Freitag31. Oktober 2025

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DeutschlandWahl-Vorbereitungen in der SPD

Deutschland / Wahl-Vorbereitungen in der SPD
SPD-Ko-Parteichef Lars Klingbeil strebt offenbar nach Höherem Foto: Odd Andersen/AFP

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Ob die Ampel den Herbst übersteht, ist offen. Es kann jederzeit losgehen mit dem Wahlkampf. In der SPD beginnt hinter den Kulissen das Stühlerücken. Im Mittelpunkt neben dem Kanzler steht auch Parteichef Lars Klingbeil. Er will eine entscheidende Rolle spielen – auch in der Zeit nach der Wahl.

Manchmal liegen große und kleine politische Momente nahe beieinander: In der Parteizentrale der türkischen Oppositionspartei CHP wird der Besucher aus Deutschland zu seiner Überraschung gleich nach Ankunft zu einem Platz an der Hofmauer geführt. Hier ist Hauskatze „Schero“ beerdigt. 20 Jahre wurde sie alt – und hat gleich drei Parteichefs begleitet. Schero war ein tierischer Star in den sozialen Medien.

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil ist zu Besuch bei der Schwesterpartei in Ankara. Der kleinen Szene an der Mauer in der Parteizentrale ist ein Besuch im Mausoleum des Staatsgründers Mustafa Kemal Atatürk vorausgegangen. An der imposanten Gedenkstätte legen Präsidenten, Regierungschefs und Minister bei Besuchen in der Türkei traditionell einen Kranz ab. So nun auch der SPD-Chef, der mit großem Aufwand vom CHP-Vorsitzenden Özgür Özel empfangen wird.

Ein wenig merkt man Klingbeil an, dass pompöse Kranzniederlegungen nicht zwingend zum Alltag eines Parteivorsitzenden gehören. Doch er wirkt auch so, als könnte er sich an diese außenpolitischen Rituale durchaus gewöhnen. Weit entfernt von Berlin ist die Krise der Ampel-Koalition ein wenig gedämpft.

Und der 46 Jahre alte Niedersachse genießt die Aufmerksamkeit bei internationalen Besuchen durchaus. Auch weil er sich die breitere Aufstellung der Partei vorgenommen hat. Die SPD soll im internationalen Verbund der progressiven Parteien wieder eine stärkere Rolle spielen, so stellt sich Klingbeil das vor.

Jeder setzt seine eigenen Prioritäten. Meine liegen aktuell bei der Rettung von Industriearbeitsplätzen, bei stabilen Renten für die Fleißigen in unserem Land und darauf, dass wir Deutschlands Wirtschaft wieder in Gang bekommen.

Lars Klingbeil, SPD-Ko-Parteichef

Und so besuchte er bislang unter anderem Brasilien, Namibia, Südafrika, Chile, die Mongolei, China, die USA, die Ukraine. Manch ein erfahrener Außenpolitiker in der SPD nennt das (über)-ambitioniert, doch Klingbeil hat sich damit ein internationales Netzwerk geschaffen. Wer weiß schon, wofür das mal gut sein kann.

Vor drei Jahren managte der Sohn eines Bundeswehrsoldaten als SPD-Generalsekretär den Bundestagswahlkampf. Das Rennen um das Kanzleramt startete mit bitteren Umfragewerten – und endete mit einem Comeback der Sozialdemokraten in Form von Olaf Scholz als Kanzler. Klingbeil stieg zum Parteivorsitzenden auf. Doch dann begann das Abrutschen in den Umfragewerten. Derzeit pendelt sich die Partei um 15 Prozent ein. Das reicht nicht, um das Kanzleramt zu verteidigen. Das historisch schlechte Ergebnis bei der Europawahl im Juni war eine miese Generalprobe für Generalsekretär Kevin Kühnert, der für den Wahlkampf verantwortlich war. Klingbeil will nun wieder entscheidend mitsprechen in der Wahlkampfplanung. Und auch außerhalb des Willy-Brandt-Hauses bringen sich SPD-Politiker in Stellung.

Ambitionen auf ein Ministeramt

Verteidigungsminister Boris Pistorius etwa hat gerade bestätigt, dass er sich 2025 um ein Direktmandat im Wahlkreis Hannover II bewerben will. Pistorius wird aufgrund seiner hohen Beliebtheitswerte immer wieder als Alternative zum Kanzlerkandidaten Scholz genannt. Arbeitsminister Hubertus Heil, ebenfalls Niedersachse, wirkt auch so, als würde er deutlich machen wollen, dass mit ihm weiter zu rechnen ist. Noch ist nicht klar, ob Fraktionschef Mützenich noch einmal für den Bundestag kandidiert. Klingbeils Co-Parteichefin Saskia Esken macht derzeit eine schwere Zeit durch. An ihrer öffentlichen Kommunikation gibt es Kritik. Nicht ganz so wohlmeinende Parteifreunde vermissen auch beim Politikwissenschaftler Klingbeil die ganz großen Linien. Klingbeil agiert eher pragmatisch, selten ideologisch.

Doch in der Partei wird auch geraunt: Sollte Scholz erneut Kanzler werden, wird Klingbeil seine Ambitionen auf ein Ministeramt deutlich machen. An ihm führe kaum ein Weg vorbei, heißt es. Und: Im Falle einer sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung unter einem CDU-Kanzler Friedrich Merz wäre Olaf Scholz wahrscheinlich nicht der, der die Partei in Gespräche führen würde. Hier würden die Männer aus Niedersachsen sich einigen müssen. Doch diese Konstellation will die SPD naturgemäß verhindern.

Mitte Oktober trifft sich die Partei zur Vorstandsklausur, damit beginnt die Wahlkampfplanung. Für die Parteiführung ist Scholz als Kanzlerkandidat im Herbst 2024 erstmal gesetzt. In der SPD glaubt man an die Chance, die ein persönliches Duell zwischen Oppositionsführer Merz und Scholz in sich birgt. Doch: Die Ermahnungen in Richtung des Kanzlers, die die Parteispitze nach den Wahlniederlagen öffentlich ausspricht, hat man auch im Kanzleramt durchaus vernommen. Die Luft wird gerade dünner und zwar für alle, die Verantwortung in der Regierungspartei tragen.

Was bringt der „Herbst der Entscheidungen“?

Die SPD-Spitze schaut mit Interesse auch auf die Entwicklungen beim grünen Koalitionspartner – und registriert Absetzbewegungen: „Ich denke, jeder registriert, dass die Grünen jetzt einen neuen Kurs einschlagen. Sie richten alles auf Robert Habeck aus und bieten sich stark der CDU an. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen der permanenten Ablehnung durch Markus Söder“, betont Klingbeil. „Man nutzt jetzt etwas panisch alle Hebel in Richtung Parteitag und Wahlkampf, um Schwarz-Grün als Wunschkonstellation zu manifestieren. Jeder setzt seine eigenen Prioritäten. Meine liegen aktuell bei der Rettung von Industriearbeitsplätzen, bei stabilen Renten für die Fleißigen in unserem Land und darauf, dass wir Deutschlands Wirtschaft wieder in Gang bekommen.“

Bleibt abzuwarten, wie die SPD dies mit einem liberalen Ampel-Partner realisieren will, der Subventionen für die Wirtschaft ablehnt und skeptisch auf das Rentenpaket schaut. Der „Herbst der Entscheidungen“ wird es zeigen. Scholz jedenfalls kann sich darauf einstellen, von der eigenen Partei in diese Richtung getrieben zu werden – auch gegen den Widerstand der FDP. Wohin das am Ende führt? Unklar.

In der CHP-Zentrale wohnt nun Katze „Zafer“. Übersetzt heißt das „Sieg“. Dass Klingbeils Team schon Ausschau nach einem Tier fürs Willy-Brandt-Haus als Maskottchen für den Wahltag sucht, wird dementiert. Noch. Doch gute Vorzeichen kann man in der SPD derzeit durchaus brauchen.