piraten-Abgeordnete Marc Goergen kritisiert den Innenminister scharf: „Ich habe das Gefühl, als würde Herr Gloden einen immer größeren Teppich suchen, um alles darunter kehren zu können.“ Auf die Frage, ob die Opposition eine Untersuchungskommission in der Chamber anstrebe, zögert der Abgeordnete jedoch. Das sei ein „scharfes Schwert“. Wenn der Minister jedoch in den nächsten Monaten stur bei seiner Haltung bliebe und das zum Schaden der Polizei gehen würde, könne man darüber reden. Noch am selben Nachmittag scheitert in der Chambersitzung eine von Sehovic und Biancalana eingebrachte Motion, die den Abzug aller Kriminalbeamten fordert. (s. Infokasten)

Der Sondereinsatz der Kripo – auch ein Thema in der Chamber

Die Zahl der Beamten der Kriminalpolizei, die am umstrittenen Sondereinsatz in Luxemburg-Stadt teilnehmen, soll bis Ende März von aktuell 110 auf 30 reduziert werden. Das hat Innenminister Léon Gloden (CSV) am Donnerstag im Parlament gesagt. Er reagierte auf eine von Meris Sehovic („déi gréng“) und Dan Biancalana (LSAP) eingereichte Motion, in der der Abzug aller Kripobeamten gefordert wurde. Gloden zufolge geht es beim Sondereinsatz nicht nur um die Verfolgung von organisierter Bettelei, sondern auch um die Bekämpfung der Drogenkriminalität, von Menschenhandel und illegaler Immigration. Und da sei auch die Kripo in ihrer Rolle, so die Mehrheitssprecher Laurent Mosar (CSV) und Lydie Polfer (DP). Mit Ausnahme der ADR kritisierte die gesamte Opposition die Haltung des Innenministers am Morgen anlässlich einer gemeinsamen Sitzung des Rechtsausschusses und der Kommission für innere Angelegenheiten. Grund der Sitzung war der Brief von Generalstaatsanwältin Martine Solovieff, in dem sie den Einsatz der Kripo kritisiert hatte, würden doch etliche andere unbehandelte Dossiers auf der Strecke bleiben. Zwar beteure der Innenminister, der Polizei keine Anweisungen gegeben zu haben, gleichzeitig aber erkläre er nun, dass die Zahl der Beamten am Einsatz reduziert werde, so seine Kritiker. Der Minister habe etliche Fragen der Abgeordneten nicht klar beantworten können. Die Motion wurde mehrheitlich abgelehnt.  (lmo)