Da waren’s nur noch zweiWie der Kulturbetrieb das erste Wochenende unter 2G-Bedingungen erlebt hat

Da waren’s nur noch zwei / Wie der Kulturbetrieb das erste Wochenende unter 2G-Bedingungen erlebt hat
Kulturelle Einrichtungen empfangen bis zum 28. Februar 2022 nur noch Besucher, die entweder geimpft oder genesen sind Foto: Vincent Lescaut

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Auf das Inkrafttreten des neuen Covid-Gesetzes am vergangenen Freitag haben Luxemburger Kultureinrichtungen und Konzerthallen schnell reagieren müssen. Für die meisten verlief die Einführung des 2G-Covid-Checks gut – über die genaue Bedeutung und die konkrete Umsetzung aller Maßnahmen mussten sich die Institutionsleiter aber mitunter erst verständigen. 

Update: Dieser Text wurde vor der Ankündigung weiterer Corona-Maßnahmen am Mittwochmorgen geschrieben.

Das neue Covid-Gesetz gilt seit vergangenem Freitag. Für den Kultursektor bedeutet das einen allgemeinen Umstieg von der 3G- auf die 2G-Regel: An kulturellen Veranstaltungen teilnehmen dürfen nun nur noch Geimpfte und Genesene – ein negatives Testresultat wird nicht mehr akzeptiert. Wie haben die Leiter von Kultureinrichtungen und Aufführungsstätten das erste Wochenende mit der neuen Regelung erlebt?

„Der Wechsel von 3G auf 2G scheint minim zu sein“, sagt Rollier Lawrence, Pressesprecher des Escher Theaters. Von Hunderten Personen, die das Haus am Wochenende besuchten, sei laut seinen Informationen nur eine einzige wegen des neuen Gesetzes nicht erschienen. Wie groß der Impakt in den kommenden Monaten sein werde, müsse sich aber noch zeigen.

Extra-Regeln für Kinder und Jugendliche

Die beiden Vorstellungen von „De Kapitän Mullebutz“ am Sonntag seien gut besucht gewesen, erzählt Carole Lorang, Intendantin des Theaterhauses. Das Stück, von dem sie spricht, visiert ein jüngeres Publikum an – und für dieses gelten ohnehin noch andere Regeln. Kinder unter 12 Jahren sind von jeglicher Nachweispflicht befreit und für Jugendliche zwischen 12 und 19 Jahren gilt weiterhin die Dreierformel „geimpft, genesen oder getestet“, wenn sie Kulturveranstaltungen besuchen möchten. „Darauf wurde aufgepasst“, sagt Lorang.

Das 2G-Konzept befürwortet sie grundsätzlich: „Wenn wir durch 2G die Möglichkeit besitzen, Menschen zu empfangen, ist das gut.“ Man dürfe nicht vergessen, dass sich die Situation verschärft habe und dies auch strengere Maßnahmen fordere. „Wir gehören zur Gesellschaft und da finde ich es nur normal, dass wir wie jeder andere Sektor behandelt werden“, unterstreicht die Theaterdirektorin. „Es ist auch nicht selbstverständlich, dass wir die ganze letzte Zeit haben offen bleiben und weiterarbeiten dürfen.“ Im Ausland sähe die Situation nämlich anders aus.

Wir gehören zur Gesellschaft und da finde ich es nur normal, dass wir wie jeder andere Sektor behandelt werden

Carole Lorang, Direktorin des Escher Theaters

Auch Atelier-Chef Laurent Loschetter bewertet die Neuerung als positiv. Bisher habe es „null Probleme mit 2G“ gegeben, erzählt er. „Wir hatten am Samstag und am Sonntag zwei größere Veranstaltungen, bei denen insgesamt 1.600 Menschen zusammengekommen sind.“ Die Polizei sei vorbeigekommen, um zu kontrollieren, ob alles 2G-konform sei. Das Ergebnis: ein grünes Häkchen für die Konzerthalle im Bahnhofsviertel.

Ein etwas holpriger Start

Für Steph Meyers, Leiter des Kulturzentrums Rotondes, verlief der Übergang vom 3G- zum 2G-Regime nicht ganz so reibungslos. Die Umsetzung der neuen Maßnahmen – auf deren grundsätzliche Bewertung er im Gespräch verzichtet – bezeichnet er als „nicht einfach“, da es eine ganze Reihe von Spezialklauseln gebe, die zum Beispiel Schüler oder Ungeimpfte mit spezifischen ärztlichen Bescheinigungen betreffen würden. Das Sicherheits- und Empfangspersonal müsse entsprechend „gebrieft“ werden. „Wenn wir Schulklassen mit Jugendlichen zwischen 12 und 19 Jahren empfangen – gilt das als kulturelle Aktivität oder ist das dann in einem professionellen (also schulischen, Anm. d. Red.) Rahmen zu betrachten?“ Denn für den ersten und den zweiten Fall würden jeweils andere Regeln gelten. „Das ist eine Frage, die noch immer nicht zu hundert Prozent geklärt ist“, sagt Meyers.

Am Freitag hätte sich die Einrichtung mit dem Kulturministerium und anderen Häusern lange besprochen, um die dringlichsten Punkte abzuklären und größere Klarheit zu schaffen. „Das Schlimmste für uns ist, wenn der Rahmen nicht eindeutig ist und verschiedene Interpretationen möglich sind“, sagt der Direktor des Kulturzentrums. Allgemein sei es für ihn leichter, wenn die Regeln klar seien, selbst wenn die Maßnahmen umständlich seien. Dann könnte sein Team nämlich erst sehen, was durchführbar sei und was nicht, welche Veranstaltungen annulliert werden müssten und welche stattfinden könnten.

Die anfängliche Verwirrung hat das Kulturzentrum aber überwunden. Das Konzert am Samstag und der Weihnachtsmarkt am Sonntag konnten stattfinden. „Jetzt läuft das Ding bis zum 28. Februar“, sagt der Chef des Kulturzentrums. Denn bis zu dem Zeitpunkt sollen die aktuellen Maßnahmen gelten.

An vielen Fronten kämpfen

Welche Auswirkungen das neue Covid-Gesetz hat, kann Rockhal-Leiter Olivier Toth seinerseits noch nicht sagen. „Bislang haben wir keine Erfahrungswerte.“ Das Konzert von Vladimir Cauchemar, das am Wochenende hätte stattfinden sollen, sei nämlich abgesagt worden. „Mitte Januar können wir ein erstes Fazit ziehen.“ Dass die Einführung der 2G-Regel aber einen Impakt haben werde, glaube er schon. Von einem persönlichen Kommentar zur Verschärfung des Covid-Check-Systems sieht er im Gespräch ab.

„Was wir allgemein sehen, ist, dass es eine gewisse Zurückhaltung vom Publikum gibt, auf Veranstaltungen zu gehen.“ Das liege aber nicht an den aktuellen Coronamaßnahmen, sondern an der Ausbreitung der neuen Omikron-Variante. „Wir haben entsprechende Rückmeldungen von Menschen aus dem Publikum bekommen“, erzählt Toth. Viele Besucher seien verunsichert und wüssten nicht, ob sie es sich überhaupt zurzeit erlauben könnten, auf Konzerte zu gehen.

Aufführungsstätten sind laut Toth noch in anderer Hinsicht von der Pandemie betroffen. „Die Problematik in unserem Sektor ist etwas weitreichender – wir sind nämlich abhängig vom ‚international touring’.“ Damit gemeint sind die länderübergreifende Tourneen von Bands, besonders von jenen, die aus Großbritannien oder den USA stammen. Diese würden im Augenblick oft ausfallen, weil quer durch Europa unterschiedliche Regeln herrschten und die Künstler oft unsicher seien, wo sie unter welchen Bedingungen spielen könnten und ob die Konzerte nicht doch in letzter Minute abgesagt würden. „Das macht uns viel größere Sorgen im Moment“, sagt der Rockhal-Chef. Und doch: „Wir konnten – Stand heute – einen Großteil unseres Programms stemmen.“ Nicht zuletzt sei das ein Verdienst der Regierung. Sie habe bei aller Kritik großen Wert darauf gelegt, einen Rahmen zu schaffen, der es den Künstlern erlaube, auch in schwierigeren Zeiten auf die Bühne zu steigen.

2G und das Recht auf kulturelle Teilhabe

Hitzige Diskussionen rund um die Einführung der 2G-Regel im Kulturbereich hatte es im Vorfeld nicht gegeben. Der Luxemburger Musiker Serge Tonnar äußerte sich aber im Vorfeld skeptisch gegenüber der neuen Verordnung. In einem offenen Brief an den Staatsrat, der Regierung und der Abgeordnetenkammer warf er die Frage auf, ob die Einführung eines Regimes, das einen Teil der Bevölkerung ausschließe, wirklich „die einzige Lösung zu diesem Zeitpunkt“ sei – ob die involvierten Organe nicht weniger diskriminierende Maßnahmen hätte empfehlen und sich für mehr Dialog und Einbeziehung jedes Einzelnen hätten einsetzen können. Tonnar kritisierte, dass das neue Covid-Gesetz den Zugang zu kulturellen Aktivitäten für einen Teil der Bevölkerung einschränke oder gar verbiete. Dabei sei das Recht auf kulturelle Teilhabe unter anderem in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert und würde zukünftig wohl auch Teil der luxemburgischen Verfassung sein.

Der Musiker erinnerte an die Wichtigkeit von Kultur, „die übrigens nicht nur ein einfacher Sektor der Gesellschaft ist, sondern alles darstellt, was uns als Zivilisation definiert“. Produkte der Kultur seien schließlich auch die von ihm angeschriebenen Institutionen selbst.