Rassismus in LuxemburgWas es bedeutet, schwarz zu sein

Rassismus in Luxemburg / Was es bedeutet, schwarz zu sein
Beinahe jede zweite schwarze Person in Luxemburg hat in den vergangenen fünf Jahren rassistische Diskriminierung erlebt Foto: dpa/Felix Kästle

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Die Europäische Agentur für Grundrechte präsentiert eine Studie zu den Erfahrungen von Menschen mit afrikanischer Herkunft in 13 EU-Mitgliedstaaten. Die Ergebnisse sind dramatisch – doch nicht in allen Bereichen.

Luxemburg hat ein Rassismusproblem. Und steht damit nicht alleine da. Die Europäische Agentur für Grundrechte (FRA) hat vor wenigen Tagen einen Bericht mit dem Titel „Being Black in the EU“ veröffentlicht, eine groß angelegte Befragung von schwarzen Menschen und Menschen afrikanischer Abstammung in 13 EU-Mitgliedsstaaten. Das Ergebnis: In den meisten Ländern hat rassistische Diskriminierung in zentralen Lebensbereichen zugenommen.

47 Prozent der für die Studie befragten Menschen mit Wohnsitz in Luxemburg gaben an, in den vergangenen fünf Jahren rassistische Diskriminierung erfahren zu haben. Mehr als jede fünfte Person sei in diesem Zeitraum rassistisch belästigt worden. Zwei Prozent sind nach eigenen Angaben Opfer rassistischer Gewalt geworden. Einer der Hauptschauplätze rassistischer Diskriminierung ist laut Studie der Arbeitsmarkt. 38 Prozent der Befragten gaben an, bei der Arbeitssuche rassistische Diskriminierung erlebt zu haben. Für solche Erfahrungen auf der Arbeit selbst liegt der Wert bei 42 Prozent. Luxemburg liegt damit etwa im Schnitt der anderen teilnehmenden EU-Staaten.

Anders sieht es mit rassistischer Diskriminierung auf dem Wohnungsmarkt aus. Hier liegt der Erfahrungswert der luxemburgischen Studienteilnehmer mit zehn Prozent deutlich unter dem Schnitt von 31 Prozent. Während schwarze Personen und Menschen afrikanischer Abstammung bei der Wohnungssuche in Luxemburg also nach eigenem Empfinden weniger häufig rassistische Diskriminierung begegnen als in anderen europäischen Ländern, liegt das Großherzogtum im Bildungswesen über dem Durchschnitt. Ein Viertel der Teilnehmer gaben an, im schulischen oder universitären Kontext in den vergangenen fünf Jahren rassistisch diskriminiert worden zu sein.

Wie die Studie aufgebaut ist

Für ihre Studie hat FRA die Antworten von 6.752 Personen mit Wohnsitz in 13 EU-Mitgliedstaaten untersucht: Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, Luxemburg, Polen, Portugal, Spanien und Schweden. Ausgewählt für die Teilnahme wurden Personen, die entweder selbst in einem subsaharischen afrikanischen Land geboren wurden oder die mindestens ein Elternteil haben, das in einem dieser Länder geboren wurde.

In Luxemburg haben 565 Menschen auf die Anfrage von FRA geantwortet. 32 Prozent dieser Menschen haben die Luxemburger Staatsbürgerschaft. 77 Prozent der Befragten sind nicht selbst in Luxemburg geboren, haben also eine eigene Migrationsgeschichte. Besonders auffällig im luxemburgischen Kontext ist dabei: Nur zwei Drittel der antwortenden Personen in Luxemburg definieren sich selbst als Person afrikanischer Herkunft oder als schwarze Person. Das ist der mit Abstand geringste Wert im europäischen Vergleich, in den meisten anderen teilnehmenden Ländern liegt dieser Wert bei um die 90 Prozent.

Kein unwichtiger Punkt. Betrachtet man nämlich nur die Gruppe derer, die sich selbst als Schwarze oder Menschen afrikanischer Abstammung definieren, steigt die Erfahrungswert rassistischer Diskriminierung von 47 Prozent auf 57 Prozent an.

Mehrfachdiskriminierung und Intersektionalität

Die meisten Menschen in der FRA-Studie erleben rassistische Diskriminierung aufgrund ihrer Hautfarbe und aufgrund ihres ethnischen oder migrantischen Hintergrunds. Bei den meisten Personen bleibt es aber nicht bei einem Diskriminierungsmarker. Mehr als die Hälfte der Befragten geben an, aus mehr als einem Grund rassistische Diskriminierung erlebt zu haben. Das kann zum Beispiel das Alter, das Geschlecht oder die Religion sein. Solche Mehrfachdiskriminierungen können wiederum zu speziellen Diskriminierungserfahrungen führen. In der Theorie wird so etwas als Intersektionalität beschrieben, das bedeutet die Verschränkung von verschiedenen Diskriminierungsformen, die eine neue spezifische Erfahrung bilden, zum Beispiel die Erfahrung, als schwarze Frau diskriminiert zu werden.

Vor fünf Jahren hat FRA schon einmal eine Studie über die Erfahrungen von Menschen afrikanischer Abstammung in der EU publiziert. Damals schnitt Luxemburg schlechter ab als heute: 69 Prozent (im Vergleich zu aktuell 47 Prozent) der Befragten gaben an, rassistische Diskriminierung erlebt zu haben. Der höchste Wert aller teilnehmenden Länder. Inwiefern diese Differenz aber auf eine tatsächliche gesellschaftliche Veränderung zurückgeht, ist mehr als fraglich. Die Autoren der Studie betonen, dass die vergleichenden Resultate für Luxemburg mit Vorsicht interpretiert werden müssen, weil es hier zwischen den beiden Umfragen zu einer Änderung im Stichprobenverfahren kam. Trauriger Spitzenreiter in der Neuauflage der Studie ist Deutschland, mit einem Wert von 76 Prozent.

Niedrigster Wert bei „racial profiling“

Ein weiteres Feld, dem sich die Studie widmet, sind Polizeikontrollen und die viel kritisierte polizeiliche Vorgehensweise des sogenannten „racial profiling“, einer Kontrolle von Personen, die nicht auf einem Verdachtsmoment basiert, sondern allein auf der stereotypisierten Einordnung von Personen – und damit meist auf rassistischen Vorurteilen. Auch hier führt Deutschland das Feld an. Von den Personen, die dort in den zwölf Monaten vor der Erhebung angehalten wurden, empfanden 69 Prozent die letzte Kontrolle als rassistisch motiviert. Der niedrigste Wert findet sich in Luxemburg. Im Großherzogtum gaben nur 22 Prozent der Befragten an, „racial profiling“ erlebt zu haben. Damit hat Luxemburg seinen Anteil an rassistisch empfundenen Polizeikontrollen im Vergleich zur Vorgängerstudie beinahe halbiert.

Ebenfalls interessant ist ein Blick auf den Wohnungsmarkt. Auch hier bildet Luxemburg einen Ausreißer im europäischen Kontext. Die Eigentumsquote von Menschen afrikanischer Abstammung variiert zwischen zwei Prozent in Italien und 37 Prozent in Luxemburg. Das liegt auch daran, dass hierzulande die Eigentumsquote in der Allgemeinbevölkerung höher ist als im europäischen Vergleich. Jedoch: Die Kluft zwischen Menschen afrikanischer Abstammung und der Allgemeinbevölkerung, die in Eigentumswohnungen leben, ist in Italien am größten und in Luxemburg am geringsten. Das Großherzogtum ist außerdem das einzige Land in der Untersuchung, bei dem es keine Kluft zwischen Allgemeinbevölkerung und Menschen afrikanischer Abstammung in Bezug auf die Selbstangabe chronischer Krankheiten und gesundheitlicher Probleme gibt.

Auch wenn Luxemburg in einigen Bereichen besser dasteht als seine europäischen Nachbarn, am Fazit der Studie ändert das nichts. Luxemburg hat ein Rassismusproblem. Und versagt an sehr zentraler Stelle. Die Studie zählt für das Großherzogtum nur eine einzige Anlaufstelle für von Rassismus Betroffene auf, das Zentrum für Gleichbehandlung (CET). Das ist wenig im europäischen Vergleich, in vielen anderen Ländern sind es zwei bis vier. Nun ist Luxemburg ein kleines Land und auch der große Nachbar Frankreich taucht nur mit einer Institution auf: der „Défenseur des droits“. Der Unterschied: Diese Institution ist mehr als der Hälfte der französischen Studienteilnehmer bekannt. Das CET in Luxemburg kennt hingegen gerade einmal jede fünfte Person – in keinem Land sind Anlaufstellen für Betroffene von Rassismus und Diskriminierung weniger bekannt.

Arm XXXXVII
1. November 2023 - 10.01

Schwarz zu sein in Luxemburg bedeutet, einfach nur nicht weiss zu sein. Nicht mehr und nicht weniger!! Von wegen Rassismus, keine Spur. Zu dem Tageblatt Artikel, man soll nichts suchen wo nichts ist.

Miette
30. Oktober 2023 - 22.52

Gegenseitiger Respekt, das ist das Zauberwort.

HeWhoCannotBeNamed
30. Oktober 2023 - 18.33

@Nomi : So, so... Schuld ist immer der andere? Nennt man sowas nicht Täter-Opfer-Umkehr? Sind Sie auch der Meinung, dass die 113 Menschen, die zwischen 1990 und 2020 in der BRD Opfer rechtsextremer Gewalt wurden (Zahl wurde vom BKA als solche erfasst) vielleicht ihren Tod verdient hatten... wegen "unzulänglicher Integration"? Wussten die sich einfach "nicht zu benehmen"? Ich bitte um Aufklärung.

Kid
30. Oktober 2023 - 16.04

Was bedeutet es sich nicht zu integrieren ... anders sein zu wollen und auch so bleiben. Black life matters.

BPat
30. Oktober 2023 - 14.53

Ass et realen oder gefillte Rassismus? Wann ech als Netwäissen eppes net kréie kann ech et ganz gutt als Rassismus ofstempelen.

Nomi
30. Oktober 2023 - 11.13

Rassismus ass net eng Sach vun der Hautfarf, mee Eng Sach vum Behuelen oder sech net Integrei'eren an un -d'Gesellschaft unpassen .