DeutschlandVorsondierung zwischen Grünen und der Union

Deutschland / Vorsondierung zwischen Grünen und der Union
Armin Laschet (2.v.l.) hofft noch, dass Annalena Baerbock und Robert Habeck ihm eine Chance geben. Oder wird Markus Söder (r.) eine Jamaika-Koalition aushandeln? Foto: Michael Kappeler/dpa

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Die Grünen fühlen auch für Jamaika vor. Die Chancen sind gering, doch die Option erhöht den Druck für SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Für Armin Laschet ist Jamaika die letzte Chance.

Er will es. Sie wollen es. Rein in die Regierung. Aber wollen Armin Laschet sowie Annalena Baerbock und Robert Habeck auch rein in dieselbe? Der Ort passt zu dieser Vorsondierung von Union und Grünen. Ein alter Gasometer. Dort wird gehämmert, gebohrt und geschweißt. Ein Bürohaus soll in dem grauen, historischen Stahlgerüst entstehen. Es ist laut und schmutzig. Während oben gewerkelt wird, sitzen unten im angrenzenden Café die Spitzen von CDU, CSU und Grüne bei Thüringer Bio-Schwein und Vegetarischem zusammen, um ihrerseits an den Chancen für eine Koalition zu zimmern. Schmutzig ging es bereits im Vorfeld zu, freilich auf Seite der Union. Der Druck im (Gas-)Kessel ist besonders für Laschet hoch.

Der Regen prasselt herab, als die Verhandlungsdelegationen an dem alten Backsteinbau am Fuße des Gasometers in Berlin-Schöneberg eintrudeln. Zuvor haben beide Seiten noch getrennt voneinander beraten, die Grünen im Restaurant „Grüns“, was passt. Die Unions-Granden sitzen in einer schmucklosen Veranstaltungshalle hinter hohen Rolltoren. Was ebenfalls passt angesichts des Wahlergebnisses bei der Bundestagswahl von 24,1 Prozent. Und der eher wenig erfolgversprechenden Aussicht, dass es tatsächlich zu einem Jamaika-Bündnis aus Union, Grünen und FDP kommen wird. Insider betonen, dass gegen Ende der Woche klar sein soll, wo es hingeht: Entweder blinkt die Ampel oder die Tickets für eine nächste Jamaika-Überfahrt können gebucht werden.

Die Union hat schon vor dem Treffen mit den Grünen Ballast mit an Bord. FDP-Vize Johannes Vogel hält CDU und CSU nach der schwarz-gelben Sondierung vom Wochenende vor, die vereinbarte Vertraulichkeit gebrochen zu haben. „Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!“, ärgert sich Vogel auf Twitter. Angeblich soll das Folgen haben. Wer redet, der fliegt aus dem Verhandlungsteam – und soll auch für ein Ministeramt nicht in Frage kommen, so die informelle Absprache unter den Parteien. Nach der schwarz-grünen Sondierung ein nächster Bruch der Vertraulichkeit. Bild erfährt: Die Grünen wollten bei den EU-Finanzen den Stabilitätspakt aufweichen, drängten bei der Migration unter anderem auf Seenotrettung und Familiennachzug. Jetzt twittert Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner: „Das fällt auf, liebe Union – und es nervt!“ Man kann auch fragen: Wer hat Interesse an den Durchstechereien? Wer will wem schaden? Soll Laschet die letzte Chance verbaut werde?

Als die Unterhändler um 11.00 Uhr zusammenfinden, muss das Unionsteam an den Journalisten vorbei. „Wie zuversichtlich sind Sie?“ Kanzlerkandidat Armin Laschet macht es knapp: „Regnet.“ Das Wetter des Tages entspricht irgendwie seiner Lage. „Regnet“, sagen auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther und Parteivize Thomas Strobl. Zuversicht klingt anders. Nur einer lässt sich etwas mehr entlocken, logisch, es ist CSU-Chef Markus Söder. „Man wird sehen“, raunt der bayerische Ministerpräsident. Wie immer bei Söder kann das alles und nichts bedeuten.

Prinzip Hoffnung

Nach gut zwei Stunden treten die Unterhändler Baerbock, Habeck, Laschet und Söder dann vor die Kameras. Laschet fängt an: „Die CDU hat diese Wahl nicht gewonnen.“ Trotzdem glaube er, dass die Lage „nicht so ist, dass Gegensätze nicht überwindbar wären“. Es klingt nach dem Prinzip Hoffnung. Söder spricht später von „viel Denksport für alle Beteiligten“, wie die Zukunft dieses Landes entwickelt werden könnte. Bei Klima könnte man zusammenkommen, bei Migration würde es schon schwieriger.

Wer Jamaika führt, da halten wir Grüne uns komplett raus

Robert Habeck, Grünen-Vorsitzender

Baerbock und Habeck lassen sich nach dieser nun bereits vierten Vorsondierung der Grünen nach zwei Runden mit der FDP, einem Abtasten mit der SPD und nun dem Gespräch mit der Union nicht wirklich in die Karten gucken. Ob sie jetzt parallel zur Ampel gleichzeitig auch über Jamaika verhandeln wollten oder sich besser für eine Richtung entscheiden? Baerbock betont, die Grünen wollten darüber nun in ihren Gremien und „in unserem Sondierungsteam“ beraten, die FDP werde gleichfalls „insgesamt“ die Gespräche erörtern. Habeck wiederum weicht der Frage aus, ob eventuell mit einer anderen Führungsfigur als Laschet bei der Union Jamaika für die Grünen wahrscheinlicher werden könnte. Die Grünen wollten „die innere Aufstellung von Parteien nicht kommentieren“. Habeck: „Wer Jamaika führt, da halten wir Grüne uns komplett raus.“ Man gehe aber davon aus, dass Laschet „der gesetzte Kandidat der Union“ sei.

Nach 166 Minuten am Druckkessel des Gasometers gehen die Sondierer von Union und Grünen wieder ihrer Wege. Baerbock und Habeck wollen sich bis Mittwoch Zeit nehmen, bevor sie bekannt geben, ob sie die Ampel auf Grün schalten. Das wäre dann auch ein Signal für Laschet. Vorfahren bis zur Haltelinie. Seine Ampel stünde dann auf Rot.