UniversitätWarum eine Studentin aus Armenien 21 entweihte Kirchen in Luxemburg besuchte

Universität / Warum eine Studentin aus Armenien 21 entweihte Kirchen in Luxemburg besuchte
Siranuysh Martirosyan aus Armenien schrieb ihre Masterarbeit über entweihte Kirchen in Luxemburg Foto: Editpress/Alain Rischard

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21 Kirchen und Kapellen sind in Luxemburg entweiht und warten auf eine neue Bestimmung. Welche das sein könnte, darüber schrieb die Architekturstudentin Siranuysh Martirosyan ihre Masterarbeit an der Uni.lu. Dass sich die 24-jährige Armenierin ausgerechnet für dieses Thema entschied, hat auch mit ihrer Herkunft zu tun.

1.700 Jahre schon ist das Christentum in Armenien Staatsreligion, was das kaukasische Land zur ersten christlichen Nation der Geschichte macht. Die Kathedrale von Etschmiadsin, Sitz des Oberhauptes der armenisch-apostolischen Kirche, stammt aus dem 4. Jahrhundert. „Wir haben zu Hause sehr, sehr alte Kirchen und mich hat schon immer die Atmosphäre in ihnen interessiert. Daher kam die Idee, mich für meine Masterarbeit um die religiöse Architektur in Luxemburg zu kümmern“, erklärt Siranuysh Martirosyan.

Skizze aus der Masterarbeit
Skizze aus der Masterarbeit Kollage: Siranuysh Martirosyan

Martirosyan wurde 1999 in Jerewan, der Hauptstadt Armeniens, geboren. Ihr Vater ist Physiker und Forscher. Die Mutter arbeitet als Buchhalterin. Nach ihrem Bachelor-Abschluss an der Nationalen Universität für Architektur und Konstruktion (Nuaca) in Jerewan wollte Siranuysh Martirosyan ihr Studium mit einem Master im westlichen Ausland fortsetzen. Sie bewarb sich an mehreren Universitäten und wurde von Fakultäten in Großbritannien, Deutschland und eben Luxemburg angenommen. „Da der Architektur-Masterstudiengang in Luxemburg in englischer Sprache ist und mich das Programm interessierte, entschied ich mich für Luxemburg, zumal mir das internationale Flair des Landes gut gefällt“, sagt sie.

Also schlug Martirosyan 2021 ihre Zelte in Luxemburg auf. Von den Wohnungspreisen wusste sie nichts. Um sich finanziell nicht zu übernehmen, schlug sie in Bech auf. Dass sie von dort aus mit dem öffentlichen Transport gut zwei Stunden bis zur Universität in Belval braucht, nahm die junge Frau in Kauf. Im Dezember 2023 bekam sie ihr Masterdiplom überreicht. Für ihre Abschlussarbeit hatte sich die Armenierin die Nutzung der entweihten Kirchen und Kapellen in Luxemburg als Thema ausgesucht. Titel: „21 vacant Churches/Chapels“, Untertitel: „Redefining the Future Paradigms of Work. Adaptive Reuse of St. Barbara Church“ (dt.: 21 unbesetzte Kirchen/Kapellen – Neudefinition der zukünftigen Paradigmen der Arbeit. Adaptive Wiederverwendung der St. Barbara-Kirche).

Beispiel Lasauvage

Die Barbara-Kirche in Lasauvage war nach der vollzogenen Trennung von Kirche und Staat das erste Gotteshaus des Landes, das entweiht wurde, was Voraussetzung für eine neue Nutzung ist. Das geschah 2019. Die Kirche wurde für etwas mehr als zwei Millionen Euro aufwendig renoviert, ohne dass wirklich klar war, welchem Zweck sie in Zukunft dienen sollte. Die Kultur soll in ihr einen Platz bekommen, so zum Beispiel im vergangenen Herbst mit der Ausstellung „No Church in the Wild“. „Im Ausland werden frühere Kirchen schon seit längerem für andere Zwecke genutzt“, erklärt Martirosyan, „Luxemburg steht hier erst am Anfang des Prozesses“. In Belgien hat man Kirchen in Hotels umgewandelt, in Deutschland werden die Ex-Gotteshäuser inzwischen sogar als Diskotheken genutzt und im niederländischen Maastricht wurde eine Kirche spektakulär zum Bücherladen umgestaltet.

Die entweihte frühere Kirche Belval-Metzerlach
Die entweihte frühere Kirche Belval-Metzerlach Foto: Julien Garroy/Editpress

Eine solche Nutzung interessierte die Studentin aus Armenien weniger. Sie fokussierte sich auf Arbeitsplätze. Grundlage ihrer Masterarbeit war das Gesetz 7037 aus dem Februar 2018, das die Kirchenfabriken abschaffte und die Verwaltung religiöser Gebäude und Besitztümer regelt. Martirosyan fand heraus, dass seit 2019 immerhin 21 Kirchen respektive Kapellen entweiht wurden, zusammengenommen macht das 4.000 m2 Fläche, die anderweitig genutzt werden könnten. Sie machte sich auf den Weg und klapperte in vier Monaten alle 21 mit Bus und Bahn ab. So fand sie heraus, dass alle ehemaligen Gotteshäuser mit dem öffentlichen Transport erreicht werden können. Mit der Fotokamera dokumentierte sie den Zustand der Gebäude. „Die meisten waren leer und abgeschlossen“, erinnert sich die 24-Jährige. In Niederanven wurde die ehemalige St.-Josefs-Kirche als Sammelstelle für Kleiderspenden genutzt, in Kehlen war ein Fotostudio in der vormaligen Kapelle eingerichtet, in Reuland standen ein Tischfußball und ein Billardtisch dort, wo früher gebetet wurde.

DNA der Region

„Die 21 Kirchen und Kapellen eignen sich ideal zum Ausprobieren von Neuem, als Labor. Sie befinden sich in den Ortschaften meist zentral in bester Lage. Ihr geschichtlicher und kultureller Wert ist groß und sie verdienen es, erhalten zu werden. Sie gehören zur DNA der Region“, sagt Martirosyan und spielt dabei auf das Ausland an, wo entweihte Kirchen gerne dem Boden gleichgemacht werden, um Platz für Immobilienprojekte zu schaffen.

Deshalb hat sie in ihrer Masterarbeit die Barbara-Kirche von Lasauvage auf dem Papier regelrecht seziert und in einen Arbeitsplatz des 21. Jahrhundert umgewandelt. „Ich wäre schon froh, wenn man sich bei der zukünftigen Nutzung der Kirchen und Kapellen an meiner Arbeit orientieren würde“, sagt die Armenierin, die momentan für das LUCA (Luxembourg Centre for Architecture) volontiert, abschließend. Martirosyan hätte nichts dagegen, in Luxemburg zu bleiben und hier als Architektin zu arbeiten. Das hätte den Vorteil, dass sie die Entwicklung in der Nutzung von entweihten Kirchen im Auge behalten könnte. Schließlich könnten noch so einige Kirchen in Anbetracht des starken Rückgangs der praktizierenden Katholiken hierzulande hinzukommen.

„No Church in the Wild“ hieß eine Ausstellung im vergangenen Herbst in der Barbara-Kirche von Lasauvage
„No Church in the Wild“ hieß eine Ausstellung im vergangenen Herbst in der Barbara-Kirche von Lasauvage Foto: Editpress/Julien Garroy
JJ
28. Februar 2024 - 8.26

Kommt da nicht auch die Mutter der Armut,die heilige Teresa,her? Original Aussage: " Es immer wieder schön zu sehen wie die Armen ihr Leid ertragen.Sie erinnern mich immer an unseren Herrn JC der sein Leid am Kreuz ertrug." (Gemeint waren die Kranken in den Asylen der heiligen Mutter die auf Strohlagern versorgt wurden.) Sprach's und jettete nach NY in ein Luxushospital um sich dort behandeln zu lassen. Dass ein Großteil der weltweiten Spenden in den Kassen des Vatikan gebunkert wurden wird auch gern ignoriert. Also ja.Entweihung von leeren Kirchen zur Schaffung von Wohnraum ist eine echt gute christliche Tat.