Neue Covid-Nervosität in GroßbritannienWenn der Tourismuschef rät: Kommen Sie bloß nicht zu uns!

Neue Covid-Nervosität in Großbritannien / Wenn der Tourismuschef rät: Kommen Sie bloß nicht zu uns!
Impfung vor dem Musikfestival: Vor allem junge Briten zögern mit der Immunisierung Foto: AFP/Kirsty O’Connor

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Hausärzte sollen wegen Materialmangel keine Blutproben nehmen und der Tourismuschef aus Cornwall rät: Kommen Sie bloß nicht zu uns! Seit die Briten keine Einschränkungen mehr kennen, steigen die Zahlen rasant an.

Angesichts stetig steigender Covid-Infektions- und Todeszahlen nimmt in Großbritannien die Nervosität zu. Alarmierende Daten aus Schottland lassen für den mehr als zehnmal so bevölkerungsreichen Landesteil England Schlimmes befürchten, wenn kommende Woche das Schuljahr beginnt. In der Londoner Regierung unter Premier Boris Johnson herrscht Medienberichten zufolge zudem Frustration über ihre wissenschaftlichen Experten. Deren zögerliche Haltung hat dazu geführt, dass die Impfrate auf der Insel hinter einer Reihe anderer europäischer Länder zurückbleibt.

Seit vergangenen Monat in England, im August auch in Schottland sowie Wales und Nordirland, sämtliche Corona-Einschränkungen abgeschafft wurden, leben die Briten mit hohen und zuletzt scheinbar unaufhaltsam ansteigenden Covid-Zahlen. In England verzeichnete das Gesundheitsministerium täglich durchschnittlich 34.000 Neuinfektionen und 108 Tote. Die landesweite Inzidenz lag am Freitag bei 350, wobei die Bezirke stark differieren. Einsame Spitzenreiter sind die Urlaubsregionen Fermanagh in Nordirland (1.043) und das liebliche Cornwall im Westen Englands (828). Der Leiter der örtlichen Tourismusbehörde „Visit Cornwall“ flehte deshalb seine Landsleute an, um Himmels willen nicht in die Grafschaft zu reisen.

Dabei verheißt die Vorhersage für dieses verlängerte und letzte Ferienwochenende nach einem kühlen und verregneten August endlich einigermaßen stabiles, warmes Wetter. Zehntausende junger Leute haben Tickets für Musikfestivals gekauft, Millionen dürften für Kurztrips im Land unterwegs sein. Ein Anschwellen der Infektionen mit Sars-CoV-2 ist beinahe unausweichlich.

Und nun Schulanfang

Wird der Schulanfang in England nächste Woche die Lage nochmals dramatisch zuspitzen? Die Befürchtung liegt nahe für all jene, die einen Blick nach Schottland werfen. Dort sind Kinder und Jugendliche bereits vor knapp zwei Wochen in die Klassenzimmer zurückgekehrt, hat der Alltag im Arbeitsleben begonnen. Prompt schossen die Covid-Kennziffern in die Höhe. In dieser Woche lag die Zahl der Neuinfektionen an drei Tagen höher als zur schlimmsten Pandemiezeit im April 2020 oder Januar dieses Jahres.

Auf mehr Flexibilität ihrer wissenschaftlichen Beratergremien hoffen unterdessen die für England zuständigen konservativen Politiker in London. Anders als die entsprechenden Gremien in den EU-Mitgliedsländern hat das zuständige Komitee JCVI bisher der systematischen Immunisierung Minderjähriger zwischen 12 und 15 Jahren eine Absage erteilt, soweit nicht individuelle Gefährdungen vorliegen. Auch die 16- und 17-jährigen Teenager werden erst seit wenigen Wochen mit Pfizer/Biontech oder Moderna geimpft.

Weil zusätzlich unter jungen Erwachsenen bis 35 Jahre die Skepsis groß ist, weshalb nicht einmal zwei Drittel bisher ihre längst fällige erste Dosis erhalten haben, ist die brillant gestartete Impfkampagne im Königreich ins Stocken geraten: In der Gesamtbevölkerung von 66 Millionen Menschen sind 70,4 Prozent komplett immunisiert. Im Europavergleich liegen mittlerweile nicht mehr nur Portugal (81), Spanien (76) und Irland (73) vor den Briten, sondern seit dieser Woche knapp auch der besonders misstrauisch beäugte Nachbar Frankreich (70,6).

Nach Studium der vorliegenden Daten plädieren nun auch als vorsichtig bekannte Wissenschaftler wie die Mathematikerin Christina Pagel für ein gezieltes Impfprogramm für die 2,5 Millionen Briten zwischen 12 und 15 Jahren. Seit 1. Mai hat es auf der Insel immerhin 1.200 Spitaleinweisungen von Covid-Kranken zwischen 6 und 17 Jahren gegeben.

Wie wenig das notorisch überlastete Nationale Gesundheitssystem NHS eine neue Welle schwer an Sars-CoV-2 Leidender brauchen kann, verdeutlichte am Freitag ein Brandbrief der in England Verantwortlichen: Weil die nötigen Röhrchen fehlen, müssen Krankenhäuser Blutproben um ein Viertel reduzieren. Hausärzte dürfen das erprobte diagnostische Mittel in den kommenden drei Wochen nur in den allernötigsten Fällen anwenden. Weil EU-Arbeitskräfte fehlen, leidet die Brexit-Insel seit Wochen an Versorgungsschwierigkeiten.

Christian
30. August 2021 - 17.06

@J.C. Kemp: Genau das sollte einem zu denken geben. Wenn die Briten selbst nicht wissen (wollen) mit welchem Dokument man in ihr Land einreisen darf, behalten sie sich indirekt das Recht vor jeden Einreisenden wieder abschieben zu können weil er nicht die 'erforderlichen' Papiere vorzeigen kann. Ich selbst reiste immer gerne nach UK, da es dort wunderschöne Gegenden gibt. Doch im Moment verzichte ich gerne darauf.

J.C. Kemp
28. August 2021 - 15.38

@norry: Wenn Sie's mit sturem Luxemburgisch versuchen, lässt man Sie womöglich nicht rein, wenn der Immigration-Officer denkt, Sie seien ein illegaler Immigrant. ;-) Übrigens ist hierzulande nirgends eine klare und eindeutige Antwort nach dem erforderten Reisedokument zu erhalten, übrigens auch nicht von den Briten selbst!

norry
28. August 2021 - 12.27

"Kommen Sie bloß nicht zu uns" Wir wären eh nicht gekommen, man muss jetzt einen Pass besitzen und wieder die Tortur eines Immigration-Officer-Interview erleiden, die man mit striktem Luxemburgischsprechen zwar verkürzen kann, aber wer will sich das antun, um das Armenhaus Europas zu besuchen. Schließlich bestellen wir auch online nichts mehr von da, da man sich einen Tag frei nehmen muss um zur Post zu latschen um Zoll, TVA und Gebühren zu bezahlen. Nein danke, UK ist gegessen.