Der PolitflüstererWeather most foul

Der Politflüsterer / Weather most foul
 Foto: Editpress-Archiv

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Über das Wetter zu reden, ist nicht mehr so einfach. Die Urform des unverbindlichen Smalltalks ist in einer Zeit, wo die getriggerten Emotionen ihren „Reign of Terror“ ausüben, zu einer verminten Angelegenheit geworden, wie der Tageblatt-Leser nicht zuletzt aus dem Interview mit unserem Kollegen von Météo Boulaide diese Woche herauslesen konnte. Vor einer gefühlten Ewigkeit und bevor sie deutsche Sekundärtugenden über Bord zu werfen begann, behauptete die Deutsche Bahn, in einer zur Legende gewordenen Anzeige: „Alle reden vom Wetter. Wir nicht.“ Das klang markig, und war es auch. Kurz darauf kaperte der SDS (der Sozialistische Deutsche Studentenbund) die Idee und intonierte, einen Deut bedrohlicher, den gleichen Spruch. Auf dem roten Plakat prangte allerdings keine Lok, sondern Karl Marx, Friedrich Engels und Franz Müntefering. Vielleicht war es ja auch Lenin, und nicht „Münte“. Egal, you catch my drift.

Von dieser Verächtlichmachung des Wetters ist man mittlerweile meilenweit entfernt. Seit jenen Tagen der DB haben sowohl die Bundesgrünen als auch, Jahrzehnte später, die Klimaaktivisten den Spruch aufgegriffen und ihm einen Twist gegeben. Jetzt heißt es „wir auch“, und nicht mehr „wir nicht“. Das birgt Gefahren, weiß der Obskurantismusforscher, Infantilismusspeläologe und Politflüsterer. Denn schnell schwillt bekanntlich jedem Schrumpfkopf in den nationalsozialen Medien der Kamm. Dem ist nämlich Wetter und Klima Jacke wie Hose. 

Wer heute, DB und SDS ignorierend, sagt, morgen wird’s wärmer, sich gar zu der Steigerung „so warm wie nie“ versteigt, ist ein politischer Hasardeur. So wie es den Insta-Mob zum neuesten Banksy-Graffiti zieht wie die Lourdes-Pilgerer zur Bernadette-Grotte, schießen dann nämlich sofort die wetterfühligen Schrumpfköpfe los: „Hu mir soss keng Problemer!!!!!!!“ (gerne auch: ??????) (oder: ????!!!!), schreit der Wüterich noch schnell in seiner Wutstube, bevor er ins dreifachpolierte SUV steigt und zum Afterwork-Martini fährt. Wetter und Klima, das ist längst kein Smalltalk-Thema mehr, das ist Männersache. 

Dabei ist doch zurzeit Ruhe im Karton: Die Grünen, die uns den Klimawandel einbrockten und auch noch verbieten wollten, sachlich darüber zu diskutieren, sind weg. „Onse Jang“ Asselborn, feuilletonweit gefeierter Engel der Sisyphusberge, Dalai Lama der Humanpedale, ist wegen Eigenblutdopings zwangsverrentet worden. Corona ist nur noch ein mexikanisches Import-Bier, das sich auch ungeimpft konsumieren lässt. Dass die ADR angesichts dieser für sie favorablen Sachlage ausgerechnet auf der Marie-Astrid ihren Kongress abhielt, gibt aber Rätsel auf. Die bioluxemburgische Pläsierschaluppe als eine Art Arche Noah für die vom Aussterben bedrohte Nation? Eine klimatologisch interpretierbare Verzweiflungstat? Für eine Partei, die Luxemburg nicht aufgeben will, sah diese Einbootung verdammt ängstlich aus. Dass die Marie-Astrid für piefige Freizeitaktivitäten wie Seenotrettung nicht gemacht ist, okay. Dem politischen Klimaforscher gibt dieser „move“ aber dennoch Rätsel auf. War es also vielleicht, sozusagen unbewusst, ein Hinweis auf defätistische Tendenzen innerhalb der Partei? Und das auf RTL-TV einsehbare vergoldete Treppengeländer gar ein versteckter Hinweis auf die Balustrade aus James Camerons „Titanic“? (Jérôme Netgen)