AVRVereinigung der Verkehrsopfer will Wiederholungstäter strenger bestrafen

AVR / Vereinigung der Verkehrsopfer will Wiederholungstäter strenger bestrafen
Raymond Schintgen, Präsident der Vereinigung der Verkehrsopfer (AVR): „Wir strafen Vergehen gegen die Corona-bedingten sanitären Auflagen mit 300 Euro, wer aber viel zu schnell fährt, kommt vergleichsweise glimpflich davon …“ Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Verstöße von Wiederholungstätern im Straßenverkehr will die „Association des victimes de la route“(AVR) strenger, aber auch pädagogischer bestrafen. Enttäuscht ist die 1989 gegründete Vereinigung der  Straßenverkehrsopfer darüber, dass die Staatsanwaltschaft keine Berufung gegen ein Urteil eingelegt hat, bei dem ein Wiederholungstäter den Tod eines Menschen verschuldet hat. Die Milde des Urteils sei ein Witz und ein falsches Signal, so Raymond Schintgen, Präsident der AVR.

„Einen schlechten Witz, eine Ohrfeige für die Angehörigen des Opfers“ nannte Raymond Schintgen das Urteil, das am 4. März gegen einen jungen Mann gesprochen wurde, der bei einem Verkehrsunfall im Jahr 2017 den Tod des Musikers Patrick Hartert verschuldet hat (das Tageblatt berichtete). Zu milde sei das Urteil, vor allem weil es sich beim Unfallfahrer um einen Wiederholungstäter handelt, der ohne im Besitz eines Führerscheins zu sein und viel zu schnell unterwegs war. Der Präsident der AVR („Associations des victimes de la route“) bleibt bei dieser Meinung. Besonders auch jetzt, wo feststeht, dass die Staatsanwaltschaft nicht gegen das Verdikt aus erster Instanz in Berufung geht.

Tageblatt: Enttäuscht es Sie, dass die Staatsanwaltschaft nicht in Berufung geht?

Raymond Schintgen: Also, wir sind ja nicht da, um ein Urteil zu kommentieren. Wir haben aber schon unsere Meinung und machen uns Gedanken. Ich habe ja auch bereits im März gesagt, dass das Urteil ein schreckliches Signal ist, vor allem an die Familie. Es ist schon sehr erstaunlich, dass Wiederholungstäter nicht verstehen, worum es geht und warum sie nicht schon früher zur Vernunft gebracht werden. Dann hätte dieser Unfall vielleicht verhindert werden können.

Wäre eine lange Haftstrafe in solchen Fällen angebracht? Oder eine Strafe mit pädagogischem Charakter?

Wird der Mensch durch Einsperren ein anderer? Ich denke nicht. Lernt er dadurch hinzu? Das denke ich auch nicht. Deshalb gibt es seit Jahren die Idee einer pädagogischen Strafe, auch, aber nicht nur für Wiederholungstäter. Ich denke, dass man gleich beim ersten Mal die Umstände eines Unfalls genau analysieren sollte und dementsprechend gegensteuern müsste.

Aber das gibt es heute weder bei uns noch im Ausland.

Stimmt. Ich verstehe aber nicht, dass jemand, der bewusst viel zu schnell gefahren ist, denn 120 Kilometer pro Stunde dort, wo 70 erlaubt sind, ist bewusst viel zu schnell gefahren. Vielleicht ist auch noch Alkohol im Spiel. Ich verstehe nicht, dass man diesem Menschen den Führerschein abnimmt, ihn ihm aber zurückgibt, bis das Gericht ein Urteil gefällt und über das Strafmaß entschieden hat. Bis zum Urteil kann dieser Mensch aber eigentlich normal durch die Gegend fahren. Ist das der richtige Weg?

Was wäre denn der richtige Weg?

Die Gesetzgebung müsste so sein, dass man dieser Person je nach Vergehen den Führerschein sofort abnehmen und einbehalten kann. Wäre das der bessere Weg? Meiner Meinung ja! 

Aber was wäre eine pädagogische Strafe?

Ich denke, dass es neben einer Prüfung, um den Führerschein wiederzuerlangen, durchaus auch denkbar wäre, dass der Unfallverursacher mit dem Leid der Opfer konfrontiert wird und dass er sich damit auseinandersetzen muss, dass er, weil er sich bewusst nicht an die Regeln im Straßenverkehr gehalten hat, großes Unheil angerichtet hat. Das ist an sich das, was wir gerne hätten. Es ist auch der Wunsch der Menschen, die hier in unserer Vereinigung arbeiten, dass den Automobilisten bewusst wird, welche Verantwortung sie tragen, wenn sie sich hinters Steuer setzen.

Die Vereinigung der Verkehrsopfer wurde 1989, also vor fast 30 Jahren, gegründet. Hat sich seither einiges verbessert? Ist das Bewusstsein der Autofahrer ein anderes?

Man muss abwiegen. Es gibt aber immer noch jene Autofahrer, die als Wiederholungstäter nichts hinzulernen und denen man schwerlich beibringen kann, dass ihr Verhalten so nicht geht. Jenen muss man effektiv eine Strafe aufhalsen, die schmerzt und die ein Signal gibt. Nämlich, dass man bei ihnen nicht weiter durch die Finger schaut und dass sie mit den Konsequenzen ihres Handelns leben müssen. Bei schweren Verkehrsvergehen in Deutschland scheren sich die Richter nicht darum, dass der Fahrer seinen Führerschein braucht, um zur Arbeit zu gelangen. In Frankreich auch nicht. Das geschieht hier eben nicht.

Also ein falsches Signal der Gerichte hier?

Meiner Meinung nach geben sie nicht das richtige Signal, vor allem nicht den Wiederholungstätern.

Die Vereinigung AVR ist gegründet worden, um Menschen, die Opfer eines Verkehrsunfalls wurden, auf verschiedenen Ebenen zu helfen. Was gehört heute alles zu ihren Aufgaben?

Wenn Menschen Opfer eines schweren Verkehrsunfalls werden, kommen sie entweder sofort zu uns, auch weil sie von der Polizei auf uns aufmerksam gemacht werden. Bei anderen dauert es länger, auch vielleicht aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes. Wie auch immer, sie stehen nach einem schweren Unfall oft vor einem Berg an Fragen und Problemen, beruflicher, finanzieller, juristischer und familiärer Natur. Hinzu kommt, dass Menschen, die unverschuldet Opfer eines Verkehrsunfalls werden, oft jahrelang auf ein Urteil, also unter anderem auch auf Entschädigung warten müssen. Während Jahren sind sie in Ungewissheit und leben in einer unmöglichen Situation, die sehr oft von Existenzängsten geprägt ist. Es ist vor allem in jenen Situationen, in denen wir versuchen, den Menschen zu helfen, damit sie bei ihren Schritten weiterkommen.

Das kann aber mitunter länger dauern?

Ja und es ist schade, dass unschuldige Verkehrsopfer immer wieder und mühsam ihr Recht einfordern müssen. Das ist für jeden, der sich damit beschäftigt, also auch unsere Leute hier bei der AVR, sehr mühsam: Wo stehen wir, was müssen wir anfordern, wo müssen wir eingreifen und uns melden? Was das für einen Aufwand bedeutet, sind sich oft auch jene Autofahrer, die einen Unfall verursacht haben, nicht bewusst. Vor allem nicht die Wiederholungstäter, die oft eigentlich nur darauf aus sind, ihr „normales“ Leben weiterzuführen oder wieder aufnehmen zu können und scheinbar kein wirklich schlechtes Gewissen haben. Wiederholungstäter sind Menschen, die endlich anfangen müssen, zu lernen. Es reicht nicht, sie einzusperren. Vielleicht müsste die finanzielle Strafe auch mal richtig wehtun?

Was bräuchte es denn noch, um den Opfern zu helfen?

Vor allem, dass es weniger lange dauert, bis es zu Entscheidungen und Entschädigungen kommt. Das gilt nicht nur für die juristischen Instanzen, sondern unter anderem auch für die Versicherungen. Da weiß das Opfer oft während langer Zeit nicht, ob und wenn ja, wann und wie viel Entschädigung bezahlt wird. So, wie es jetzt ist, ist meiner Ansicht nach vieles eine Katastrophe.

Was würde Ihrer Arbeit noch dienen?

Wir strafen Vergehen gegen die Corona-bedingten sanitären Auflagen mit 300 Euro, wer aber viel zu schnell fährt, kommt vergleichsweise glimpflich davon …

Also härtere Strafen?

Ja – und häufigere Kontrollen. Das müsste im Sinne einer besseren Vorbeugung noch ausgebaut werden.

Fruchten die ganzen Sensibilisierungskampagnen eigentlich, zum Beispiel auch die der „Sécurité routière“?

Alle, die in der Prävention arbeiten, in den jeweiligen Arbeitsgruppen, machen sich viele Gedanken. Manchmal frage ich mich, ob wir auf dem richtigen Weg sind, ob staatliche Stellen das überhaupt konsequent durchziehen wollen. Meiner Meinung nach könnten wir viel weiter sein, wenn wir auf verschiedenen Ebenen strenger durchgreifen würden.

Die Schweiz ist da strenger.

Wenn Luxemburger durch die Schweiz in Urlaub fahren, wissen sie, dass sie sich an die Regeln halten müssen, weil sonst die Gefahr groß ist, dass sie erwischt werden und dass es teuer werden kann. In Luxemburg ist es den Menschen oft egal.

Und dann?

Ich bin der Meinung, dass schwere Vergehen gegen die Verkehrsordnung schwer bestraft werden müssen. Das wäre ein Signal an all jene, die es mit dem „Code de la route“ nicht so ernst nehmen. Wer sich in ein Auto setzt und mit 200 über die Autobahn fährt, der muss sich bewusst sein, was er tut. Der macht das nicht einfach so aus. Wenn er das dann auch noch filmt und in den sozialen Netzwerken zeigt, dann müssen wir gar nicht mehr diskutieren. Da müssen die Strafen angepasst sein. Da muss ein Zeichen gesetzt werden, dass es so nicht funktionieren kann. Sonst bekommen wir das nicht in den Griff. Das gilt auch für Alkohol am Steuer. Auch da müsste härter durchgegriffen werden. Für mich sind der Konsum von Alkohol und Autofahren nicht in Einklang zu bringen. Die skandinavischen Länder sind da ein gutes, weil abschreckendes Beispiel. Hier kriegen wir das scheinbar nicht hin.

Das Urteil

Im Oktober 2017 verursachte der damals 23-jährige R.A. einen schweren Unfall mit Todesfolge. Deswegen ist er im März dieses Jahres in erster Instanz zu 48 Monaten Haft verurteilt worden, 42 davon auf Bewährung. Hinzu kommt ein Fahrverbot, das aus verschiedenen Vergehen resultiert und insgesamt acht Jahre beträgt, nur ein kleiner Teil davon ist ohne Bewährung. Zum Zeitpunkt des Unfalls besaß R.A. keinen Führerschein. Er war zu schnell unterwegs und das Unfallfahrzeug war geliehen.

de Schmatt
21. April 2021 - 19.43

@Jemp/ Sou Fuerderungen halen nët op, an zu recht, sou lang ët sou Toperten op eise Stroosse gëtt. Hoffentlech gehéier Dir nie zu derarteg traumatiséiert Leit, déi e Kand, e Papp, eng Mamm, eng Fra asw. onschölleg duerch en Akzident verluer hunn oder verléieren.

De Velosfuerer
21. April 2021 - 18.39

A wat as dann mam Patronat dat Chauffeur Livreur duerch d´Land hetzt mat Aufgaben dei normal net bewältegen sin. Do traut direch net drun?

Jemp
20. April 2021 - 20.35

Bei allem Ierger iwwert esou Toperten, muss een sech awer bewosst sinn, das e Geriicht keng "Rache-Institutioun" ass, mee Recht sprecht. Ann och nach dat heiten: Esou Fuerderunge héiere bekanntlech nie op. Wann déi aktuell Fuerderungen erfellt sinn, fannen derarteg traumatiséiert Leit neier, bis zur Absurditéit.

Nomi
20. April 2021 - 10.57

O, dei' Stroofen an eng Reedukatio'un wo'u hei rieds geht betreffen awer nemmen d'Taeter ! Et wir awer och wichteg di zukuenftech Taeter och mat ze edukei'eren fir dass et net do och zum Akzident kennt an onschelleger getraff sinn ! Dann kenne Akzidenter wierklech verhennert ginn ! Dofir muss all Akzident innerhalh vun 2 Deeg, an der P=ress thematisei'ert gin, an provisoresch, (juristesch net bindend) Ursachen rausschie'len an publizei'eren !

de Schmatt
20. April 2021 - 9.57

Ganz recht so, Wiederholungstäter haben nichts hinzugelernt und sollten für ihre Uneinsichtigkeit entsprechend wesentlich höher bestraft werden. Die Strafen müssen echt wehtun. Mit Prävention und Appell an die Vernunft allein ist es leider nicht getan. Allzuviele glauben, die Gesetze gelten nur für die andern. Dann müssen sie halt eines Besseren belehrt werden.