UneinigkeitVerfassungsrevision sorgt weiter für Diskussionen zwischen den Parteien

Uneinigkeit / Verfassungsrevision sorgt weiter für Diskussionen zwischen den Parteien
Ein kritischer Blick müsse auf die Titel der Kapitel geworfen werden, die noch „echt 19. Jahrhundert“ seien, sagt Alex Bodry.  Foto: Editpress/François Aussems

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Statt der großen Revision sollen nun 30 bis 40 Punkte der Verfassung schrittweise reformiert werden. In den meisten Punkten herrscht wohl Einigkeit zwischen den vier großen Parteien. Die CSV wehrt sich aber dagegen, dass die Staatsanwaltschaft künftig Teil der Judikative werden soll. Die DP lehnt ihrerseits das Prinzip ab, dass Eigentum verpflichtet. In der kommenden Woche wird die LSAP darüber abstimmen, ob ihr Fraktionsvorsitzender Alex Bodry in den Staatsrat wechseln soll oder nicht. Am Donnerstag hat Bodry aber noch zwei neue Punkte eingebracht. 

30 bis 40 Punkte der Verfassung sollen künftig reformiert werden. Dies bestätigte der Vorsitzende des Institutionenausschusses, Alex Bodry (LSAP), am Donnerstag nach der Kommissionssitzung. Um die Kohärenz des Textes zu gewährleisten, müssten aber sicherlich auch noch andere Punkte angepasst werden, sagte Bodry. Der frühere Präsident der Kommission, Paul-Henri Meyers (CSV), hatte am Donnerstag in einem Tageblatt-Interview Zweifel daran geäußert, dass die schrittweise Reform der Verfassung, die die vier großen Parteien kürzlich statt einer kompletten Revision beschlossen hatten, zu einem kohärenten Text führen werde.

Ein kritischer Blick müsse auf die Titel der Kapitel geworfen werden, die noch „echt 19. Jahrhundert“ seien, sagte Bodry. Souveränität werde nur im Zusammenhang mit dem Großherzog erwähnt, diese Konzeption sei längst veraltet.

Beginnen werde die schrittweise Reform wohl mit dem Kapitel über die Judikative und der Einführung eines „Conseil national de la justice“. In diesem Punkt seien sich alle Parteien einig. Differenzen gibt es aber noch in der Frage, ob die Staatsanwaltschaft künftig Teil der Judikative werden soll. Diese Regelung war in der großen Verfassungsrevision vorgesehen. Die Regierungsparteien sind dafür, doch die CSV wolle, dass die Staatsanwaltschaft weiter der Exekutive unterstehe, bestätigte der CSV-Abgeordnete Léon Gloden am Donnerstag. Es sei nun an der CSV, Vorschläge zu machen, wie man in dieser Frage weiter verfahren soll, forderte Bodry.

Minderheit soll Untersuchungsausschuss einsetzen können

Nach der Justiz soll der Block über die Institutionen reformiert werden. Bei den Punkten, die die Regierung betreffen, habe er vorgeschlagen, einfach die Abschnitte aus dem reformierten Text zu übernehmen, erklärte Bodry. Das sei viel einfacher als an dem alten Text herumzuflicken. Zu den Institutionen werden neben der Regierung und dem Großherzog auch das Parlament und der Staatsrat gezählt. Ein dritter Block betrifft die öffentlichen Rechte und Freiheiten.

Bodry selbst hat am Donnerstag noch zwei neue Punkte eingebracht. Einerseits soll künftig eine Minderheit im Parlament einen Untersuchungsausschuss einsetzen können. Bislang ist dafür noch eine Mehrheit im Parlament erforderlich. Nach der Reform würde es reichen, wenn ein Drittel der Abgeordneten dem Untersuchungsausschuss zustimmen.

Andererseits soll das Initiativrecht des Parlaments reformiert werden. Auch wenn es praktisch nicht mehr angewandt wird, hat laut der aktuellen Verfassung nur der Großherzog das Initiativrecht, Gesetzesprojekte vorzuschlagen, wie der Verfassungsrechtler Luc Heuschling am Mittwoch auf Radio 100,7 darlegte.

Uneins ist man sich vor allem noch in Fragen, die das Wahlrecht betreffen. Diese wurden aber mittlerweile aus der Reform ausgeklammert, wie Alex Bodry bestätigte. Die CSV wolle sich noch intern über die Reform des Wahlrechts beraten, sagte Gloden. Mit einer Entscheidung sei kurz- bis mittelfristig aber nicht zu rechnen.

Diskussionen könnte es noch zu dem Punkt geben, der vorsieht, dass der Staatschef ersetzt werden kann, wenn er seinen verfassungsrechtlichen Verpflichtungen nicht nachkommt, sagte Bodry.

DP lehnt „Eigentum verpflichtet“ ab

Der CSV-Abgeordnete Léon Gloden betonte, seiner Partei sei noch wichtig, dass der Großherzog künftig nicht mehr als Staatschef, sondern als Großherzog in der Verfassung stehe. Zudem seien auch die Koalitionspartner sich in manchen Punkten uneinig. Zum Beispiel habe die LSAP vorgeschlagen, den Satz „Eigentum verpflichtet“ aus dem deutschen Grundgesetz in die luxemburgische Verfassung einzuschreiben, meinte Gloden. Die DP sei aber damit nicht einverstanden. Der Vorschlag der Grünen, die Klimaneutralität in der Verfassung zu verankern, werde zwar von der CSV unterstützt, von anderen Parteien aber nicht, so Gloden.

Der Vorschlag von konsultativen Referenden, den die CSV im Juni dieses Jahres eingebracht hatte, scheint nun wieder vom Tisch zu sein. Die CSV verteidige diese „noble Idee“ zwar weiterhin, doch in der Politik müsse man Kompromisse eingehen, sagte Gloden.

Der linke Abgeordnete Marc Baum sprach am Donnerstag von einer fürchterlichen „politique politicienne“, die die großen Parteien betreiben würden. Sie würden sich selbst belügen, wenn sie behaupteten, die Lösung der schrittweisen Reform sei genauso gut wie die große Verfassungsrevision. Dabei sei jetzt noch nicht einmal die Frage nach der Struktur der neuen Verfassung geklärt, so Baum. Eben diese Struktur sei der Vorteil des neuen Textes gewesen, den die Regierungsparteien und die CSV kürzlich verworfen haben. Er könne noch immer nicht erkennen, welche inhaltlichen Einwände die CSV habe. Wenn es ihr nur um die Benennung des Großherzogs und um die Staatsanwaltschaft gehe, hätte man genauso gut bei der geplanten Revision bleiben und nur diese beiden Punkte diskutieren können, sagte Baum, der bedauerte, dass nun wieder auf Grundlage des Textes von 1868 und nicht auf Basis des Verfassungsentwurfs von 2018 diskutiert werde.

Die LSAP wird in der kommenden Woche darüber abstimmen, ob ihr Fraktionsvorsitzender Alex Bodry in den Staatsrat wechseln oder weiter im Parlament bleiben soll. Bodry ist der einzig verbleibende Abgeordnete, der die Verfassungsreform von Beginn an begleitet hat.