Montag3. November 2025

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AutokratieTrump und der Schatten des Faschismus

Autokratie / Trump und der Schatten des Faschismus
Mitglieder des Ku-Klux-Klans beteiligten sich am 23. April 2016 an einer Kreuzverbrennung nach einer Kundgebung im ländlichen Paulding County im US-Bundesstaat Georgia Foto: AP/John Bazemore

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Die sogenannte Faschismus-Debatte und die Frage, ob Donald Trump ein Faschist sei, kam bereits während dessen erster Amtszeit auf. Der Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 und die ersten Monate der zweiten Amtszeit haben die Verfechter dieser These bestätigt.

Im Gespräch mit dem Journalisten Bob Woodward brachte es Mark A. Milley auf den Punkt: „Donald Trump ist ein Faschist durch und durch“, sagte der pensionierte General. „Niemand war jemals so gefährlich für dieses Land wie er.“ Schon in den vergangenen Jahren war immer wieder darüber diskutiert worden, ob Trump ein Faschist sei. Seine Politik, sein Regierungsstil und seine Äußerungen, seine „bewusste Entmenschlichung ganzer Gruppen von Menschen“, bemerkt die US-Historikerin und Journalistin Anne Applebaum, aber auch die Kultivierung seines Persönlichkeitskults könnten aus einem Handbuch für Faschisten stammen. Im Rahmen einer Umfrage von ABC/Ipsos sagten 49 Prozent der Befragten, dass sie Trump für einen Faschisten hielten – zehn Prozent davon würden ihn trotzdem wählen.

Trump ähnle rechtsextremen Populisten wie dem indischen Premierminister Narendra Modi oder dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, die behaupten, das Volk einzig und allein zu vertreten, ihre politischen Gegner als Verräter delegitimieren und Hass gegen bereits gefährdete Minderheiten schüren, schreibt der deutsche Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller. Einer, der früh Parallelen zwischen Trump und dem europäischen Faschismus sah, ist der US-Historiker Timothy Snyder. Der Autor von Büchern wie „Bloodlands. Europa zwischen Hitler und Stalin“ (2011), „Über Tyrannei“ (2017) und „Über Freiheit“ (2024) wies darauf hin, dass Trump wie einst Hitler die Demokratie von innen aushöhle und um sich herum einen gewaltbereiten Kult errichte. Snyders Kollege Robert Paxton, lange Zeit vorsichtig in seiner Einschätzung, nennt den 6. Januar 2021 als entscheidende Zäsur. Andere hielten das Label „Faschist“ für unpassend.

Trump steht nicht nur für einen Bruch sowohl in der amerikanischen Innen- als auch in der Außenpolitik, nicht zuletzt die transatlantischen Beziehungen betreffend. Dies verdeutlichte sein Vize J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar. Mit Russlands Präsident Wladimir Putin hat Trump die Ablehnung jeder emanzipatorischen Politik und die mythische Verklärung einer vermeintlich goldenen Vergangenheit gemeinsam. „Make America Great Again“ und Trumps Ambitionen bezüglich Grönland und Kanada passen zu Putins imperialistischen Plänen einer großrussischen Wiederauferstehung. Trump fährt eine Doppelstrategie. Im Vergleich zu seiner ersten Amtszeit betreibt er einen administrativen Putsch und, vorangetrieben von seinem Chefberater Elon Musk, den Umbau des Staates. Behörden werden demontiert, Beamte gefeuert, ohne Rücksicht auf Parlament oder Justiz.

Inwiefern ist diese politische Praxis faschistisch? Eine bekannte Definition des Faschismus ist die des italienischen Schriftstellers Umberto Eco. Gleicht man Trumps Politik mit Ecos „14 Merkmalen des Urfaschismus“ aus dessen 1995 gehaltenem Vortrag „Der ewige Faschismus“ ab. Dazu gehören: 1. Kultur der Tradition, 2. Ablehnung der Moderne, 3. Kult der Aktion um Aktion Willen, 4. Ablehnung von Kritik, 5. Ablehnung von Meinungsvielfalt und Pluralismus, 6. Entstehen durch individuelle oder soziale Frustration, 7. Nationalismus und Besessenheit von der Existenz einer Verschwörung gegen die Identität, 8. Behauptung, Fremde würden bevorzugt, 9. die Behauptung, das Leben sei ein kompromissloser Kampfeswillen, 10. ausgeprägtes Elitedenken, 11. Heroismus und Erziehung dazu, 12. Frauen-, Homosexuellen- und Transfeindlichkeit, 13. Populismus der Mehrheit, 14. Neusprache.

Bruch und Kontinuität

Auf welche amerikanischen Traditionen beruft sich Trump mit seiner „MAGA“-Bewegung? In welcher Tradition steht sie? Was ist die Kontinuität? Der „MAGA“-Slogan kam schon bei dem republikanischen Präsidenten Ronald Reagan in den 1980er Jahren vor, ist aber noch älter. Der kanadische Historiker Quinn Slobodian erkennt bei Trump eine „Konvergenz dreier politischer Strömungen“: der Wall-Street/Silicon-Valley-Nexus, der einen schlanken Staat vertritt und sich auf die Maximierung der Kapitalrendite konzentriert; das von konservativen Thinktanks propagierte Ziel eines „gefesselten Staates, der nicht in der Lage ist, soziale Gerechtigkeit zu fördern“; schließlich eine Strömung, die vorsieht, dass der zerrüttete Staat „die Regierungsgewalt an konkurrierende Projekte dezentralisierter Privatherrschaft abtritt“. Der Trumpismus sei eine hybride Form zwischen US-Tradition, Tech-Akzelerationismus und neuen internationalen Allianzen.

Robert Paxton schreibt in seinem Buch „The Anatomy of Fascims“ von einem politischen Verhalten, das „durch eine obsessive Beschäftigung mit dem Niedergang der eigenen Gemeinschaft, ihrer Demütigung oder Opferrolle sowie durch kompensatorische Kulte von Einheit, Stärke und Reinheit gekennzeichnet ist, in denen eine Partei nationalistischer Kämpfer, die in loser, aber effektiver Zusammenarbeit mit den traditionellen Eliten arbeitet, demokratische Freiheit aufgibt und mit messianischer Gewalt und ohne ethische oder rechtliche Beschränkungen Ziele der internen Säuberung und externen Expansion verfolgt“. Den Sturm auf das Kapitol nennt er einen „faschistischen Akt“. Eine Doktrin braucht Trump nicht. Ihm geht es um die Praxis. Auch Italiens Diktator Mussolini hatte einst gesagt: „Wir Faschisten haben keine vorgefertigte Doktrin, unsere Doktrin ist die Tat.“

Als zentraler Stützpfeiler des Faschismus kann die Beziehung zwischen einer zumeist charismatischen Führungsfigur und seiner bis zur Selbstaufgabe neigenden Gefolgschaft bezeichnet werden. Selbst „skurrile Figuren“, schreibt der deutsche Politologe Claus Leggewie, können binnen kurzer Zeit, heute verstärkt durch die wesentliche Rolle der Massenmedien und sozialen Netzwerke, einen riesigen Zulauf gewinnen. In diese Traditionslinie passe Trump durchaus. Leggewie nennt drei weitere Kernelemente: „seine politische Theologie, sein männlicher Chauvinismus und seine ultranationalistische und imperiale Fundierung“. Auch bei Putin seien diese faschistischen Züge erkennbar.

Vom Ku-Klux-Klan zu Trump

Die amerikanische Schriftstellerin und Literaturwissenschaftlerin Sarah Churchwell analysiert in ihrem Essay „Der amerikanische Faschismus: Vom Ku-Klux-Klan zu Trump“ (2020) diesen in Bezug zur Tradition faschistischer Organisationen in den USA. Sie betont, dass der Faschismus nicht von außen komme, dass jede seiner Versionen eine eigene lokale Identität haben müsse; wie Robert Paxton bereits konstatierte, dass sich der Faschismus über seine Praxis bestimme und immer wiederkehrende gemeinsame Züge aufweise, eine davon sei „die Nostalgie nach einer reineren, mystischen, oft ländlichen Vergangenheit“. Diese Kultur ist in den USA bestens ausgeprägt – inklusive der paramilitärischen Gruppen sowie der Delegitimierung und Dämonisierung der politischen Gegner, der Intellektuellenfeindlichkeit, der Antimodernität und der Fetischisierung der patriarchalen Maskulinität bis hin zur allseits bekannten Stilisierung in der Opferrolle und der Vorstellung von einer Säuberung.

In schlechter Tradition
In schlechter Tradition Foto: Stefan Kunzmann

„Wenn der Faschismus nach Amerika kommt, wird er sich in die Fahne hüllen und ein Kreuz tragen.“ Dieses fälschlicherweise oft dem US-Schriftsteller Sinclair Lewis zugeschriebene Zitat stammt von dem Autor James Waterman Wise. Demnach würde der amerikanische Faschismus amerikanische Symbole und Slogans verwenden. „Erwarten Sie nicht, dass die das Hakenkreuz hochhalten“, so Wise. Bevor es die Nationalsozialisten in Deutschland gab, war 1865 der Ku-Klux-Klan in Tennessee entstanden. Der afroamerikanische Dichter Langston Hughes schrieb: „Gebt Franco eine Kapuze und er wäre ein Mitglied des Ku-Klux-Klans.“ Der berühmte Historiker und Soziologie, Philosoph und Journalist W.E.B. Du Bois wies darauf hin, dass die White Supremacy, die Idee von der weißen Vorherrschaft, durchaus als Faschismus betrachtet werden könne. In den 1930er Jahren gab es in den USA unter anderem die „Friends of the Hitler Movement“, aus denen die „Friends of New Germany“ wurden. Die Journalistin Dorothee Thompson stellte fest, dass der Faschismus bei seinem Aufkommen in den USA allzu vertraut amerikanisch wirken würde – und ein amerikanischer Diktator würde für alles traditionell Amerikanische stehen.

Ein rechtsextremer Aktivist und Verschwörungstheoretiker war James True. Von ihm stammte das Label America First. Eine Galionsfigur des America First Committe war der Flugpionier Charles Lindbergh. Er war zudem ein exponierter Vertreter des Isolationismus und der America-First-Bewegung. Und er war ein Antisemit und NS-Sympathisant. Zwar dürfte sich Trump nur wenig mit der Geschichte befassen, vermutet Sarah Churchwell. „Aber jemand in seinem Umfeld tut es ganz offensichtlich“, so die Autorin. Wohlgemerkt erschien Churchwells Essay drei Jahre, bevor im Juli 2023 die Pläne der rechten Denkfabrik Heritage Foundation für das Regierungsprogramm „Project 2025“ bekannt wurden. Und fast fünf Jahre vor Trumps Machtergreifung – Pardon: Amtsantritt.

Campagna Norbert
10. Mai 2025 - 21.52

Lesetipp: Lewis Sinclair, It can’t happen here. In diesem Roman wird gezeigt, wie auch Amerika den Weg beschreiten kann, den Europa zur Zeit der Veröffentlichung des Romans eingeschlagen hatte, in Italien, Deutschland und Spanien. Mag also auch das Zitat nicht von Lewis Sinclair sein, so doch die Thematik.