Kooperationsmission in LaosTödliche Relikte: Xavier Bettel stattet Räumkommando Besuch ab

Kooperationsmission in Laos / Tödliche Relikte: Xavier Bettel stattet Räumkommando Besuch ab
Kooperationsminister Xavier Bettel machte sich am Dienstag vor Ort ein Bild von der gefährlichen Arbeit der Bombenentschärfer Foto: MAEE

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50 Jahre nach Ende des laotischen Bürgerkrieges bedrohen Tonnen an Streumunition und anderen Sprengkörpern den Alltag der Menschen in Laos und hindern das Land an einer sinnvollen Nutzung seines gesamten Staatsgebietes. Luxemburg hilft über das „UXO Lao“-Programm beim Räumen der Sprengsätze. Ein Besuch vor Ort.

Ein schwarzer Geländewagen verschwindet in einer orange-braunen Staubwolke. Eine Mischung aus Dreck, getrockneter Erde, Sand und Schotter sorgt dafür, dass sich der Fahrer des dahinter fahrenden Minibusses eher auf seinen Instinkt als auf seine Augen verlassen kann, um dem Wagen folgen zu können. Der Geländewagen und der Jeep sind jedoch nur zwei Wagen einer Fahrzeugkolonne, die sich ihren Weg durch das Dickicht des laotischen Hinterlandes in der Provinz Luang Prabang bahnt.

Laos – eine Nation, die als einziges Land ohne Meereszugang in Südostasien um seinen Platz in der Region kämpft. Es ist umzingelt von China, Myanmar, Thailand, Kambodscha und Ländern, die mit einer Gesamtbevölkerung von fast zwei Milliarden Menschen wahre Schwergewichte im Vergleich zu Laos sind. Ein Land umgeben von großen Nachbarn – die Parallelen zu Luxemburg sind schnell gezogen. Die Voraussetzungen sind jedoch gänzlich andere: Während Luxemburg nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine wirtschaftliche Erfolgsgeschichte geschrieben hat, kämpft Laos noch heute mit den Nachwehen des Krieges, der das Land von 1953 bis 1975 überzog. Ein Grund von vielen, weshalb Laos 1997 als Partnerland für die Luxemburger Kooperation auserwählt wurde.

Es ist der Luxemburger Kooperationsminister Xavier Bettel (DP), der in dem schwarzen Jeep sitzt. Er ist am Dienstag zusammen mit der Luxemburger Delegation zu einem 40 Minuten von der Provinzhauptstadt Luang Prabang entfernten Acker unterwegs. Die Straße auf dem Weg dorthin ist gut befahrbar, nur die letzten 15 Minuten führen durch ein für den Minibus der Pressemitglieder eigentlich unpassierbares Gelände. Die strahlende Sonne und sommerliche 30 Grad machen den ernsten Anlass des Besuches im laotischen Dschungel fast vergessen. Aber nur fast. Denn: Kooperationsminister Bettel ist unterwegs zu einem Feld, das als Zeitzeuge der Bombardierungen Laos’ im Verlauf des Krieges bis heute eine tödliche Falle für Mensch und Tier darstellt.

Das Feld, das die Luxemburger Delegation am Dienstag besucht, sieht auf den ersten Blick wie ein normaler Acker aus. Rote Fähnchen und farbige Absperrungen aber teilen das Areal in gesicherte und ungesicherte Bereiche ein, die die Räumungsdienste systematisch nach Sprengsätzen absuchen.
Das Feld, das die Luxemburger Delegation am Dienstag besucht, sieht auf den ersten Blick wie ein normaler Acker aus. Rote Fähnchen und farbige Absperrungen aber teilen das Areal in gesicherte und ungesicherte Bereiche ein, die die Räumungsdienste systematisch nach Sprengsätzen absuchen. Foto: Sidney Wiltgen

Über zwei Millionen Tonnen Bomben

Auf dem Weg zum mit Streumunition übersäten Feld passiert der Tross mehrere Dörfer und Acker, auf denen Büffel grasen oder Bauern gerade die nächste Saat vorbereiten. Sie sind der Grund, warum sich die Luxemburger Delegation am Montagmorgen ihren Weg durch den Dschungel bahnt. Mehr als zwei Millionen Tonnen an Bomben sind zwischen 1959 und 1975 im Verlaufe des Proxy-Krieges der globalen Supermächte über dem südostasiatischen Land abgeworfen worden. Das ist mehr, als über Japan und Deutschland während des Zweiten Weltkrieges zusammen niedergegangen sind. Neben gezielten Bombardements mit Cluster-Bomben wurden auch unzählige Minen und Munition über Laos abgeworfen, um den für den Landeanflug sonst zu schweren Bombern die Landung zu ermöglichen.

Die laotische Bevölkerung? Ziel und einkalkulierter Kollateralschaden zugleich. Mit tödlichen Konsequenzen, auch 50 Jahre nach Ende des Krieges: Im noch jungen Jahr 2024 sind bei drei Vorfällen bereits drei Personen ums Leben gekommen. Denn: Bis heute schlummern unentdeckte, nicht explodierte Bomben im Boden der Felder und Wälder von Laos. Schätzungen gehen davon aus, dass ein Drittel der über Laos abgeworfenen Bomben nicht detoniert ist – und es somit zu jederzeit noch tun können. Die Sprengsätze stellen jedoch nicht nur eine imminente Lebensgefahr für die laotische Bevölkerung dar, auch sind sie ein Hindernis für die Entwicklung des Landes. Bevor ein Feld landwirtschaftlich genutzt werden kann, muss es – besonders in den ausgewiesenen Gefahrenzonen – von potenziellen Sprengkörpern befreit werden.

Die Streubombe ist ein kugelrunder Sprengsatz, der mit weiteren kleineren Bleikugeln gefüllt ist. Bei der Explosion fügen diese als auch die äußere Hülle schwere Verletzungen zu. Streumunition liegt in einer Tiefe von bis zu 50 cm begraben und kann von Bauern beim Umpflügen zum Explodieren gebracht werden – mit tödlichen Folgen.
Die Streubombe ist ein kugelrunder Sprengsatz, der mit weiteren kleineren Bleikugeln gefüllt ist. Bei der Explosion fügen diese als auch die äußere Hülle schwere Verletzungen zu. Streumunition liegt in einer Tiefe von bis zu 50 cm begraben und kann von Bauern beim Umpflügen zum Explodieren gebracht werden – mit tödlichen Folgen. Foto: Sidney Wiltgen

Ein Vorhaben, das Zeit und Geld kostet. Im Rahmen des Local Development Program der Luxemburger Entwicklungshilfe LuxDev investiert Luxemburg in den Aufbau von landwirtschaftlichen Nutzflächen und Infrastruktur in entlegenen Gegenden des Laos. Eine Million Euro hat Luxemburg deswegen in das Lao National Unexploded Ordnance Program (UXO Lao) investiert. Mithilfe der Gelder wird nutzbare Fläche in neun Provinzen des Landes nach und nach von Munition befreit. Fast 54.000 Hektar konnten mithilfe des Programms mittlerweile zur kommerziellen oder landwirtschaftlichen Nutzung freigegeben werden. Fast zwei Millionen noch scharfe Sprengkörper wurden auf dieser Fläche gefunden und entschärft. UXO Lao ist aber auch bei der Risikoprävention tätig: Mittlerweile waren die Räumungsexperten in mehr als 14.000 Dörfern, um die dortige Bevölkerung über die Risiken ungeräumter Felder zu informieren. Wie viele Tote dadurch vermieden werden konnten, lässt sich unmöglich sagen.

50.715 weitere Hektar Land wurden von dem nationalen Entschärfungsprogramm als Gefahrenzonen ausgewiesen. Das ist in etwa ein Fünftel der Fläche des Großherzogtums. Etwas mehr als ein Drittel dieser Flächen konnte mittlerweile entschärft werden, jährlich können in etwa 3.000 Hektar freigegeben werden. Um die bisherigen ausgewiesenen Gefahrenzonen in den Provinzen zu säubern, bräuchte es theoretisch zehn Jahre. Für ein Land mit einer Fläche von 23.680.000 Hektar ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn: Nicht nur werden in Zusammenarbeit mit lokalen Landbesitzern und entlegenen Dörfern immer noch weitere Gefahrenflächen identifiziert, auch können derzeit nur Felder oder offene Flächen von der Streumunition befreit werden. Die Wälder bleiben bis auf Weiteres wohl noch eine permanente Gefahrenzone.

Hotelschule in Vang Vieng

Luxemburgs Entwicklungshilfe in Laos setzt an gleich mehreren Punkten an. Neben der finanziellen Hilfe zur Bombenräumung ist Luxemburg insbesondere im Gesundheitssektor und im Tourismus aktiv. Mithilfe von Luxemburger Geldern wurde in Vang Vieng eine Hotelschule errichtet und weiter ausgebaut. Mit überragendem Erfolg. 100 Prozent der Schüler, die ihren Abschluss an der Hotelschule ablegen, finden nachher auch eine Anstellung, wie Tony Donovan von der Luxemburger Entwicklungshilfe-Agentur LuxDev erklärt. Luxemburg wird deshalb zusätzliche 400.000 Euro investieren, um die Schule weiter auszubauen.

Saomay Manivong ist seit zehn Jahren im von Luxemburg unterstützten Räumungsprogramm tätig
Saomay Manivong ist seit zehn Jahren im von Luxemburg unterstützten Räumungsprogramm tätig Foto: Sophie Wiessler/LeQuotidien

Saomay Manivong, kurz Sao, setzt sich seit zehn Jahren im „UXO Lao“-Programm für ein sichereres Umfeld ein. Er verweist auf die besonderen Schwierigkeiten, die das Entschärfen von Streumunition mit sich bringt. „In großen Minenfeldern können baggerartige Gefährte durchfahren und die Minen gezielt zum Explodieren bringen“, sagt Sao. Bei Streumunition kommen hingegen weiterhin Hand-Metalldetektor und Schaufel zum Einsatz. Nach einer drei- bis vierwöchigen Ausbildung kann man bereits die Arbeit in einem Team des Räumungsdienstes aufnehmen.

„Do everything with Beep Beep“

Bei einer Demonstration mit einem eher ungefährlichen Metallstück darf sich dann auch Kooperationsminister Bettel im Tandem mit der laotischen Ministerin für Arbeit und soziale Wohlfahrt, Baykham Khattiyasich, als Räumungsdienstarbeiter probieren. „Do everything with Beep Beep“, umschreibt der DP-Minister das eindringliche Geräusch der Metalldetektoren bei seinem Eigenversuch, ein Metallstück aufzuspüren.

Dass die Gefahr aber durchaus real ist, wird spätestens dann ersichtlich, als drei Sprengköpfe in sicherer Entfernung von 280 Metern mit einer gezielten Explosion unschädlich gemacht werden. Manch einer mag beim Betreten des Feldes und der Erklärung, dass es „quite safe“ (zu Deutsch: ziemlich sicher) sei, bereits ein mulmiges Gefühl gehabt haben. Spätestens beim lauten Knall der Explosion aber bohrt sich mit der Druckwelle auch die latente Gefahr akut ins Bewusstsein der Anwesenden.

Xavier Bettel darf mit der laotischen Ministerin für Arbeit und soziale Wohlfahrt das Equipment des Räumungsdienstes ausprobieren
Xavier Bettel darf mit der laotischen Ministerin für Arbeit und soziale Wohlfahrt das Equipment des Räumungsdienstes ausprobieren Foto: Sidney Wiltgen

Die Arbeit im Team der Räumungsdienste ist – anders als bei der für die Luxemburger eigens organisierte Vorführung – ein gefährlicher Job. Die Fahrt von dem Feld, das die Luxemburger Delegation besucht, bis zum nächsten Krankenhaus dauert 30 Minuten. 90 Prozent der Arbeiter, die während des Räumens von Munition jeglicher Art einen Sprengsatz detonieren, sterben an ihren Verletzungen. Eine Realität, der sich der Räumungsdienst tagtäglich stellen muss. „Meine Komplimente für die hier verrichtete Arbeit“, meint dann auch Kooperationsminister Bettel. Es sei schlimm, dass noch heute Menschen an den Folgen eines längst vergangenen Krieges sterben würden. Ein ähnliches Schicksal könne auch den Menschen in der Ukraine drohen.

Meine Kinder lernen heute noch in der Schule, wie Laos noch immer unter dem Vermächtnis der Vergangenheit leidet

Saomay Manivong, seit zehn Jahren im „UXO Lao“-Programm tätig

„Meine Kinder lernen heute noch in der Schule, wie Laos noch immer unter dem Vermächtnis der Vergangenheit leidet“, erklärt Sao, warum er sich dennoch der alltäglichen Gefahr stellt. „Ich tue mein Bestes, um Laos zu retten und die Zahl der Opfer in Zukunft zu verringern.“ Ob er keine Angst habe, sich Tag für Tag der Gefahr auszusetzen? „Es ist vergleichbar mit der Arbeit eines Soldaten“, meint Sao. Wenn ein Soldat Angst habe, fühlt sich die Bevölkerung auch nicht sicher. Das sei einfach Teil des Jobs. „Wir müssen stark und bescheiden sein, um das Leben der Menschen zu retten.“ Bis 2030, so Saos Hoffnung, soll die Zahl der Opfer des Krieges, der seit 50 Jahren vorbei ist, auf null fallen.

Unter den wachsamen Augen der Chamber-Vertreter Sven Clement und Gusty Graas darf Xavier Bettel den Zünder betätigen
Unter den wachsamen Augen der Chamber-Vertreter Sven Clement und Gusty Graas darf Xavier Bettel den Zünder betätigen Foto: MAEE

Eingeschränkte Entwicklungshilfe für Sahelzone

Außen- und Kooperationsminister Xavier Bettel hat in einem Pressebriefing in Laos angekündigt, dass er die bilaterale Entwicklungshilfe für Burkina Faso, Niger und Mali nicht verlängern und zukünftig auch keine weiteren bilateralen Kooperationsverträge mit den jeweiligen Regimes unterschreiben werde. „In Mali, Niger und Burkina Faso sind Putschisten am Werk“, erklärt Bettel seine Entscheidung. Die multilaterale Entwicklungshilfe über die Vereinten Nationen oder andere EU-Programme wolle er jedoch nicht kappen. Die Situation in Senegal, wo kürzlich Polizisten Oppositionspolitiker aus dem Parlament geführt haben, werde man ebenfalls genaustens beobachten. Längerfristig werde man aber auch hier keinen bilateralen Rahmenvertrag zur Kooperation unterschreiben, sondern voraussichtlich in einer ersten Phase nur für ein weiteres Jahr verlängern.
Die fortwährende Unterstützung für Laos, das ebenfalls von einer kommunistischen Einheitspartei geführt wird, erklärt Bettel damit, dass Veränderungen der Luxemburger Entwicklungshilfe deutlich sichtbar seien. „Vergangene Woche hat Laos den russischen Angriff auf die Ukraine verurteilt“, sagt Bettel, und sieht dies als Zeichen, dass sich Laos aus den Fängen der russischen Einflusssphäre nach und nach befreit habe. Kritik an Russland sei vor einiger Zeit undenkbar gewesen. „Wir haben auch Länder in der EU, die kein Vorbild in puncto Rechtsstaatlichkeit sind“, so Luxemburgs Kooperationsminister.

Pani
10. Februar 2024 - 10.21

Bling bling hu der mech gesin. Ech sin et erëm den Xav äre neien Ausseminister. An hu der gesin mat wéi engen Objekter ech hantéieren. "Ohne Furcht und Tadel". O.M.G.

clauma
9. Februar 2024 - 7.27

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