Esch„Wir sollen den Menschen helfen, fertig!“: Reaktionen auf die verweigerte Essensausgabe

Esch / „Wir sollen den Menschen helfen, fertig!“: Reaktionen auf die verweigerte Essensausgabe
Protest aus dem Lager der Opposition gibt es nach der Entscheidung der Escher Gemeindeverantwortlichen, eine Essensausgabe an Bedürftige durch die private Hilfsorganisation „Street Angels“ zu verhindern Foto: Editpress/Alain Rischard

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Hohe Wellen schlug die Weigerung der Stadt Esch, eine Essensausgabe der „Street Angels“ an Obdachlose zu genehmigen. Die Opposition zeigt kein Verständnis für die Entscheidung und sieht in der Argumentation der Verantwortlichen gleich mehrere Widersprüche.  

Eine Gemeinde untersagt es einer Privatinitiative, Essen und andere Hilfsgüter an Bedürftige zu verteilen, und erntet dafür Kritik. So geschehen am Dienstagabend in Esch, als die privaten Helfer der „Street Angels“ keine Genehmigung erhielten, auf dem Parkplatz am Ende der Helen-Buchholtz-Straße ihre Spenden an Obdachlose zu verteilen (das Tageblatt berichtete). Das rief auch die Opposition im von der schwarz-blau-grünen Mehrheit angeführten Escher Gemeinderat auf den Plan. ADR und Piraten waren vor Ort, LSAP und „déi Lénk“ meldeten sich am Donnerstag zu Wort. Man stört sich vor allem an der Rechtfertigung von Bürgermeister Christian Weis (CSV) und dessen Parteikollegen, dem Sozialschöffen Bruno Cavaleiro.

Laura Valli und Steve Faltz (LSAP)
Laura Valli und Steve Faltz (LSAP) Foto: Editpress/Alain Rischard

Letzterer möchte in der kommenden Gemeinderatssitzung am 29. März über den Neubau des Abrisud informieren. Die Unterkunft für Obdachlose ist seit Jahren schon ein Problem, bietet sie doch lediglich 18 Personen Unterschlupf, dazu auch noch in einer provisorischen Containerstruktur. „Das Abrisud steht doch sinnbildlich für die Sozialpolitik der schwarz-grün-blauen Mehrheit der letzten sechs Jahre“, sagt LSAP-Fraktionssprecher Steve Faltz, „da ist einfach nichts geschehen“.

Er verstehe bis zu einem gewissen Grad den theoretischen Ansatz in der Argumentation, die gegen eine kostenlose Verteilung von Essen sprechen. „Voraussetzung muss dann aber sein, dass die Sozialdienste der Gemeinde einwandfrei funktionieren. Das ist aber momentan nicht der Fall, denn sonst würden sie ja nicht gerade neu strukturiert“, sagt Faltz. Für ihn ist die Sache klar: „Die Bedürftigen sollen etwas zu essen bekommen. Und man hätte das pragmatisch lösen können, anstelle es eskalieren zu lassen. Zum Beispiel die Verteilung am Dienstag zulassen und sich anschließend zusammen an einen Tisch setzen, um zu schauen, wie man komplementär miteinander arbeiten kann. Allen Hintergründen zum Trotz reden wir hier über Privatleute, die sich für Bedürftige einsetzen wollen. Sowas kann man doch nicht verbieten. Wir sollen den Menschen helfen, fertig.“

„Ein kleines Pflaster“

Marc Baum („déi Lénk“)
Marc Baum („déi Lénk“) Foto: Editpress/Julien Garroy

Am Nachmittag meldete sich Faltz’ Parteisektion mit einem Brief zu Wort. Darin schreiben Präsidentin Laura Valli und Sarah Hargarten unter dem Titel „Ein kleines Pflaster“: „Die Stadtverwaltung behauptet also: ,Bitte nicht helfen, wir haben die besseren Lösungen!‘ Was die Lösungen jedoch genau sind, soll noch analysiert werden. Und sie glauben daran, aber wie erklärt man das den Menschen, die sich keine Mahlzeit leisten können? Die christlich-soziale Partei würde also ihre beiden angeblich grundlegenden Werte brechen, denn diese Ablehnung ist weder christlich noch sozial. Vielleicht kommt die Inspiration direkt aus der Hauptstadt, wo es verboten ist zu betteln, während es in Esch nun verboten wäre zu helfen, es sei denn, es wird von den Verantwortlichen genehmigt. Es gibt also ein genaues Protokoll und Richtlinien, um Beistand leisten zu können.“ Weiter wird die Frage aufgeworfen, ob „wir es uns leisten können, die Bemühungen derer zu bremsen, die solidarisch sein wollen?“. „Man wird das Gefühl nicht los, dass es der Stadtverwaltung gar nicht darum geht, dass den Bedürftigen da unter die Arme gegriffen wird, wo es nötig ist. Vielmehr soll Armut nicht so sichtbar im Stadtkern sein.“ „Circulez, il n’y a rien à voir!“, endet die Mitteilung.

Ähnlich sieht das auch Marc Baum, Gemeinderat der Linken. „Ich halte nicht viel von den Erklärungen von Bürgermeister Christian Weis und Bruno Cavaleiro. Ob eine Essensverteilung kontraproduktiv ist, muss man erst einmal nachweisen. Ja, die Aktion war nicht mit den Gemeindediensten koordiniert, aber da ist doch die Gemeinde in der Bringschuld, oder nicht? Man hätte doch einfach sagen können: Es ist eine schöne Initiative, komm wir schauen, wie wir das in unsere Angebote integrieren. Es ist ja nicht so, als ob es in Esch ein Überangebot an sozialen Anlaufstellen gäbe. Wenn es wirklich ein Anliegen ist, etwas Nachhaltiges zu schaffen, dann muss die Gemeinde doch offen sein für Menschen, die helfen wollen, und ihnen positiv begegnen“, sagt Baum.