Freitag24. Oktober 2025

Demaart De Maart

Drei Jahre nach der FluchtWie Daniel Porcedda sich nach 24 Jahren in der Ukraine wieder in Luxemburg einlebt

Drei Jahre nach der Flucht / Wie Daniel Porcedda sich nach 24 Jahren in der Ukraine wieder in Luxemburg einlebt
Daniel Porcedda: Drei Jahre nach der Flucht aus der Ukraine lebt er heute in Belval. Die Sehnsucht nach Kiew ist geblieben. Mit dem Viertel hat er sich „arrangiert“, dank auch seines Sohnes Thierry. Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Ein Luxemburger kehrt als Flüchtling aus Kiew zurück. Zwischen Sehnsucht und Neuanfang reflektiert er über den Krieg, seine Folgen und die fragile Zukunft Europas.

„Gerade angekommen!“, lautet die SMS, die um 6.25 Uhr eintrifft. Absender: Daniel Porcedda. Er gehört zu jenen, die fliehen, als Putin am 24. Februar die Ukraine angreift. Drei Jahre ist das her. Nach einer insgesamt 4.000 Kilometer langen Flucht erreichen Daniel, seine Frau Veronika und zwei Bekannte am 7. März 2022 Luxemburg.

Das Tageblatt berichtete damals über ihre letzten Tage in Kiew und die beschwerliche Reise – aus der Ukraine über Moldau bis nach Luxemburg, Belval. Daniel Porcedda teilte das Schicksal vieler Flüchtlinge, mit einer Ausnahme: Er ist Luxemburger. Geboren in Esch, lebte er 24 Jahre in Kiew. Er wäre geblieben, hätte der Krieg ihn nicht aus seiner Wahlheimat vertrieben.

Der Großteil meiner Freizeit geht dafür drauf, mich über die Ukraine und die USA sowie über europäische Politik auf dem Laufenden zu halten

Daniel Porcedda

Nun hat die alte Heimat ihn wieder. Veronika und er wohnen, nach einigen provisorischen Zwischenstopps, in einem gemieteten Appartement in Belval. „Wer würde nicht fremdeln nach so langer Abwesenheit?“, sagt er. Mittlerweile fühle er sich „daheim“, doch es dauerte. „Mein Sohnemann wohnt nur sieben Minuten zu Fuß entfernt, das hat das Wiedereinleben kolossal erleichtert.“

Thierry, sein Sohn, ist es auch, der vor drei Jahren mit dem Auto nach Chișinău in Moldau aufbricht, um die Familie und Freunde nach Luxemburg zu bringen. Die Nähe zu ihm hilft Daniel, sich heute mit Belval zu „arrangieren“ – trotz seiner Vorbehalte gegenüber dem Viertel: „konzeptlos und kahl“. Die gute Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr schätzt er, solange die Zugverbindung nach Luxemburg-Stadt nicht ausfällt.

Ein Luxemburger Flüchtling

Mit den Behörden gibt es anfangs Schwierigkeiten. „Ein Flüchtling, der in sein eigenes Land zurückkehrt – darauf waren manche nicht vorbereitet.“ Heute sei das geklärt, sagt Daniel. „Vieles löste sich von selbst, weil es irgendwann nicht mehr aktuell war. Und glücklicherweise gab es in den Verwaltungen auch gewissenhafte, hilfsbereite Mitarbeiter.“

Daniel bezieht eine Pension, arbeitet aber weiterhin als Unternehmensberater, wie schon in Kiew. Veronika hat eine Stelle im Finanzsektor gefunden. Jüngst haben beide sich einen Gebrauchtwagen zugelegt. „Ich bin Rentner“, sagt er, aber nicht untätig. Der jährliche Urlaub auf Sardinien, „da kommen die Porceddas nämlich her“, oder Kreta sei eine Wohltat. „Der Großteil meiner Freizeit geht jedoch dafür drauf, mich über die Ukraine und die USA sowie über europäische Politik auf dem Laufenden zu halten. Da greift das eine ins andere.“

Abseits der Politik interessieren ihn Umwelt, Energie, Kunst und Kultur. „Es gibt zu viele Themen, aber zu wenig Zeit. Und dann will ich ja endlich mal ernsthaft Italienisch lernen. Und ein Musikinstrument spielen auch.“

Sehnsucht nach Kiew

Ein Herzensthema für ihn ist der Wiederaufbau der Ukraine. „Architektur, Energie, Umwelt, das gehört zusammen.“ Er ärgert sich, dass seine Ideen bei offiziellen Stellen bisher auf taube Ohren zu stoßen scheinen.

Was vermisst er am meisten? „Das gewohnte Umfeld, Freunde aus dem Künstlermilieu, Jazzabende, Kiew, die Lebensweise, das Stadtzentrum, die Metro, das Chaos – und vor allem den deutschen Stammtisch, den ich jahrelang organisierte.“ Viele Bekannte sind geflohen, Wehrpflichtige blieben. „Glücklicherweise habe ich noch mit vielen Kontakt, wenn auch meist sporadisch.“

An eine Rückkehr denkt Daniel durchaus. „Regelmäßige Aufenthalte oder ab und zu.“ Doch ganz in die Ukraine zurückzukehren, scheint für ihn in weiter Ferne. Vielleicht auch, weil Veronika schon vor dem Krieg ins Auge gefasst hatte, das Land zu verlassen: „Aus Mangel an beruflichen Perspektiven.“ Sie habe sich bereits in jungen Jahren vorbereitet, indem sie an der Universität Sprachen lernte: „Um auch in anderen Ländern ihr Leben machen zu können.“ Und was schätzt er an Luxemburg? „Sicherheit, in mehrfacher Hinsicht. Kein Krieg und eine Krankenversicherung, das ist viel wert.“

Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Setzen sich Trump und Putin durch, ist die Friedensarchitektur Europas Geschichte.

Daniel Porcedda

Mit anderen Geflüchteten aus der Ukraine hat er kaum Kontakt, abgesehen von seiner Ziehtochter. „Ich konnte sie auf der Flucht mitnehmen. Jetzt ist sie 18, macht ihr Abitur und hofft, hier studieren zu können. Zurzeit unterrichte ich sie in Französisch.“

An proukrainischen Demonstrationen nimmt er nicht teil. „Große Menschenmengen behagen mir nicht.“ Stattdessen arbeitet er lieber im Hintergrund, ohne viel Aufhebens um seine Person.

Seit drei Jahren verfolgt er den russischen Angriffskrieg. „Hochgradig frustrierend“, sagt er. „Zu viele Bekannte in der Ukraine sind betroffen, zu viele Gedanken kreisen um ihr Schicksal.“

„Viel Desinformation“

„Die Folgen dieses Krieges für die Ukraine, Europa und die Welt scheinen vielen nicht bewusst. Unzählige Kinder werden traumatisiert. Ein normales Verhältnis zwischen Ukrainern und Russen? Auf Generationen unmöglich, unabhängig vom ‚Sieger‘ dieses Wahnsinns. Über die wirtschaftlichen Folgen, global wie individuell, denke ich lieber nicht zu lange nach – es kostet mich ohnehin schon genug Schlaf.“

Angesichts der jüngsten Annäherung zwischen Trump und Putin hat er ein ungutes Gefühl. „Die Büchse der Pandora ist geöffnet. Setzen sich Trump und Putin durch, ist die Friedensarchitektur Europas Geschichte.“

Noch immer sprechen viele vom ‚Ukrainekrieg‘. Das ist fatal. Korrekt wäre: Russlandkrieg in der Ukraine. Denn damit wird der Aggressor klar benannt.

Daniel Porcedda

Seit Kriegsbeginn seien viele politische Fehlentscheidungen getroffen worden, sagt Daniel: „Von Zögerlichkeit ganz zu schweigen. Ein Beispiel: Noch immer sprechen viele vom ‚Ukrainekrieg‘. Das ist fatal. Korrekt wäre: Russlandkrieg in der Ukraine. Denn damit wird der Aggressor klar benannt. Die EU versagte schon vor Kriegsbeginn, spätestens aber, als ein 60 Kilometer langer russischer Militärkonvoi auf Kiew zusteuerte.“

Auch die Berichterstattung sieht er kritisch: „Unsere Medien sollten mehr über die Ukraine berichten, über die Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen. Gleichzeitig müsste in der Ukraine sichtbarer werden, wie es in der EU wirklich läuft. Dort gibt es viel Desinformation und das ist gefährlich.“

Eigentlich wäre es gut, Daniel Porcedda zu Konferenzen, Interviews oder in Schulen einzuladen. Sein Wissen sowie seine menschliche und unkomplizierte Art würden bestimmt dabei helfen, Dinge besser einzuschätzen und zu verstehen.

Nomi
7. März 2025 - 12.50

Invitei'ert deen Mann mol an d'Chamber fir eisen Deputei'erten Info'en aus eischter Hand ze ginn.

Dono an den Lycé'en !