Inflation„Wir stehen weiterhin zu unseren Werten“: OGBL-Präsidentin Nora Back über die Tripartite-Verhandlungen

Inflation / „Wir stehen weiterhin zu unseren Werten“: OGBL-Präsidentin Nora Back über die Tripartite-Verhandlungen
Die OGBL-Präsidentin Nora Back vor dem Verhandlungsbeginn am Mittwoch Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Der OGBL trägt die Tripartite-Vereinbarung nicht mit. Die Verhandlungen scheiterten daran, dass es ausschließlich um eine Indexmanipulation ging, so Präsidentin Nora Back. Ihr Mandat lautete aber: „Fanger ewech vum Index!“

Tageblatt: Wie fühlt man sich nach einem Verhandlungsmarathon von vierzig und mehr Stunden?

Nora Back: Müde natürlich, aber gut. Gut, dass der OGBL diese Entscheidung getroffen hat und wir auch weiterhin ohne schlechtes Gewissen in den Spiegel schauen können, dass wir für etwas einstehen und das auch vertreten haben. Gut, dass wir während Stunden für die Interessen der Menschen gekämpft haben, wobei wir immer wieder auf den wesentlichen Punkten angegriffen wurden. Wir haben stets gesagt, wir kommen in diese Tripartite, um Verbesserungen für die Menschen zu erzielen und keine Verschlechterungen. Wir stehen weiterhin zu unseren Werten.

Gab es denn eine Einstimmigkeit im OGBL bezüglich der Verhandlungsposition bei der Tripartite?

Ja. In den letzten Wochen vor der Tripartite gab es im Land eine Stimmungsmache gegen den Index. Da wussten wir bereits, das Thema wird wieder aufgegriffen werden, zumal es zwei Indextranchen in einem Jahr geben könnte. Wir kennen das Patronat. Und tatsächlich wurde an allen Fronten gegen den Index gewettert. Bei einer außerordentlichen Sitzung des Nationalvorstandes bekam ich das einstimmige Mandat „Fanger ewech vum Index!“. Das war noch vor der ersten Tripartite-Runde.

Vergangene Woche, nach der ersten Tripartite-Runde, klang alles ziemlich optimistisch.

Das ist ehrlich gesagt eine Show, die seitens der Regierung da abgezogen wurde. Das wichtigste Antikriseninstrument wurde missbraucht, um eine Indexdiskussion loszutreten. Die Regierung rief uns in die Tripartite, mit dem einzigen Ziel, an den Index zu gehen. Wir waren bereit, zu verhandeln. Wir dachten, wenn drei an einem Tisch sitzen, auch der dritte etwas bekommen werde. Dass es Erleichterungen für die Menschen und eine Stärkung ihrer Kaufkraft geben werde. Wir gingen in die Verhandlungen und es war schnell klar, dass das Patronat einen Frontalangriff auf den Index und zukünftige Indextranchen startet. Da kam relativ schnell von der Regierung der Vorschlag, die Indextranche von August 2022 zu verschieben und sie zu überkompensieren. Wir haben unsere eigene Rote Linie überschritten, als wir zusagten, darüber zu reden. Das war am vergangenen Mittwoch. Kurz vor Ende der Gespräche kam die Regierung jedoch zurück, mit der Aussage, sie möchte auch die unter Umständen zusätzliche Indextranche im nächsten Jahr ins Verhandlungspaket mitaufnehmen. Da haben wir abgelehnt. Es geht schließlich um das Indexsystem.

Als wir nach Gesprächsende den Saal verließen, wurde vereinbart, der Presse mitzuteilen, dass es keine Vereinbarung gebe. Auch der Premierminister hat dies immer wieder betont. Aber das Ganze kam dann so rüber, als sei bereits alles geregelt. Das ist Regierungsshow.

Wir verließen die Verhandlungen in der Gewissheit, dass noch nichts entschieden ist, dass noch etliche Punkte analysiert werden müssten, und wir mit unseren Gremien reden müssten. Für mich war es wichtig zu wissen, was diese Überkompensation denn bedeuten würde. Wir haben dann Verhandlungen mit Finanzministerin Yuriko Backes aufgenommen. Die zogen sich fast nonstop bis gestern Mittwoch.

Die Tripartite scheiterte daran, dass es eine Index-Tripartite war. Wir haben die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation vorgeschlagen, aber der Vorschlag wurde sofort abgelehnt. Das wäre eine notwendige Maßnahme gewesen, um die Haushalte zu entlasten, die während Jahren zu viel Steuern bezahlt haben. Die Regierung begeht Wortbruch, da sie bisher immer wieder betont habe, sie vergreife sich nicht am Index.

Dennoch kommt es überraschend, dass der OGBL allein den Verhandlungstisch verlassen hat. Gab es keine Gespräche mit dem LCGB und der CGFP?

Doch. Wir sind zu dritt in die Verhandlungen gegangen, sagten uns, wir würden das Ganze zusammen durchziehen. Wir haben einen gemeinsamen Forderungskatalog vorgelegt.

Aber am Mittwochabend hat der OGBL den Verhandlungstisch allein verlassen …

Wir haben nun mal keine Einheitsgewerkschaft. Es sind drei Organisationen mit drei leitenden Gremien, mit drei Mandaten. Als die Regierung am Mittwoch gegen 22.30 Uhr nach einer Unterbrechung zurückkam und ihren letzten Vorschlag vorlegte, haben wir gesagt, es reicht, da wir noch Welten auseinanderlagen. Die anderen haben schließlich zugestimmt. Ich hatte mein Mandat, und daran hielt ich mich.

In der Öffentlichkeit entstand der Eindruck, der OGBL würde sich für Kompensationen für Besserverdienende einsetzen.

Das stimmt so nicht. Ab 100.000 Euro Einkommen gehen die Kompensationen zurück und bei 130.000 Euro ist man auf null, lautete unser Vorschlag. Diese Haushalte hätten bereits einen großen Verlust zu verkraften, verglichen mit der Indextranche. Unser Vorschlag war so aufgebaut, dass die einkommensschwächeren Haushalte überproportional kompensiert wären. Diese Diskussion ist jedoch überflüssig. Es geht schließlich darum, dass eine Indextranche verschoben werden soll. Damit bewirkt die Regierung eine flächendeckende Hilfe für die Unternehmen im Lande. Die Steuerzahler selbst zahlen nun die Kaufkraft, die die Unternehmen ihnen zahlen müssten.

Die Zahlen der Regierung sind falsch. Wenn sie von großen Gewinnern redet, dann rechnet sie alles zusammen. Doch der Index ist kein Instrument für Sozialpolitik. Dazu eignet sich die Steuerpolitik. Wollte die Regierung wirklich etwas für die Einkommensschwachen tun, hätte sie die Teuerungszulage verdoppelt.

Die von der Regierung genannten Zahlen, 800 Millionen Euro Hilfe, davon 600 Millionen Euro für die Privathaushalte, sind doch recht beeindruckend.

Aber darin ist doch auch die Indextranche enthalten, die die Privathaushalte ohnehin bekommen sollten. Unserer Ansicht nach sind das Millionen zugunsten der Betriebe. Während der Tripartite sagte Regierungschef Bettel selbst, die Indexmaßnahme sei dazu da, um den Betrieben zu helfen. Und jetzt behauptet er, die 600 Millionen Euro seien eine Hilfe für die Menschen. Die Menschen müssten diese Hilfe nicht bekommen, würde die Indextranche bezahlt. Es handelt sich demnach um eine Hilfe für Unternehmen, flächendeckend. Und außerdem macht eine Indextranche rund 800 Millionen Euro aus, womit das Hilfspaket weit darunter liegt. Und dabei wird die Prime House, die 7 Cents Reduzierung auf Treibstoff, mit eingerechnet, was ja auch Hilfen für die Unternehmen sind.

Als ehemalige Verantwortliche für den Gesundheits- und Sozialsektor haben Sie auch in der Vergangenheit schwierige Verhandlungen geführt. Gab es da Unterschiede zu diesen Tripartite-Gesprächen?

Es war schon komplizierter. Hier waren wir allein gegen zwei. Ob Patronat- oder Regierungsvertreter sprachen – es gab keinen Unterschied.

Wir haben jetzt eine neuartige Situation, da sich lediglich einzelne Teilnehmer verständigen konnten. Ist das traditionelle Tripartite-Modell tot?

Nein. Das sehe ich nicht so. Die Verhandlungen sind gescheitert, das bedeutet jedoch nicht den Tod der Tripartite. Wenn sie als Antikriseninstrument genutzt wird, kann sie sich immer wieder bewähren. Wir verlassen nicht die Tripartite. Falls erfordert, gehen wir in die Dreiergespräche. Aber das Vertrauen hat bei uns gelitten. Die Tripartite wurde lediglich für eine Indexmanipulation missbraucht. Als OGBL konnten wir das nicht mittragen.

Sie waren auch bei früheren Tripartitegesprächen dabei. Hat sich etwas in der Herangehensweise der einzelnen Akteure geändert? Geht diese Regierung anders an die Tripartite heran?

Meiner Ansicht nach hat diese Regierung die Tripartite nicht ernst genug genommen und sich nicht ernsthaft um eine Einigung bemüht. Sie hat vielmehr das Spiel des Patronats gemacht. Doch das hat sie bereits in der Vergangenheit getan. Auch in der Vergangenheit scheiterten Tripartites.

Ideologie ist in der Politik ein neues Schimpfwort. Hat sich vielleicht auch der OGBL in den letzten Jahren dahingehend verändert, dass er radikaler wurde? Auch in der Vergangenheit gab es Indexmanipulationen nach einer Tripartite.

Der OGBL hat den Index immer verteidigt. 2012 wurde er moduliert. Da haben wir nicht unterschrieben. Auch 2006 wurde er moduliert. Aber als Gegenleistung kam die Einführung des Einheitsstatuts. Hätten wir auch dieses Mal eine ernsthafte Gegenleistung bekommen, etwa die Anpassung der Steuertarife, dann hätten wir unter Umständen eine Modulation mittragen können, auch wenn es wehgetan hätte. Wir haben uns nicht radikalisiert. Wir glauben an unsere Werte.

Schaut man sich die Bilder der Tripartite an, erkennt man erneut, dass das Ganze noch eine ziemlich Männer dominierte Angelegenheit ist. Hat der Umstand, dass eine Frau die größte Gewerkschaft führt, den Verlauf der Tripartite beeinflusst?

Sie behaupten, die Gespräche wären nicht gescheitert, stünde ein Mann an der Spitze? Nein, ich glaube nicht. Ich war bei diesen Verhandlungen sehr hart und entschlossen und blieb es bis zum Schluss. Auch beim zweiten Nationalvorstand zu Wochenbeginn gab eine einstimmige Ablehnung der Regierungsvorschläge. Wir blieben unseren Werten treu.

carlocoin
2. April 2022 - 11.35

Den OGBL huet sech emmer wéi déi Kleng agesaat. Beim Objectif Plein Emploi kount een daat gudd gesinn. Do hun déi Direkteren mol keng 160000 verdingt. An eng richteg gudd Aarbecht gemaat.

Jules
2. April 2022 - 8.35

@lupus-canis/ Daat ass ësou wiesou een Staat am Staat. Nëmmen nach Privilegien an soss dreimol neischt.

Filet de Boeuf
2. April 2022 - 1.07

Solange die Politik nur ein Umverteilungs-Tralala ist, kommen wir nicht weiter. Wir brauchen eine Aufwertung der Kaufkraft der gesamten Bevölkerung, am besten ohne Bevölkerungswachstum. Als Sozialist muss man sich dann leider eingestehen, dass man einen reichen Unternehmer herholen muss, der bereit ist, grosszügig Steuern zu zahlen, und auf einen Staat hoffen, der diese Steuern an die Bevölkerung verteilt. Wenn wir weiterhin die Sozialismus-Nummer durchziehen, brauchen wir halt 100.000 Einwanderer pro Jahr und wir befriedigen trotzdem immer nur einen Teil der Bevölkerung. Vielleicht war die Dubai-Visite kein dummer Zug, ein bisschen Steuern von den Oligarchen oder Scheichen wär nicht schlecht, solange sie keinen Krieg anzetteln. Der Staat hat personaltechnisch auch viele Fehler begangen die letzten 10-15 Jahre. Der Staat würde sogar mit "Expéditionnaires" weiterhin ohne Probleme funktionieren. Aber der Ball muss künstlich aufgeblasen werden, die Master/Bachelor-Studenten die im Privaten nicht unterkommen, müssen irgendwie gerettet werden.

red
1. April 2022 - 23.06

"....fir Interesse vun de Menschen agesaat"... wonnerschéin sou eppes ze liesen ! ...zumols wann een eng jett Méint virdrun sech an engem Otemzuch na ganz kloer GÉNGT Menschegruppen agesaat huet an kloer PRO Impfung an alles war, obwuel een virdrun stark geschwaat huet, et geng ee sech gengt de CovidCheck op der Schaff ausschwätzen an am Endeffekt mam Flow gaangen ass. Schued, effektiv ganz schued !

lupus-canis
1. April 2022 - 12.17

@jules do se vläicht vill Blo'er dobäi

Jules
1. April 2022 - 11.30

Es wundert dass CGFP den Vertrag unterschrieben hat, vielleicht hat Bettel eine Gehältererhöhung für seine Staatsbeamten versprochen, alles feiges und korruptes Bonzengetue.

Grober J-P.
1. April 2022 - 9.47

"Das stimmt so nicht. Ab 100.000 Euro Einkommen gehen die Kompensationen zurück und bei 130.000 Euro ist man auf null, lautete unser Vorschlag." Wieviel Kompensation kriegt denn ein Haushalt mit 40000 € Jahreseinkommen z.B. Bitte um Nachricht!