Samstag15. November 2025

Demaart De Maart

KonferenzWie Gemeinden ihre Bürger in die Entscheidungsprozesse integrieren wollen

Konferenz / Wie Gemeinden ihre Bürger in die Entscheidungsprozesse integrieren wollen
Kim Nommesch vom „Zentrum fir politesch Bildung“ leitete die Gesprächsrunde mit Bob Steichen, Jeff Gangler, Lou Linster, Tom Jungen und Bruno Cavaleiro Foto: Jessica Oé

Wie kann Bürgerbeteiligung in Gemeinden funktionieren – und wo liegen ihre Grenzen? Auf einer Konferenz in Düdelingen diskutierten Bürgermeister, Schöffen und Fachleute über neue Beteiligungsinstrumente, Erfahrungen aus der Praxis und die Frage, wie man jene Bürger erreicht, die sich bisher kaum einbringen.

Wie kann man Bürger wirksam an den Entscheidungen in der Gemeinde teilhaben lassen? Um diese zentrale Frage drehte sich die von der Gemeinde Düdelingen organisierte Konferenz „Lokale Demokratie & kollektive Intelligenz: experimentieren, bewerten, transformieren“, die am Freitag im Kulturzentrum Opderschmelz stattfand. Eingeladen waren Bürger, Vertreter von Interessenorganisationen, die Presse und vor allem Vertreter der Gemeinden selbst. Während einige Gemeinden – insbesondere aus dem Süden – gut vertreten waren, hielt sich das Interesse anderer Kommunen am Austausch eher in Grenzen. Obwohl Verantwortliche aller 100 Gemeinden angeschrieben worden waren, saßen im Publikum nur knapp 80 Personen.

Dabei gebe es durchaus einen Mentalitätswandel bei den politischen Verantwortlichen, meint Düdelingens Bürgermeister Dan Biancalana im Gespräch mit dem Tageblatt. Man habe erkannt, dass „wir unsere Bürger so gut wie möglich mit ins Boot holen müssen“. Das sei eine „Herausforderung für uns alle“. Denn, so formulierte es Biancalana in seiner Rede: „Die Gemeinden sind die Keimzellen der Demokratie“. Düdelingen sei in diesem Bereich Vorreiter – das betonen sowohl der Bürgermeister als auch Dr. Raphael Kies von der Universität Luxemburg. Seit 2020 arbeitet die Südstadt mit dem Forschungsinstitut zusammen, um neue, wissenschaftlich fundierte Bürgerbeteiligungsprojekte zu entwickeln.

Im Zentrum stehen drei Säulen: ein Bürgerrat, ein Bürgerforum und das „Budget participatif“, erläutert Schöffe Loris Spina. Das Bürgerforum übernimmt eine beratende Funktion und dient als Stimmungsbarometer der Bevölkerung. Es kann kurzfristig einberufen werden und liefert über Umfragen ein präzises Bild der aktuellen Sorgen und Bedürfnisse. Der Bürgerrat ist kleiner gefasst – zwischen 12 und 20 per Los bestimmte Personen verfassen Stellungnahmen zu Gemeindeprojekten und fungieren als Sprachrohr der Bürger. Als dritte Säule ermöglicht das Budget participatif der Bevölkerung, konkrete Projekte einzureichen und über einen kleinen Teil des Gemeindebudgets selbst zu entscheiden.

Die Gemeinden sind die Keimzellen der Demokratie

Dan Biancalana, Bürgermeister

Darüber hinaus setzt die Gemeinde auf einen Kinder- und Jugendrat, der jungen Menschen demokratische Prozesse näherbringen soll. Ettelbrück verfolgt einen ähnlichen Ansatz und hat einen Kinderrat erfolgreich etabliert. Daraus sei sogar ein eigener Dienst „Enfant“ entstanden, der die Perspektiven der jüngsten Einwohner in kommunale Entscheidungen einfließen lässt.

Dan Biancalana, Vania Ferreira und Loris Spina beim Durchblättern der Broschüre des Budget participatif. Es ist ein Projekt, das auch in anderen Gemeinde mittlerweile Schule macht. 
Dan Biancalana, Vania Ferreira und Loris Spina beim Durchblättern der Broschüre des Budget participatif. Es ist ein Projekt, das auch in anderen Gemeinde mittlerweile Schule macht.  Foto: Editpress/Alain Rischard

Auch Esch möchte den Weg Düdelingens einschlagen. Das Budget participatif sei bereits beschlossen und werde bald umgesetzt. Zudem bereite man die Einberufung eines Bürgerrats vor – ebenfalls per Losverfahren. Man hoffe auf rege Beteiligung, „aber wir können auch niemanden dazu zwingen, mitzuwirken“, sagt der Escher Schöffe Bruno Cavaleiro. Gleichzeitig betont er die Grenzen solcher Instrumente: „Große Investitionsprojekte wie ein neues Altersheim sind damit nicht unbedingt machbar.“ Biancalana wiederum unterstreicht, wie wichtig den Bürgern selbst kleinere Projekte seien. „Es geht nicht darum, ob im Budget participatif nun 100.000 oder 200.000 Euro sind – das Wichtige ist, dass die Bürger ihre Projekte einreichen und mitbestimmen können.“ Insgesamt sei man mit den bisherigen Beteiligungsformaten sehr zufrieden.

Auch die Gemeinde Roeser setzt auf das Budget participatif. 15 Projekte seien eingereicht worden, berichtet Bürgermeister Tom Jungen. Man habe entschieden, dass bereits Bürger ab 14 Jahren sowie Vereine Vorschläge machen können. „Das hat dieses Mal noch nicht so gut funktioniert“, räumt Jungen ein. Dennoch habe man damit „Türen geöffnet, um in Austausch mit den Bürgern zu treten“.

Keine Patentlösung – aber viele Ansätze

Damit war man bei der zweiten großen Frage des Tages: „Wie erreicht man jene Bürger, die man sonst nicht erreicht?“ Jeff Gangler, Bürgermeister der Gemeinde Boulaide, berichtete von „Ideenboxen“, die an zentralen Orten aufgestellt wurden – unter anderem in einer lokalen Épicerie. Konkret ging es um die Gestaltung des neuen Gemeindeplatzes. „Auch wenn wir nicht viele Ideen erhalten haben, bestätigte uns die Geschäftsinhaberin, dass das Gespräch angestoßen wurde.“

Für Gesprächsstoff sorgte zudem das Referendum in Leudelingen. Bürgermeister Lou Linster schilderte seine Erfahrungen: „Eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h in der ganzen Gemeinde ist ein Projekt von so großem Umfang, dass wir dafür einen eindeutigen Auftrag der Bürger brauchen.“ Das Referendum habe nun Klarheit gebracht, „auch wenn es ein Nein ist“. Man werde weiterhin Verkehrsberuhigungsmaßnahmen einführen, „aber nicht so weit gehen, wie wir das ursprünglich vorgesehen hatten“.

Besonders schwer zu erreichen seien drei Gruppen: ausländische Mitbürger, Menschen, die nur in der Gemeinde arbeiten, aber nicht dort wohnen, sowie die Jugend. Mehrsprachige Kommunikation und speziell zugeschnittene Formate wurden als mögliche Lösungswege diskutiert – eine Patentlösung hatte jedoch niemand parat. Einig war man sich darüber, dass Beteiligungsinstrumente immer an das jeweilige Projekt angepasst werden müssen. „Gleichzeitig dürfen wir die Bürger auch nicht überfordern“, betonte Schöffe Cavaleiro.

Tempo 30 in ganz Leudelingen? Die Gemeinde setzte auf das Referendum als direkte Bürgerbeteiligung.
Tempo 30 in ganz Leudelingen? Die Gemeinde setzte auf das Referendum als direkte Bürgerbeteiligung. Foto: Editpress/Alain Rischard

„Solche Veranstaltungen sind sehr wertvoll, um sich über Erfahrungen auszutauschen“, sagte der Petinger Schöffe Romain Mertzig, der mit mehreren Gemeinderatskollegen im Publikum saß. Viele Ideen nehme man mit nach Hause – „auch wenn nicht alles eins zu eins kopiert werden kann“. Ein Budget participatif sei in seiner Gemeinde derzeit nicht geplant, man sei entsprechenden Diskussionen gegenüber jedoch offen. Einrichtungen wie Bürgerrat oder Bürgerforum seien interessant, aber: „Wir müssen sicherstellen, dass sie nicht als zusätzliche Beratungsstelle parallel zu den Kommissionen arbeiten. Dort sind die Bürger ja bereits vertreten.“