ChamberHandschlag auf die „Voodo Economics“: Chamber spricht Regierung Vertrauen aus

Chamber / Handschlag auf die „Voodo Economics“: Chamber spricht Regierung Vertrauen aus
Sam Tanson und Luc Frieden im Pläuschchen vor der Chamberdebatte am Donnerstag Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Chamber-Parteien haben am Donnerstag über die Regierungserklärung von Luc Frieden debattiert. CSV und DP stärkten ihren Parteikollegen in der Regierung den Rücken, während die Opposition den Koalitionsvertrag inhaltlich sezierte.

Die 60 Abgeordneten haben am Donnerstag über das Koalitionsabkommen und die Regierungserklärung von Luc Frieden debattiert. Die Abgeordneten von CSV und DP stellten sich hinter die Regierung und sehen im Regierungsabkommen einen Schritt in die richtige Richtung. Die Oppositionsparteien bemängelten vor allem die marktliberale Haltung der Regierung und haben beim nötigen Vertrauensvotum dann auch geschlossen gegen die Regierung gestimmt. Die Regierung erhält mit den Stimmen von CSV und DP jedoch die nötige Parlamentsmehrheit (35 von 60 Stimmen) – was Premierminister Frieden und Außenminister Xavier Bettel mit einem Handschlag zelebrierten.

Der frisch auserkorene Fraktionssprecher der CSV, Marc Spautz, machte den Anfang der Debatte, die letzten Endes etwas mehr als sechs Stunden dauern sollte. Er machte aus seiner Unterstützung dann auch keinen Hehl und erklärte gleich zu Beginn, dass die CSV-Chamberfraktion „den neuen Luc im Interesse von Wirtschaft, Sozialem und Nachhaltigkeit“ unterstützen werde. Ähnlich gestaltete auch DP-Fraktionssprecher Gilles Baum seine Rede, der jedoch auch die Politik der Vorgängerregierung lobte. Im neuen Koalitionsvertrag sei viel DP dabei, weswegen seine Partei diesen auch unterstütze. Auffällig war bei Gilles Baum, dass er bei der Gewichtung seiner Rede eher die thematischen Schwerpunkte der DP-Ministerressorts verteidigte als die gesamte Regierung.

Profitieren tun die Reichen

Taina Bofferding trat als erste Oppositionspolitikerin ans Rednerpult. Obwohl die LSAP bei den vergangenen Wahlen gestärkt worden sei, finde man sich nun in der Opposition wieder. Man sei als LSAP jedoch bereit, die Opposition als stärkste Fraktion anzuführen. „Wir werden eine Stimme für alle Menschen in diesem Land sein und aufpassen, dass die Schere zwischen Arm und Reich sich wieder einander annähert.“ Der Regierungstext sei an vielen Stellen sehr vage, in den Steuerkapiteln hingegen sehr konkret. „Besonders werden die profitieren, die ohnehin schon viel haben: die gehobene Mittelschicht, Investoren und Unternehmen“, sagt Bofferding. Die Anpassung der Steuertabelle an die Inflation findet die LSAP-Fraktionschefin sozial ungerecht. „Hier gehen Steuereinnahmen in Höhe von 500 Millionen Euro verloren, die man gezielt hätte umverteilen können.“

Taina Bofferding hebt dann auch besonders die Inkohärenz hervor, die die neue Regierung in puncto Arbeits- und Familienpolitik festgeschrieben hat. Die Ausweitung der Sonntagsarbeit stehe im Gegensatz zum Willen, Familie und Politik unter einen Hut zu bekommen. Bofferding bemängelt, dass die „économie sociale et solidaire“ keine Erwähnung im Koalitionsabkommen gefunden hat und dieses bei der Rentenreform keine weiteren Details nennt.

„Gemischte Gefühle“

Sam Tanson von „déi gréng“ spricht von einem „schwammigen“ Regierungsabkommen, das sie mit „gemischten Gefühlen“ sehe. „Es wird eine ungesicherte Wette auf die Zukunft abgeschlossen“, sagt Tanson. Es würden keine Worte über die Gegenfinanzierung der geplanten Maßnahmen verloren. „Es werden vor allem jene gestärkt, die bereits viel haben.“ Das transversale Denken aus den Koalitionsverhandlungen würde sich nicht in der Regierungsmannschaft widerspiegeln, so Tanson, und nennt als Beispiel den Wohnungsbau. Zwar hätte Minister Claude Meisch auch die Landesplanung auf sich vereint; mit dem personalintensivsten Ressort, der Bildung, werde er sich wohl kaum langweilen, merkt Tanson zynisch an.

„Die Natur wird nicht vom populistischen Narrativ verschont, dass der Umweltschutz die Schuld an allem trägt“, moniert Tanson. Natürlich könne es dadurch zu Blockaden kommen. „Wegen der Gemeindeprozeduren, der hohen Grundstückspreise und der Zinslast kommt es laut Vertretern aus der Branche noch viel öfter zu Blockaden.“ Tanson kritisierte zudem die Wiedereinführung des „Amortissement accéléré“, verlangte mehr Transparenz bei den geplanten Steuermaßnahmen und pochte auf eine soziale Staffelung der Politik von CSV und DP.

„Pokerspiel“

Sven Clement vermisst im Regierungsabkommen die Substanz und betitelt die darin festgeschriebene Finanzpolitik als „Pokerspiel“. „Man fragt sich, wo die Regierung das Geld hernehmen will“; sagt Clement. „Wir Piraten wollen gesunde Staatsfinanzen und keinen ausgehungerten Staatsapparat, der keine nötigen Reformen unterstützen kann, die es braucht, um Luxemburg für die Zukunft zu rüsten.“ Die Wohnungsbaupolitik bezeichnete der Piraten-Abgeordnete als „teils konkret, mit guten Ideen“. Jedoch könne er die zugrundeliegende Prämisse der Regierung, dass vor allem die Nachfrage angekurbelt werden müsse, nicht unterschreiben. „Die Nachfrage ist da – viele Mieter hier im Land und über die Grenzen hinweg wollen eine Wohnung.“

Ben Polidori hat in seiner ersten Rede in der Chamber vor allem das Politikfeld der Digitalisierung genauer unter die Lupe genommen. Ob die angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden können, bezweifelt der Politiker aus dem Norden. Und: „Eine flächendeckende Überwachung der privaten digitalen Kommunikation ist keine Sicherheitsmaßnahme, sondern ein Angriff auf die Grundrechte der Privatsphäre.“

Trostpreis für die Plebs

Der Linken-Politiker Marc Baum kritisierte in seiner Rede zuallererst das Demokratiedefizit, ehe er sich auf die Finanzpolitik der Regierung einschoss. „Voodoo Economics“ nannte Baum die wirtschafts- und finanzpolitischen Pläne, die die neue Regierung vorgelegt hat. Besonders die Steuererleichterung für das „Großkapital“ kritisierte Baum, während sich die Bevölkerung („Plebs“) mit dem „Trostpreis“ der Anpassung der Steuertabelle an die Inflation zufriedengeben müsse. „Meine konkrete Frage an die Regierung lautet: Was ist der Plan B?“, will Baum wissen. 

Im Wohnungsbau wirft der Linken-Politiker der Regierung vor, in eine Sackgasse zu laufen. „Will die Regierung, dass sich die Gewinnmargen der Bauherren verzehnfachen?“, fragt Baum und befürchtet eine Verwässerung des „Pacte Logement 2.0“. Für den Linken-Politiker ist klar, dass die Regierung im Kampf gegen den Wohnungsmangel vermehrt auf das Privatkapital setze. Bei der Armutsbekämpfung beschränke sich die Regierung zudem auf das Revis. Eine „transversale Herangehensweise“, wie sie von der neuen Regierung proklamiert werde, könne er nicht erkennen. „Dass Jean-Claude Juncker hier im Land nichts mehr zu sagen hat, ist nicht neu“, sagt Baum. „Dass er, zusammen mit dem sozialen Flügel, in der CSV nichts mehr zu sagen hat, ist neu.“

Gegen ideologische Projekte

Fred Keup sieht im Regierungsprogramm von CSV und DP nicht den großen Wechsel, den sich der Wähler auf Basis der Wahlversprechen erhofft hatte. „Gesellschaftspolitisch ist die Regierung in Richtung Gambia 3.0 unterwegs“, sagt Keup. Der Analyse des ADR-Fraktionspräsidenten nach sei das Koalitionsprogramm „flou“. „Evaluieren, analysieren und untersuchen sind Wörter, die fast 400-mal im Programm vorkommen.“ Die angekündigte Steuerreform mit einer Individualisierung der Steuerklassen bezeichnet der ADR-Politiker als ideologisches Projekt, da die „Familie auch steuerlich wertgeschätzt“ werden soll, und warnt auch vor einer Ideologisierung des Finanzplatzes.

Die Stärkung der Polizei begrüßt Keup ebenso wie die „Comparution immédiate“. Das Festhalten an den „illusorischen Klimazielen“ kritisierte Keup jedoch: „Das ist eine Politik, die der Wähler am 8. Oktober abgewählt hat“, sagt Keup. „Das ist die Realität und da hätten wir uns eine Änderung gewünscht.“ 

Premierminister Luc Frieden begrüßte im Anschluss an die Debatte den respektvollen Umgang aller Abgeordneten. „Ich hatte mich auf schärfere Attacken vorbereitet“, sagt Frieden – der dies aber nicht als Einladung für einen härteren Umgangston verstanden wissen wollte, während es von den Oppositionsbänken „Das war erst der Anfang“ schallte. Als Reaktion auf die Transparenzdebatte sei er gewillt, über den „modus vivendi“ zwischen Regierung, Chamber und Presse zu diskutieren.

Abstimmung zu Resolutionen

– Motion von „déi gréng“ zum „Zugang zu administrativen Dokumenten“: in die Medienkommission verwiesen
– Resolution von „déi gréng“ zu „Öffentliche parlamentarische Kommissionen“: in die Präsidentenkonferenz verwiesen
– Resolution von „déi gréng“ zu „Revalorisierung des Abgeordnetenmandates“: in die Institutionenkommission verwiesen
– Resolution von „déi Lénk“ dazu, dass die Chamber an der nationalen „Logement“-Debatte teilnehmen soll: mit Stimmen von CSV und DP abgelehnt

Sidney Wiltgen
23. November 2023 - 20.04

Gudden Owend Här Ujheen,

merci fir äre Feedback. Dat heiten ass e ganz neutrale Bericht, iwwert dat wat an der Chamber gesoot gouf. Dorobber hun mir wéineg Afloss. Wann dir mir genee soen kéint, wéieng Passagen dir mengt stellen ech mech awer gäeren der Diskussioun an verweisen ierch noutfalls op den Zäitpunkt, wou déi Aussoen getätegt goufen.
Säitdeem ech beim Tageblatt sinn, begleeden ech suwuel Regierungsaarbescht wéi och Oppositiounsarbescht ganz kritesch, an hun méi wéi genug Artikeln iwwer parlamentaresch Aarbescht geschriwwen, wou ech jiddereen emmer zu Wuert komme loossen. Wéi et sech gehéiert hunn ech do den institutionell Schwachen - der Oppositioun - meeschtens mßei Plaatz zougestaan wéi de Parteien aus der Majoritéit. Ech kann ierch do gäeren e puer Artikelen och hei verlinken.
Mat beschte Gréiss,
Sidney Wiltgen

Ujheen
23. November 2023 - 18.46

Déi Hären Wiltgen an Dörr,

Esou eppes hätt Där weder 2013 nach 2018 vum Stapel gelooss.
Daer soot Aech och dass een déi Hand wou ee fiddert net bäisse soll, gell?
Déi Zeitung fir déi Daer schafft an déi ech all Mount mat engem 25,00€ Abo ênnerstëtzen ass net objektif, mais sëtzt am Rettungsboot vun enger LSAP an engem OGB-L. Also gëtt elo massif op d’Koalitioun geschoss an déi « oarmen » Oppositioun ënnerstëtzt.
A merde, fir eng entretemps pensionnéiert Ikone vun der LSAP ze zitéieren, maacht dach emol endlech objektiven an RICHTEG kriteschen Journalismus! Soss ginn ech bei reporter.lu oder bei soss eeen…Merci!