Die Inauguration im Jahr 1953 hatte mit großem Pomp stattgefunden, wie der Historiker Vincent Artuso in seinem Textbeitrag für die Jubiläumsbroschüre des „Consistoire israélite du Luxembourg“ schreibt. Neben dem damaligen Erbgroßherzog Jean nahmen Innenminister Pierre Frieden und Bürgermeister Émile Hamilius sowie der französische Großrabbiner Jacob Kaplan und zahlreiche Diplomaten teil. Artuso schreibt: „Acht Jahre nach dem Sieg über die Nazis symbolisierte diese Zeremonie aus der Sicht des Landes und der Welt die Wiedergeburt der jüdischen Gemeinschaft von Luxemburg.“
Das jüdische Leben im Großherzogtum war durch die Verfolgung, Deportation und Ermordung der Juden während der Nazi-Besatzungszeit fast gänzlich erloschen. Mil Lorang, Autor des Buches „Luxemburg im Schatten der Shoah“, beschreibt in einem Tageblatt-Artikel vom 9. November 2018, wie es dazu gekommen war, dass die alte Synagoge, die sich einst an der Ecke rue Notre-Dame und rue Aldringen befand, dem Erdboden gleichgemacht wurde. Eine Zerstörung mit großer Symbolik, denn eine Synagoge ist nicht nur für Gottesdienste, sondern ebenso ein Haus des Lernens und des gemeinsamen Schriftstudiums, eine „Schul“. Lorang erklärt: „Für die Juden ist die Synagoge nicht nur ein Gotteshaus, das dem gemeinsamen Gebet dient, sondern auch ein Lehr- und Kulturhaus. Die Synagoge ist das Gemeinschaftshaus der Juden, die höchste Institution im Judentum. Zerstört man das Gemeinschaftshaus, so zerstört man die Gemeinschaft! Und das haben die Nazis beabsichtigt.“

Wie aus Lorangs Artikel zu entnehmen ist, war es zum letzten Gottesdienst in der alten Synagoge am 9. Mai 1941 gekommen. Er zitiert Hugo Heumann, einen aus Mönchengladbach stammenden ehemaligen Textilfabrikbesitzer, der Opfer der Reichspogromnacht am 9. November 1938 geworden und danach mit seiner Ehefrau nach Luxemburg übergesiedelt war. Heumann berichtete, wie Nazi-Kollaborateure in die Synagoge eindrangen. Ein Mann in schwarzen Stiefeln und weißem Hemd „schlug mit der Hand auf das Vorbeterpult und untersagte die Weiterführung des Gottesdienstes (…) er drohte, seine Leute, die Türen besetzt hatten, schießen zu lassen, wenn die ‚Judenkirche‘ nicht sofort geräumt würde“. Die Synagoge wurde schließlich zwischen Ende August und Ende Oktober 1941 völlig abgerissen. Lorang zitiert, wie der damalige Oberbürgermeister dem Chef der Zivilverwaltung mitteilte, dass die Arbeiten „bis auf die Abfuhr des anfallenden Schuttes und der beim Abbruch gewonnenen Steine zum größten Teil vollendet“ seien.
„Emanzipation und Antisemitismus“
„Nach der Befreiung gab es nur noch etwa 60 Juden im Land“, schreibt Vincent Artuso. „Ihre Heirat mit einem Arier bzw. einer Arierin hatten sie vor der Deportation bewahrt. Nach und nach schlossen sich ihnen die ersten Familien an, die aus dem Exil zurückkehrten. Hundert von ihnen, überwiegend aus Luxemburg, waren es am 14. Mai 1945, dem Tag der ersten Sitzung eines provisorischen Komitees der jüdischen Gemeinde Luxemburgs. Bei den meisten Teilnehmern handelte es sich um Honoratioren, die bereits in der Zwischenkriegszeit das Rückgrat der Gemeinschaft gebildet hatten.“ 1947 lebten hierzulande 870 Juden, nach 3.907 Anfang 1940, wie dem Buch „Emanzipation und Antisemitismus“ der Historikerin Renée Wagener zu entnehmen ist, einem im vergangenen Jahr erschienenen Standardwerk über „die jüdische Minderheit in Luxemburg vom 19. bis zum beginnenden 21. Jahrhundert“.
Viele Holocaust-Überlebende entschieden sich, nicht mehr aus dem Exil in ein Land zurückzukehren, in dem die Wiederansiedlung sich aller Voraussicht nach als schwierig gestalten würde, konstatiert Artuso. „Während das Großherzogtum keine Bedingungen für die Rückkehr jüdischer Staatsangehöriger stellte“, erklärt der Historiker, „konnten die ausländischen Juden, die vor dem Krieg in Luxemburg gelebt hatten, nur dann eine Aufenthaltserlaubnis beantragen, wenn sie Eigentum im Land besaßen oder von Organisationen unterstützt wurden – wozu diese jedoch nicht in der Lage waren“. „Dass es keine besondere Sensibilität für jüdische Deportierte gab“, stellt Renée Wagener fest. „Insgesamt waren Rückkehrer-innen nicht-Luxemburger Nationalität von den Luxemburger Behörden nicht gern gesehen, unabhängig davon, ob sie in Luxemburg geboren waren oder nicht.“ Äußerungen etwa von Joseph Bech, damals Außenminister, und Victor Bodson, zu jener Zeit Justiz- und Verkehrsminister, ist zu entnehmen, „dass eine restriktive Rückführungspolitik gegenüber Ausländer-innen betrieben werden müsse“. Und spezifische Gesetze, die jüdischen Geflüchteten eine Rückkehr nach Luxemburg erleichtert hätten, gab es nicht. Zwar sagte Premierminister Pierre Dupong: „Die ausländischen Juden, die ihren Wohnsitz in Luxemburg zum Zeitpunkt ihrer Flucht vor der Nazibedrohung hatten, können, wenn der Krieg vorüber ist, nach Luxemburg zurückkehren und sich hier erneut niederlassen.“
Vom Versprechen abgekommen
Renée Wagener weist darauf hin, „dass die Regierung insgesamt recht schnell von ihrem Versprechen abkam“. Auch der Staatenlosenstatus habe die jüdischen Rückkehrer nicht davor bewahrt, abgelehnt zu werden. Gegenüber den „Ausflüchten“ der Betreffenden sei die Prozedur unbedingt einzuhalten, so Außenminister Bech im März 1947 in einem Briefwechsel. Justizminister Bodson legte im Oktober desselben Jahres nach, als er vor den Staatenlosen warnte, die sich in Luxemburg „einzunisten“ versuchten, und meinte, dass es schwierig sei, „sich ihrer zu entledigen“. Ganz nebenbei war der Sozialist Bodson 1971 als erster Luxemburger von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ geehrt worden.
Bis die jüdische Gemeinde wieder eine Synagoge bekam, sollte es noch Jahre dauern. Nach dem Ende des Krieges trafen sich die gläubigen Juden in einem provisorischen Gebetsraum an der Börse. Das Provisorium zog sich in die Länge. Großrabbiner Robert Serebrenik, der in New York Zuflucht gefunden hatte, zögerte übrigens lange bei der Entscheidung zur Rückkehr – bis das Konsistorium beschloss, einen anderen Rabbiner einzustellen. Von 1949 bis 1958 hatte Charles Lehrmann das Amt inne. Unter ihm habe die Gemeinde wieder an Bedeutung gewonnen, ist Renée Wageners Buch zu entnehmen. Die Autorin erklärt zudem, wie es zum Bau der neuen Synagoge in der Hauptstadt kam: Das entsprechende Gesetzesprojekt war 1950 eingereicht worden. Übrigens wurde das private Grundstück, auf dem sich die Synagoge vorher befunden hatte, mit dem Staat getauscht. Zuvor hatte Premierminister Dupong dem Konsistorium mit Enteignung gedroht, falls es dem Tausch nicht zustimmen würde, schreibt Artuso. Eingeweiht wurde die Synagoge schließlich am 28. Juni 1953, acht Jahre nach Ende des Krieges. Kurz zuvor war der Grundstein für jene in Esch gelegt worden, deren Inauguration im Jahr danach stattfand.
De Maart








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