Vom Cinderella-Fuß bis Läuferzeh Wenn der Schuh drückt

Vom Cinderella-Fuß bis Läuferzeh  / Wenn der Schuh drückt
Schön eng: Spitze Schuhe mit hohen Absätzen sehen zwar hübsch aus, bequem sind sie in den wenigsten Fällen. Zudem können sie, wenn sie ständig getragen werden, dem Fuß auf Dauer schmerzhaft zusetzen Foto: Unsplash

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Peeptoes, High Heels und Sling Backs sind beliebte Schuharten aus der Familie der Pumps und Sandaletten. Doch so hübsch sie auch aussehen, so heimtückisch können sie zu den Füßen ihrer Träger sein, berichtet Daisy Schengen. Wie dieser Kraftakt für die Füße ausgeht, erfuhr sie in einer Orthopädiepraxis.

Im Babyalter sind unsere Füße ein unbeschriebenes Blatt. Im Laufe des Lebens verändert sich der Ist-Zustand. Falsches Schuhwerk, unpassende Größe, ein schwächeres Bindegewebe bei Frauen und eine familiäre Vorbelastung bringen unsere Füße buchstäblich aus der Fassung. Die Folge: Fußfehlstellungen, die sich meist im Erwachsenenalter schmerzhaft bemerkbar machen.

„Viele Fußdeformitäten resultieren aus der Anpassung des Fußskeletts an die mechanische Beanspruchung“, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Menke. Der pensionierte Mediziner widmete sich als Orthopäde schwerpunktmäßig unter anderem auch den erkrankten Fußgelenken und Fehlstellungen von Kindern und Erwachsenen. Er konnte dabei feststellen, welche Auswirkungen falsches Schuhwerk auf den Fuß hat.

Wird das Fußskelett (alle Fußgelenke vom Sprunggelenk bis zu den Zehengelenken) nicht adäquat durch den Schuh in Form gehalten, passen sich Knochen und Gelenke dem Umfeld an. Sprich, sie nehmen eine falsche Stellung an. In diesem Beitrag gehen wir gemeinsam mit Dr. Wolfgang Menke auf die häufigsten Gruppen dieser Fehlstellungen ein, vom Ballerina-Fuß bis zum Läuferzeh.

Gestatten: Der „Cinderella-Fuß“

Am häufigsten, so der Orthopäde, entstehen Fehlstellungen im Bereich des Vorfußes. Der Hallux valgus (Ballenzeh), bei dem der große Zeh nach außen abweicht, ist die meistverbreitete Variante, auch in Luxemburg. Neben einer erblichen Vorbelastung („Hallux-valgus-Familie“) ist vor allem das Schuhwerk für die Entstehung dieser Fehlstellung verantwortlich. Dr. Wolfgang Menke: „So hat man den Eindruck, dass sich der Fuß dem Schnitt des Schuhs anpassen müsste. Vor allem eine schmale Schuhspitze führt zu einer Einengung des Vorfußes, die durch den Vorschub einer Absatzerhöhung noch verstärkt wird.“ Denn durch die hohen Absätze in Pumps und Peeptoes (Halbschuhe mit Öffnung für den großen Zeh) schiebt sich der Fuß in die enge Schuhspitze vor, die Zehen stoßen vorne an und werden geknickt. Gleichzeitig knickt die Großzehe dabei nach außen.

Aber auch die falsche Schuhgröße kann, je nach Belastung, für Fußschmerzen sorgen. Mehr noch, zu kleine Schuhe können einen Ballenzeh hervorrufen, der so ausgeprägt ist, dass er sogar die Kleinzehen als Hammerzehen verformt. Doch damit nicht genug: Die Fehlstellung zieht Knochenwülsten, Schleimbeutelentzündungen und Schwielen (Hühneraugen) nach sich, erklärt Dr. Menke. Je nach Grad der Ausprägung des Ballenzehs reichen die Therapiemethoden von speziellen Schienen und Fußgymnastik bis hin zur Operation.

Doch wie dauerhaft erfolgreich die Behandlung ist, hängt maßgeblich von dem Verhalten der Patienten ab. Fachärzte sprechen in diesem Zusammenhang vom sogenannten „Cinderella-Schuh-Syndrom“. Dabei wird der Leidensdruck der Betroffenen, meist Patientinnen, verstärkt, wenn sie nach der Behandlung der Fehlstellung kein angepasstes bequemes Schuhwerk tragen, sondern ihre Füße weiter in das favorisierte Schuhmodell zwängen.

Aber es gibt auch die andere Seite der Medaille, erklärt der Mediziner. Einige Schönheitschirurgen bewerben den „Cinderella-Fuß“ und versprechen mit einem ganzen Repertoire an plastischen Operationen („Cinderella-Operation“) eine Fußverschmälerung, mit der der Fuß wieder in die geliebten High Heels passen soll. Damit bezieht sich Menke auf einen Trend aus den USA, der 2015 seinen Höhepunkt erreichte. Damals ließen sich dort Frauen ihre Zehen verkürzen, um in die hochhackigen Schuhe angesagter Designer zu passen. Dass es sich dabei um ein seit Jahrzehnten erprobtes Operationsverfahren zur Korrektur von schmerzhaften und stark behindernden Vorfußfehlstellungen handele, werde der geneigten Klientel allerdings meist vorenthalten, kritisiert der Orthopäde. Und auch Dr. Robert Berend, pensionierter Orthopäde mit Praxis in Bereldingen, beschreibt, ein schmaler Vorderfuß sei ein angenehmer Nebeneffekt der „Hallux valgus“-Korrektur. Dadurch werde das Tragen von Schuhen ermöglicht, die vor dem Eingriff nicht gepasst haben.

Der „Chuck-Taylor-Fuß“

Ein besonderer Sportschuh mit hohem Baumwollschaft machte den US-Basketballer Chuck Taylor (1919-1969) unsterblich. Doch aus orthopädischer Sicht fördern „Chucks“ die Fußgesundheit überhaupt nicht. Beim sogenannten „Chuck-Taylor-Fuß“ verstärken die Schuhe bestehende Fehlstellungen, erklärt Dr. Menke. So beispielsweise, wenn ein Patient an einem „Knick-Senk-Fuß“ leidet. „Das Längsgewölbe des Fußes hat sich abgesenkt, er ist als Ganzes nach innen abgeknickt und der Sehnenansatz am Fußinnenrand ist deutlich hervorgetreten und hat sich an der entsprechenden Stelle des Schuhschaftes schon fast durchgedrückt.“

Wer an einer solchen Fehlstellung leidet, braucht Halt und Stütze. Die ersten Basketballschuhe, mit denen Chuck Taylor für seinen Sport warb, sollten mit ihrem hohen Schaft den Fuß vor dem Umknicken schützen. Doch sowohl dem Baumwollschaft als auch dem Fußbett fehlt die stützende Kraft, sodass sich „Chucks“ aus orthopädischer Sicht bei Vorerkrankungen des Fußes als weniger geeignet erweisen.

Der typische „Läuferzeh“ mit Einblutung in den Nagel
Der typische „Läuferzeh“ mit Einblutung in den Nagel Foto: Privatarchiv Prof. Dr. Wolfgang Menke

„Läuferzehen“ mit schwarzem Nagel

Ein typisches Anzeichen für sogenannte „Läuferzehen“ ist ein schwarzer Nagel. Die dunkle Verfärbung unter dem Nagel des großen Zehs ist „eine Einblutung, die durch ständige oder sich wiederholende Druck- oder Stoßbelastung beispielsweise beim Bergablaufen verursacht wird“, erklärt der Orthopäde. Die Einblutung macht sich durch meist heftige, pochende Schmerzen unter dem Zehennagel bemerkbar. In der Regel verheile die Verletzung von selbst ab, in vielen Fällen kann sich auch der Nagel ablösen.

Gleichzeitig zeichnen sich „Läuferzehen“ durch weitere Verletzungen wie Blasen, Scheuerstellen an der Haut, Hühneraugen und Schleimbeutelreizungen aus. Das Problem lässt sich meistens durch optimal angepasste Sportschuhe vermeiden. „Übermäßige Druckbelastung des Fußes durch zu große, zu kleine oder zu enge Schuhe führen zu vielfältigen meist harmlosen Hautverletzungen, die in der Regel folgenlos abheilen“, so der Arzt.

Auch das Tragen von Laufsocken sei sehr wichtig. Denn die spezielle Fußbekleidung regelt den Kraftfluss zwischen Fuß und Schuh und sorgt für das richtige Schuhklima. Läufer greifen am besten dabei zu synthetischen, feuchtigkeitsaufnehmenden Materialien, Baumwolle ist für Laufsocken weniger geeignet.

Der Athletenfuß

Genauso unangenehm wie langwierig für Läuferfüße ist Fußpilz. Fast jeder zweite Sportler hatte mit dem lästigen Leiden zu tun, das unter Medizinern als „Athletenfuß“ bekannt ist. „Die Erkrankung geht meist von den Zehenzwischenräumen aus, greift auf den übrigen Fuß über und erfasst dann die Zehennägel. Hautnässen, Juckreiz, schuppige Beläge sowie oberflächliche Gewebeverletzungen der Haut sind die Hauptsymptome, die sich mit Cremes, Gelen und Lösungen gut behandeln lassen.“ Wenn sich der Fußpilz auf die Zehennägel ausbreitet, verfärben und verformen sich diese. Die Behandlung des so entstandenen Nagelpilzes an den nur langsam wachsenden Fußnägeln ist langwierig, erklärt der Arzt.

„Hammerzehen“ im Schuh

Werden die Füße dauerhaft falsch belastet, können bleibende Fehlstellungen entstehen. Eine davon sind die sogenannten „Hammerzehen“. Dabei krümmen sich eine oder alle drei mittlere Zehen so weit nach oben, dass sie einen Höcker bilden. In dieser Position drücken sie schmerzhaft gegen die Schuhdecke, Hühneraugen sind die Folge. „Hier sind eine Schuhanpassung oder andere Hilfsmittel nicht immer erfolgreich. Bei hartnäckigen Schwielen, Schleimbeutelentzündungen, Knochenwülsten und Fehlstellungen, bei denen sich die Zehen nicht mehr in die normale Position bewegen lassen, kommen auch operative Eingriffe infrage“, schildert Orthopäde Menke.

Der „Ballerina-“ oder „Tänzer-Fuß“ zeugt von großer Belastung
Der „Ballerina-“ oder „Tänzer-Fuß“ zeugt von großer Belastung Foto: Privatarchiv Prof. Dr. Wolfgang Menke

Der „Ballerina-“ oder „Tänzer-Fuß“

Wer sich einmal Ballettschuhe aus der Nähe angesehen oder gar damit getanzt hat, weiß, welche Kräfte dabei auf den Fuß einwirken. „An der Großzehe kommt es durch ständige Druck- und Schubbelastung zu Einblutungen unter dem Zehennagel. Verbiegung und Überstreckung der Zehengelenke verursachen Zerrungen und Verstauchungen“, führt Orthopäde Menke aus.

In der „En pointe“-Position, wenn das Körpergewicht der Tänzer auf den abgeflachten Schuhspitzen lastet, wird vor allem der Mittelfuß stark in Mitleidenschaft gezogen. Übermüdungsbrüche in diesem Bereich werden als „Ballerina-“ oder „Tänzerfraktur“ bezeichnet. „Auch eine ,Tänzerferse‘ kann Probleme bereiten, wenn bei maximaler Streckung des Fußes die Ferse am Hinterrand des Schienbeins anstößt“, schildert der Arzt. Tänzerinnen seien außerdem öfter von bleibenden Fehlstellungen der Zehen und vorzeitigem Gelenkverschleiß der hochbelasteten Großzehe betroffen.

Professor Dr. Wolfgang Menke ist Facharzt für Orthopädie
Professor Dr. Wolfgang Menke ist Facharzt für Orthopädie Foto: privat

Unser Experte: Prof. Dr. Wolfgang Menke

Der pensionierte Mediziner leitete die Rehaklinik Saarschleife in Orscholz, war daneben lange Zeit als Orthopäde auch in Luxemburg tätig und ist jetzt noch im ambulanten Rehazentrum ZAR in Trier beschäftigt.