Warum man Cattenom nicht vertrauen darf

Warum man Cattenom nicht vertrauen darf

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

So gut die Technik der vier Atomkraftwerke im lothringischen Cattenom auch sein mag, Vertrauen muss man nicht unbedingt haben. Und das hat seinen Grund.

Die Betreibergesellschaft EDF hat zur jährlichen Pressekonferenz ins Kernkraftwerk Cattenom geladen – oder, genauer gesagt, vor dessen Tore: In dem Gebäude, in dem der Öffentlichkeit normalerweise das Kernkraftwerk erklärt wird, haben sich die Journalisten versammelt.

Cattenom wird nicht gemocht. Weder im nahen Rheinland-Pfalz noch im benachbarten Saarland und schon gar nicht in Luxemburg.

Die Atomkraft ist vielen unheimlich. Es sind die überdimensionalen Kühltürme, die beeindrucken, aber durch ihre schiere Größe auch Unwohlsein hervorrufen. Es sind diese Kühltürme, die mit ihrem Wasserdampf auch dann Wolken produzieren, wenn es eigentlich einen blauen Himmel gibt. Dabei findet die eigentliche Stromproduktion in vier unscheinbaren runden Gebäuden mit leicht gewölbtem Dach statt. Dabei liegen Gefahren auch in einem weiteren Gebäude, in dem Brennstäbe über Jahre lagern, um „abzuklingen“ und dann in das normannische La Hague verfrachtet zu werden.

Was wirklich in einem Atomkraftwerk geschieht, verstehen nur die wenigsten. Die Menschen, die es repräsentieren, erwecken häufig Unwohlsein. Es sind die Technik und die Menschen, die Vertrauen nicht so recht aufkommen lassen wollen. Fairerweise muss man sagen, dass Frankreich die atomare Technik möglicherweise im Griff hat. Die Kernkraftwerke mit einer Leistung von 1.300 Megawatt und mit einer Leistung von 900 Megawatt sind in Serie gebaut. Das heißt, dass, wenn ein Fehler in einem festgestellt wird, man gleich in 58 weiteren denselben Fehler beheben darf. Genau das kann aber auch beunruhigend wirken. Denn das kann auch bedeuten, dass man nötigenfalls alle 58 Kraftwerke zur Behebung des Fehlers abschalten muss. Würde Frankreich das wirklich tun? Immerhin produziert das Land fast 80 Prozent seines Strombedarfs in Kernkraftwerken. Da kommen Zweifel auf.

Aber noch einmal: Fairerweise muss man sagen, dass es einen wirklich schwerwiegenden nuklearen Zwischenfall in 40 Jahren Cattenom nicht gegeben hat. Wann immer sich ein Kernkraftwerk selber abgeschaltet hat, handelte es sich um Zwischenfälle der traditionellen Technik rund um den nuklearen Behälter mit den Brennstäben. Wenn ein Wasserventil ausgetauscht werden muss, weil es nicht mehr richtig funktioniert, wird das als „Zwischenfall“ dokumentiert. Ebenso, wenn die Loch-Abstände eines Gitters unter dem Ventil nicht in Ordnung sind. Wenn 40.000 Liter Salzsäure in die Mosel fließen, ist das ein technischer Zwischenfall, der – so schwerwiegend er sein mag – eben das Nukleare nicht betrifft. Technische Zwischenfälle dieser Art sind aber auch schwerwiegend. Wenn ein Dynamo seinen Dienst versagt, schaltet sich ein Kraftwerk ab.

Wo darf man bei der Technik also Vertrauen haben?

Nirgendwo. Technik ist das Funktionieren von industriell gefertigten Gütern wie etwa einem Dynamo oder einem Dieselmotor. Sie braucht Wartung und ständige Überprüfung. Und was ist, wenn schon ein Fehler bei der Herstellung auftritt? Das Atomkraftwerk Cattenom gehört mit 88 festgestellten Fehlern bei der Herstellung von Teilen in der Schmiede von Le Creusot zu den am meisten betroffenen Kernkraftwerken in Frankreich, meldet die atomare Aufsichtsbehörde ASN. In Le Creusot sind Papiere gefälscht worden. In Le Creusot gab es falsche Stahlmischungen für den Reaktorbehälter und auch für den Deckel auf dem Reaktorbehälter. In Le Creusot wurden Teile der Dampfturbinen in minderer Qualität hergestellt. In Fessenheim blieb deswegen ein Reaktor fast zwei Jahre ohne Stromproduktion. In Cattenom ist nicht bekannt, wie die 88 Fehler, die die ASN festgestellt hat, behoben wurden. Der Leiter des Kraftwerkes sagt nur, dass man bei zwei Kraftwerken mit der Prüfung „nun durch sei“. Was das heißt, bleibt offen.

Womit der Faktor Mensch bei der Nuklear-Industrie angesprochen wird. Es hat in Cattenom nur einen Direktor gegeben, der das Prinzip der Transparenz als Vertrauensfaktor erkannt hatte. Der Mann hatte im Ausland gearbeitet und erkannt, dass man in Cattenom in Richtung Deutschland und Luxemburg mit großer Offenheit arbeiten muss. Transparenz existiert heutzutage nicht wirklich. Es gehört zur Gewohnheit, dass Leiter von Kernkraftwerken gebetsmühlenartig herunterbeten, dass Kernkraftwerke sicher seien, dass sie umweltfreundlich seien im Gegensatz zu den Kohle-Dreckschleudern in Deutschland. Wer immer diese Argumentation auftischt, unterschätzt die Reflektionsfähigkeit von Journalisten, die diese Phrasen über sich ergehen lassen und dann zum Kern kommen. In der Pressekonferenz in Cattenom musste sich Direktor Thierry Rosso von einem Journalisten die Zahlen der ASN anhören und die Tatsache, dass Cattenom am meisten betroffen ist.

Rosso gehört zu den atomaren Belehrern, die ein Nachdenken über die nukleare Welt verbieten. Es ist alles schön und heil. Bei einem Darmscan erhält man mehr atomare Bestrahlung als in einem Jahr Arbeit in Cattenom.  Das ist neu. Früher wurde die Strahlenbelastung mit der von Reiseflügen verglichen. Auch, dass einem Mitarbeiter ein winziges nukleares Teilchen herausoperiert werden musste, klingt so schlimm nicht. Schlimmer aber ist, dass Rosso offen zugibt, dass er bei der Greenpeace-Affäre im vergangenen Jahr die Aktivisten in die Falle laufen ließ.

Die, so sagt er, hätten vorher angerufen. Man hätte also gewusst, dass es Greenpeace-Aktivisten gewesen seien, die über die Zäune geklettert seien. Dass dann nur zwei harmlose kleine Gendarmerie-Fahrzeuge von außen vor den Toren standen, sei gar nicht so wichtig. Wisse man denn, ob nicht im Hintergrund im Kernkraftwerk schwer bewaffnete Sicherheitskräfte gestanden hätten? Der Zwischenfall sei auch gar nicht so wichtig. Am nächsten Morgen seien alle wieder zur Arbeit gekommen, als wenn nichts gewesen wäre.

Die Berichterstattung über den Vorfall lasse ihn gleichwohl nicht kalt. Er beschwert sich darüber. Auf die Frage, warum er das Ganze nicht verhindert hätte, wo er doch durch den Telefonanruf informiert gewesen sei, dass dann auch die Sicherheit von Cattenom im Vordergrund gestanden hätte, gibt es keine klar verständliche Antwort.

Eindringlinge acht Minuten auf dem Gelände

Es ist eine verquere Argumentation in Cattenom, wo ein Direktor Eindringlinge acht Minuten lang durch sein Gelände laufen lässt und behauptet, die Sache im Griff gehabt zu haben. Es hätten alles in allem auch Terroristen mit einem Greenpeace-Plakat und mit einer Panzerfaust statt Feuerwerkskörpern sein können. Und dann gibt Rosso zu, dass man nach dem Zwischenfall den Zaun, über den die Greenpeace Aktivisten eingedrungen seien, so gesichert habe, dass man ihn heutzutage nicht mehr überqueren könne. Warum eigentlich, wo das Ganze doch ein „Nicht-Ereignis“ war, das niemanden beeindruckt hatte und bei dem schwer bewaffnete Sicherheitskräfte im nicht einsehbaren Hintergrund gestanden haben sollen? Oder werden hier imaginäre Muskeln vorgespielt? Folgt man der Argumentation des Cattenom-Direktors, dann hat man die Greenpeace-Aktivisten bewusst in eine Falle laufen lassen, für die zwei von ihnen in erster Instanz zu Gefängnis verurteilt wurden.

Warum darf man Cattenom nicht vertrauen? Weil hier offensichtlich Führungskräfte eine Welt vorspiegeln, die im Hintergrund völlig anders aussieht. Und weil auch Führungskräfte nicht in der Lage zu sein scheinen, tiefgründig zu reflektieren und ehrlich zu argumentieren.

Der Saal, in dem sich die Direktoren der Anlage der Presse stellen, gleicht einem Kino: Umklappbare rote Sessel, Bühne und Filmleinwand. Eine Kleinigkeit ist anders. Links und rechts oben gibt es Anzeigen, die die Tätigkeit der Reaktoren anzeigen. Reaktor eins ist abgeschaltet, sieht man. Er wird überprüft. Bei Reaktor drei wird ein Fehler angezeigt, obwohl er arbeitet. Das sei, so der Direktor, nur ein Fehler in der Übertragungsleitung. Die Pressekonferenz dauert zwei Stunden. Am Ende gibt es den Fehler immer noch. Es mag eine Kleinigkeit sein. Aber sie ist kennzeichnend für eine gewisse Art von Schlendrian. Rosso hatte zwei Stunden Zeit, um die angeblich defekte Internetleitung reparieren zu lassen. Mag sein, dass sie wirklich nicht wichtig war. Aber: Er tat es nicht. War es wirklich nur ein Leitungsfehler? Es war ihm egal. In einem Atomkraftwerk darf aber nichts egal sein. Deswegen darf man Cattenom nicht vertrauen.

Den Pingelechen
17. März 2018 - 11.36

Also esou laang naischt geschitt am grenznohem Cattenom,ass alles gut.Sollt et dann awer mol zu éngem Gau kommen,dann sin mir all am Emkrées vun 100 km direkt ataark betraff,hoffentlech wärt den Eechtfall nie antriéden,well do géoifen et direkt schwéier gesondhéetlech Problemer gin,déi irréparablen wieren an mir mat schwéieren an weideren gesondhéetlechen Konsequenzen missten rechnen,déi nach wait iwer eis Generatioun eraus géet.Hoffen mir all,dass eis dat erspuert bleiwt !

Ee vun 20%
17. März 2018 - 10.44

Es bleibt Hoffnung. Mit etwas Glück findet der Gau während der Paischtcroisiere statt. Dann hätte Luxemburg seine eigene Arche und zumindest die auf dem Pfingstdampfer versammelte Mitte der Gesellschaft könnte einen Neuanfang wagen. Ganz im Sinne von Keup und Co.

Serenissima en Escher Jong
17. März 2018 - 9.58

Grundsätzlich kann man keinem Kernkraftwerk trauen, diese Technik werden wir wohl niemals ganz beherrschen; leider ist es so wenn es einmal zu einem Super Gau in Cattenom kommen sollte dass dann ganz Luxemburg verseucht wird..? also wohin mit den Mensche die es überlebt haben werden? aber die Franzosen stört es nicht die haben ja noch Ausweichmöglichkeiten...aber für Luxemburg ist es einfach aus dann...egal wie!