Auf den ersten Blick wirken die Büros von Tsume Art in der „Zone industrielle Rolach“ bei Sandweiler eher unscheinbar – wäre da nicht die riesige Statue eines Mantels und Schwerts, die auf dem Dach über dem Eingang thront. Die Szene stammt aus einem bekannten Manga und ist nur ein Vorgeschmack auf das, was Fans im Inneren erwartet. Seit 15 Jahren produziert das Unternehmen offiziell lizenzierte, detailverliebte Figuren aus der Welt von Anime, Manga, Comics und Gaming – und hat sich damit international einen Namen gemacht.

„Wir haben Kunden auf der ganzen Welt. Europa ist ein wichtiger Markt, aber wir bekommen auch viele Bestellungen aus Asien“, erklärt Marketing-Manager Cédric Szydlowski. „Der schwierigste Markt ist derzeit Amerika. Mit den Zöllen weiß man oft nicht, wie sich der Endpreis entwickelt.“
„Alle Prototypen werden hier entwickelt.“ Heute arbeiten rund 40 Mitarbeiter*innen am Standort in Luxemburg. „Als ich vor etwas mehr als zehn Jahren angefangen habe, waren wir noch neun“, erinnert sich Szydlowski. Zusätzlich nutzt das Unternehmen eine 2.000 Quadratmeter große Lagerfläche in Munsbach.
Doch Tsume Art produziert längst nicht mehr nur lokal. „In China betreiben wir eine eigene Produktionsstätte und arbeiten zusätzlich mit externen Partnern zusammen.“ Mehr als 100 Menschen sind dort für die Firma tätig. Der Austausch sei eng: Mehrmals im Jahr reist Firmengründer Cyril Marchiol persönlich nach China – so auch zum Zeitpunkt des Besuchs. Die Reisen dienen nicht nur der Projektabstimmung, sondern auch der Kontrolle der Arbeitsbedingungen. „Wir tragen Verantwortung für unsere gesamte Produktionskette“, betont Szydlowski.
Etwa zwei neue Statuen bringt Tsume pro Monat auf den Markt. Je nach Größe kosten sie zwischen 400 und mehreren tausend Euro. „Wir verändern gerade unsere Philosophie: mehr Franchises, mehr Vielfalt – aber geringere Stückzahlen.“ Ein Schritt hin zum Luxusprodukt.

Die Reise jeder Figur beginnt mit einer Zeichnung: In der 2D-Phase wird eine ikonische Szene festgehalten, die eine Geschichte erzählt oder einen besonderen Moment für Fans einfängt. Danach wird auf dieser Grundlage eine dreidimensionale Figur digital modelliert – ein Prozess, der fast an klassisches Tonformen erinnert, nur eben am Bildschirm. Je nach Komplexität dauert dieser Schritt zwischen fünf Wochen und mehreren Monaten.

Doch nicht nur Fans, auch die Lizenzhalter schauen genau hin. Tsume besitzt rund 40 Lizenzen – darunter Charaktere aus DC Comics, Harry Potter, Naruto und One Piece. Die Rechteinhaber begleiten den gesamten Entwicklungsprozess mit und prüfen jeden Schritt: vom ersten Entwurf über das 3D-Modell bis zum farbig finalisierten Prototyp.
Ein enger Zeitplan

Dass dabei alles im Zeitplan bleibt, liegt in den Händen von Artistic Director Saesa Kiyokawa. „Ich treibe hier alle an“, lacht sie. An der Wand ihres Büros zeigt eine Fortschrittsanzeige, wie weit die Projekte sind – Fotos sind hier tabu: „Alles streng geheim.“ Von der ersten Zeichnung bis zur fertigen Statue vergehen rund zwei Jahre, etwa ein Jahr davon entfällt allein auf die Entwicklung.

Die Herstellung der Prototypen findet in Luxemburg statt. Ein weiteres Team kümmert sich darum, die 3D-Modelle so aufzubereiten, dass sie in Einzelteilen auf Resin-3D-Druckern hergestellt werden können. Etwas mehr als ein Dutzend dieser Maschinen laufen nahezu pausenlos.

Nach dem Druck beginnt die Feinarbeit: Jedes Teil wird vorsichtig aus den Stützstrukturen gelöst und geschliffen. Je nach Größe kann das mehrere Stunden oder sogar Tage in Anspruch nehmen. Um den Überblick zu behalten, werden die Einzelteile in Kisten aufbewahrt. Erst wenn alle Elemente fertig sind, wird die erste unbemalte Figur zusammengesetzt.

Dann geht es weiter in die Malerei. Vier Künstlerinnen und Künstler bemalen dort jede Statue von Hand. Ziel ist es, die Originalfarben der Figuren möglichst genau zu treffen – und gleichzeitig lebendige Effekte wie Feuer oder Licht realistisch darzustellen.

„Die Produktion hier ähnelt der in China“, erklärt Szydlowski. „Dort orientiert man sich am Prototyp, den wir in Luxemburg erstellen.“ Für die Serienproduktion kommen in China zusätzlich Gussformen für die Kleinteile zum Einsatz – bemalt wird trotzdem weiterhin von Hand.
Sobald die ersten Figuren aus der Produktion eintreffen, werden sie in Luxemburg kontrolliert. „Wir testen zum Beispiel, ob die Verpackung den Versand aushält – indem wir sie die Treppe runterwerfen“, sagt Szydlowski und lacht. „Aber wenn so eine Figur am Ende vollständig aufgebaut vor einem steht, ist das immer ein besonderer Moment.“

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