Umstrittene Sauenanlage: „Keine Genmanipulation am Kuelbecherhaff“

Umstrittene Sauenanlage: „Keine Genmanipulation am Kuelbecherhaff“
Die Anfang der 1980er Jahre geplante Test- und Selektionsstation stand von Anfang an in der Kritik.

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Genmanipulation werde in der seit jeher umstrittenen Sauenanlage „Kuelbecherhaff“ nicht betrieben, sagt der Veterinär Jean Schoos. Doch der Betreiber Convis bezieht seine Sauenlinie von einem Unternehmen, das bereits vor zehn Jahren mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert war.

Wie wir bereits am vergangenen Samstag berichtet hatten, wird die Sauenproduktionsanlage auf „Kuelbecherhaff“ aus Rentabilitätsgründen und wegen baulicher Unzulänglichkeiten bis Ende des Jahres geschlossen, während die Besamungsstation dort weiter in Betrieb bleibt.

Die Anfang der 1980er Jahre von der Bauernzentrale geplante Test- und Selektionsstation zur Wiederbelebung der luxemburgischen Schweineproduktion auf „Kuelbecherhaff“ stand von Anfang an in der Kritik. Als die Planungen begannen, gründete sich ein vom „Mouvement écologique“ unterstütztes Aktionskomitee. Mehrere Einsprüche im Rahmen der Kommodo/Inkommodo-Prozedur und Klagen führten dazu, dass die Anlage erst Anfang der 1990er Jahre gebaut wurde und deutlich kleiner ausfiel als ursprünglich geplant. Noch 1991 erhoben sechs Berufsorganisationen aus der Landwirtschaft gemeinsam Einspruch gegen das Projekt der Bauernzentrale. Sie vermuteten, dass der Promotor eine „riesige Schweine- und Kälbermästerei“ errichten wolle, um „seine Futtermittelfabrik und seinen Schlachthof zu rentabilisieren“, deshalb dürfe es nicht vom Landwirtschaftsministerium subventioniert werden.

2005 übernahm der Staat die Anlage und vermietete sie an die aus der Fusion des „Service élevage et génétique“ (SEG) der Bauernzentrale und dem Herdbuchverband hervorgegangene Gesellschaft, aus der später Convis entstand.

Wie der Veterinär und ADR-Präsident Jean Schoos gestern dem Tageblatt bestätigte, arbeitet die Luxemburger Tierzuchtorganisation Convis seit über zehn Jahren mit dem multinationalen Unternehmen Choice Genetics zusammen, von dem Convis die Naïma-Sau bezieht, die durch „ihren hohen sanitären Status und ihre Topgenetik“ besteche.

Patent auf Rasse mit Fettleibigkeitsgen

Choice Genetics ist laut eigenen Angaben ein internationales Zuchtunternehmen im Bereich der Schweinegenetik, das „weltweit agiert, um Schweinezüchter bei ihrem Wunsch nach maximaler Effizienz, Leistung und maximalem Ertrag zu unterstützen“. Choice Genetics ist aus der Fusion von Newsham und Pen Ar Lan hervorgegangen, die 2008 bzw. 2011 von Grimaud übernommen wurden. Die Grimaud-Gruppe gehört laut Konzernatlas der Heinrich-Böll-Stiftung zu den fünf umsatzstärksten Unternehmen im Bereich der Tiergenetik. Der amerikanische Konzern „Newsham Choice Genetics“ ging laut Berichten der Süddeutschen Zeitung im Herbst 2007 aus einer Übernahme der Firma Monsanto Choice Genetics, den auf Schweinezucht spezialisierten Geschäftsbereich des amerikanischen Agrarkonzerns Monsanto, durch den Konzern Newsham Genetics aus West Des Moines im US-Bundesstaat Iowa hervor. Newsham Choice Genetics war anschließend laut Wochenzeitung Die Zeit in die Schlagzeilen geraten, weil es das Patent auf eine Schweinerasse mit einem bestimmten Fettleibigkeitsgen angemeldet hatte. Greenpeace hatte gegen das Patent Einspruch eingelegt und 2010 recht bekommen.

Forschung im Bereich der Molekulargenetik

Zudem arbeitet Choice Genetics in den Niederlanden und Belgien mit der Firma RA-SE Genetics zusammen, die ihrerseits Forschung im Bereich der Molekulargenetik betreibt. Die von der Organisation „VegInfo Luxembourg“ kürzlich auf Facebook gestellte Frage nach „Genmanipulation“ auf dem „Kuelbecherhaff“ wies das ehemalige Convis-Vorstandsmitglied Jean Schoos aber zurück. Der genetische Fortschritt werde „ganz klassisch“ über den Import von Ebersamen erzielt. Genetische Eingriffe im Bereich der Zucht seien in Europa nicht erlaubt. Es würden lediglich Genomanalysen durchgeführt, um Voraussagen über die zukünftige Qualität der Tiere machen zu können und Erbkrankheiten auszuschließen, sagte Schoos, der die Anlage „Kuelbecherhaff seit 15 Jahren als Veterinär begleitet. Die Stärke der Naïma-Sau liege darin, dass sie zwar nicht so viele Ferkel wie andere Hochleistungssäue bekomme, doch dafür seien ihre Ferkel überlebensfähiger als beispielsweise bei der sogenannten „Turbosau“ aus Dänemark, sagte Schoos.

Die Sauenanlage am „Kuelbecherhaff“ gehört der Betreibergesellschaft „Kuelbecherhaff S.A.“, die seit zwei Jahren vollständig im Besitz von Convis ist. Der einstige Hauptaktionär, die F+W Holding GmbH & Co., eine Holding der Fleming + Wendeln GmbH & Co. KG, die u.a. Tiernahrung aus brasilianischen Soja-Importen, organischen Dünger und Pestizide an mehreren Standorten in Deutschland vertreibt, ist laut Schoos 2016 ausgestiegen.

Die bauliche und energetische Sanierung des „Kuelbecherhaff“ würde laut Schoos rund 1 Million Euro kosten. Doch weil der Landwirtschaftsminister kein Interesse an einer Sanierung habe, müsse Convis die Anlage schließen. Die Produktion am „Kuelbecherhaff“ werfe nicht genug ab, um die Gebäude eigenständig zu sanieren. Ob eine neue Anlage gebaut wird, sei noch unklar, so Schoos. Vorerst müssten die Bauern, die mit dieser Zuchtlinie arbeiten, Jungsauen von Grimaud aus Frankreich importieren.