Was als beiläufiger Schaufensterbummel beginnt, wird für Sonia und Silvio zu einer Zeitreise. Die Vernissage der Ausstellung „Verschwonne Gebäier“ führt die beiden Passanten in ein Esch, das es so nicht mehr gibt. Einst umgab eine Ringmauer die Stadt, der rote Turm im Stadtwappen war einer der vier Haupttürme, und die Alzette floss, wie in der Nationalhymne „Ons Heemecht“ besungen, draußen vor den Toren durch die Wiesen.
Doch die Vergangenheit hat noch mehr zu erzählen. Da war zum Beispiel das Kino „Nouveautés Palace“ am Brillplatz, heute das Stadttheater. Das einst prächtige Rathaus in der Alzettestraße, nun das Centre Mercure. Die beiden verschwundenen Kioske auf dem Gemeindeplatz. Die frühere Synagoge. Der asiatische Pavillon auf dem Gaalgebierg. Der erste Flughafen Luxemburgs in Lallingen sowie der alte Bahnhof. Und natürlich Schloss Berwart, von dem nur noch der Eingangsturm geblieben ist – als stiller Wächter vergangener Zeiten.
„Es war anders“
Die Ausstellung, die am Montag offiziell eröffnet wurde, ist eine wahre Schatzkiste voller Erinnerungen. Besucher können verschwundene und vergessene Gebäude wiederentdecken, die das Stadtbild und die lokale Geschichte geprägt haben. „Ob es früher besser war, wolle er nicht sagen, aber es war anders“, so Bürgermeister Christian Weis.
Die vielen Fotografien und erklärende Texte zielen darauf ab, das Bewusstsein für den ständigen Wandel des Stadtbildes und die Bedeutung der Erinnerung an diese Orte zu betonen. Jedes Exponat basiere auf akribischer Recherche und zeige die Entwicklung des urbanen Raums in einem neuen Licht, heißt es. Somit lädt die Ausstellung zu einer immersiven Reise in die Vergangenheit ein und regt gleichzeitig zum Nachdenken über den Schutz der Baukultur und der urbanen Identität an.
Hinter dem Konzept der Ausstellung steht das im Mai 2023 als „Departement für Historisches und Industrielles Erbe“ neu gegründete Escher Stadtarchiv. Es vereint ein klassisches Archiv, eine Photothèque und ein Industriearchiv. Es hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Geschichte von Esch zu bewahren und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu werden historische Fotografien und Dokumente katalogisiert und digitalisiert, oft unterstützt durch Schenkungen von Bürgern und Sammlern.
In naher Zukunft wird das Stadtarchiv an einem einzigen und neuen Standort zu finden sein: 1, Avenue des Terres-Rouges. Das ehemalige Verwaltungsgebäude der Arbed, gegenüber dem Konservatorium, war bis vor Kurzem Sitz der Firma Luxcontrol. Nach einer umfassenden Modernisierung werden dort auf rund 3.000 Quadratmetern die historischen Bestände unter optimalen klimatischen Bedingungen archiviert. Zudem soll ein Lesesaal Forschern und interessierten Bürgern die Möglichkeit bieten, vor Ort zu arbeiten. Erste Arbeitssitzungen finden dort bereits statt, in einigen Monaten können die Büros bezogen werden, so Yannick Kieffer, Historiker und Verantwortlicher des Stadtarchivs.
Die Ausstellung gebe schon jetzt einen Vorgeschmack darauf, was das neue Archiv mit seinen Sammlungen künftig bieten werde, erklärte Schöffe André Zwally bei der Vernissage am Montag.
„Bitte nichts wegwerfen“
Ein wirkliches Anliegen ist der Stadt das Sammeln historischer Dokumente. André Zwally appellierte deshalb an die Bürger: „Bitte werfen Sie nichts weg! Bringen Sie uns Postkarten, Fotos, Dokumente und ähnliche Erinnerungsstücke.“ Das neue Stadtarchiv sei an allem interessiert, das einen Bezug zur Geschichte Eschs habe. Diese Objekte sollen nicht in Vergessenheit geraten, sondern der Öffentlichkeit und künftigen Generationen zugänglich gemacht werden. Wer Fundstücke hat, kann sie in der Gemeinde abgeben oder auf Wunsch zu Hause abholen lassen. Nach der Digitalisierung werden sie den Eigentümern zurückgegeben. Weitere Informationen gibt es per Mail unter [email protected] oder telefonisch unter 2754-2400/2442.
Die Ausstellung „Verschwonne Gebäier“ ist jedenfalls jetzt schon eine einmalige Gelegenheit, die Geschichte Eschs neu oder einfach anders zu entdecken.
„Verschwonne Gebäier“
Wo: Alzettestraße, 98
Wann: Bis zum 26. April, von Montag bis Samstag, zwischen 14 und 18 Uhr
Freier Eintritt
De Maart









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