Dienstag4. November 2025

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KonjunkturWirtschaft im Euroraum wächst stärker als gedacht – doch die Stimmung ist gedrückt

Konjunktur / Wirtschaft im Euroraum wächst stärker als gedacht – doch die Stimmung ist gedrückt
Im ersten Halbjahr hat Europas Wirtschaft gute Zahlen verbucht. In den kommenden Monaten dürfte jedoch unter anderem die geschrumpfte Kaufkraft der Verbraucher für weniger Wachstum sorgen. Foto: dpa/Bernd Weißbrod

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Die Wirtschaft der Euro-Zone ist im Frühjahr trotz Rekordinflation und Ukraine-Krieg deutlicher gewachsen als erwartet. Die Erwartungen für die Zukunft sind jedoch weniger gut.

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte zwischen April und Juni zum Vorquartal um 0,7 Prozent zu, wie das europäische Statistikamt Eurostat am Freitag mitteilte. Volkswirte hatten dagegen für das zweite Quartal lediglich mit einem Anstieg von 0,2 Prozent gerechnet. Anfang des Jahres war ein Plus beim BIP von 0,5 Prozent gemessen worden. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg die Wirtschaftsleistung im Frühjahr um 4,0 Prozent.

Das Geschäftsklima hat sich zuletzt eingetrübt. Die EU-Kommission erwartet für dieses Jahr nur noch einen Zuwachs beim BIP von 2,6 Prozent. Falls Russland der EU den Gashahn komplett zudrehe, drohe in der zweiten Jahreshälfte 2022 eine Rezession, warnte EU-Kommissar Paolo Gentiloni unlängst.

„Die Wirtschaft der Eurozone ist im zweiten Quartal nur knapp dem Abschwung entgangen, der in anderen wichtigen Märkten wie den USA und China zu beobachten war“, kommentiert Bert Colijn, Senior Economist bei der ING, die neuen Zahlen: Das verbuchte Wachstum sei vor allem auf einen starken Aufschwung im Dienstleistungssektor (Restaurants, Bars, Tourismus) zurückzuführen. „Im ersten Quartal hatte die Wirtschaft der Eurozone aufgrund der Covid-19-Omikron-Variante noch mit einer schwachen Konjunktur zu kämpfen, wovon die heutigen BIP-Zahlen profitieren.“

Das Wachstum verdecke jedoch zugrunde liegende Schwächen aufgrund der hohen Inflation und der Probleme im verarbeitenden Gewerbe, gibt er zu bedenken. „Es ist zu erwarten, dass die Wirtschaft schrumpfen wird, sobald die Effekte des Covid-19-Aufschwungs verpufft sind“, so Colijn.

Zahlen für Luxemburg sind in der Schnellschätzung nicht enthalten. In den ersten drei Monaten des Jahres hatte sich die Konjunktur jedoch weiter gut entwickelt. Verglichen mit dem letzten Quartal des Jahres 2021 war sie um 1,2 Prozent gewachsen. Mit diesen Zahlen war die Wirtschaftsleistung, zum Ende März 2022, bereits höher als das Niveau, welches Statec bis Jahresende 2022 erwartet. Für das Gesamtjahr rechnen die Statistiker mit einem Plus von 2 Prozent. 

Inflation auf neuem Rekordniveau

Der Energiepreis-Schub infolge des Ukraine-Kriegs treibt die Inflation im Euro-Raum derweil auf immer neue Rekordstände. Die Verbraucherpreise kletterten im Juli binnen Jahresfrist um 8,9 Prozent zum Vorjahresmonat, wie das Statistikamt Eurostat am Freitag nach einer ersten Schätzung mitteilte. Volkswirte hatten dagegen mit einer zum Juni unveränderten Rate von 8,6 Prozent gerechnet. Im Mai hatte die Teuerung bei 8,1 Prozent gelegen, im April bei 7,4 Prozent.

Am schnellsten steigen die Preise derzeit in Estland (22,7 Prozent), Lettland (21 Prozent) und Litauen (20,8 Prozent). Die niedrigste Inflationsrate im Euroraum hat Malta mit 6,5 Prozent.

In Luxemburg liegt die Quote, Eurostat zufolge, bei 9,3 Prozent (Vormonat: 10,3 Prozent). Jedoch gilt es zu erwähnen, dass die von Eurostat errechnete „harmonisierte Inflationsrate“ nicht die gleiche ist wie die vom Statec errechnete „nationale Inflationsrate“, auf der die Indexberechnungen basieren. Letztere hatte im Juni einen neuen Rekordstand von 7,5 Prozent erreicht.

Wegen des massiven Inflationsschubs haben die Euro-Wächter um Notenbankchefin Christine Lagarde nun kürzlich die Zinswende eingeleitet. Sie stemmten sich am Donnerstag vor einer Woche bei ihrer ersten Zinserhöhung seit elf Jahren mit einem unerwartet kräftigen Schritt gegen die ausufernde Teuerung. Die EZB war zuvor kritisiert worden, sie habe den anhaltenden Inflationsanstieg zu spät erkannt. Unter den großen Notenbanken zählt die Euro-Notenbank zu den geldpolitischen Nachzüglern.