SpanienStraferlass für katalanische Separatisten spaltet das Land

Spanien / Straferlass für katalanische Separatisten spaltet das Land
„Premier Pedro Sánchez soll gehen“, ist auf einem Spruchband in einer hauptsächlich von rechtsgerichteten Teilnehmern besuchten Demonstration in Madrid zu lesen  Foto: Gabriel Bouys/AFP

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Spaniens sozialistischer Premier Pedro Sánchez kommt wegen der kurz bevorstehenden Begnadigung der zu langen Haftstrafen verurteilten katalanischen Separatistenführer immer stärker unter Druck. Am Sonntag demonstrierten Zehntausende von Menschen in der spanischen Hauptstadt Madrid gegen den von Sánchez angekündigten Straferlass für die katalanischen Unabhängigkeitspolitiker.

Es war eine der bisher größten Protestaktionen des konservativen Lagers gegen Sánchez, dessen Popularität sich Umfragen zufolge im Sinkflug befindet. Die Madrider Lokalpolizei, die von der konservativen Stadtregierung abhängig ist, schätzte die Teilnehmerzahl auf etwa 126.000 Menschen. Die spanische Regierung sprach unterdessen von 25.000 Demonstranten.

„Nein zum Straferlass“, skandierte die Menge. Immer wieder riefen die Demonstranten „Rücktritt, Rücktritt“. Sie beschuldigten den sozialdemokratisch orientierten Sozialisten Sanchez, vor den katalanischen Separatisten in die Knie zu gehen und so die territoriale Einheit Spaniens zu gefährden. Sánchez, der in Koalition mit der Linkspartei Podemos regiert, rolle den Unabhängigkeitsführern, die Spanien zerstören wollten, nun den roten Teppich aus, hieß es. Sánchez’ Minderheitsregierung wird im Parlament von den katalanischen und baskischen Unabhängigkeitsparteien unterstützt. Viele Kundgebungsteilnehmer hatten sich in Nationalflaggen gehüllt.

Vergeblich hatte Spaniens Regierungschef kurz vor dem Massenprotest an die spanischen Bürger appelliert, im seit Jahren schwelenden Katalonienkonflikt „Großzügigkeit“ zu zeigen, um die Spannungen mit dieser Region abzubauen und einen politischen Dialog mit der Unabhängigkeitsbewegung zu erleichtern. Zur Lösung des Konfliktes müsse man nun, nach langer Zeit der Zwietracht, „den Weg der Versöhnung“ einschlagen und eine „Zukunft des Zusammenlebens“ anstreben. Die Begnadigung ist in Spanien ein in der Verfassung verankertes Recht der Regierung.

Den vorläufigen Höhepunkt des Katalonienstreits hatte Spanien im Jahr 2017 erlebt. Damals setzte die katalanische Separatistenregierung von Carles Puigdemont ein illegales Unabhängigkeitsreferendum an, bei dem es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei kam. Anschließend riefen die Separatisten eine unabhängige Republik Katalonien aus. Daraufhin wurden zwölf katalanische Separatistenführer wegen Aufruhrs verurteilt, neun sitzen bis heute im Gefängnis und sollen nun im Zuge der Begnadigung in Kürze freikommen.

Übrigens: Für den früheren Katalonien-Präsidenten Carles Puigdemont, der sich 2017 seinem Prozess durch Flucht nach Belgien entzog, soll diese Amnestie zunächst nicht gelten, teilte Spaniens Vize-Regierungschefin Carmen Calvo mit. Er müsse sich zuerst den spanischen Richtern stellen, sagt die Regierung. Gegen Puigdemont besteht in Spanien weiterhin ein Haftbefehl wegen des Vorwurfs, einen Aufstand gegen den spanischen Staat provoziert und Steuergelder veruntreut zu haben. Puigdemont rückt bis heute nicht von seinem Plan ab, einseitig – und damit gegen rechtsstaatliche Spielregeln – die Unabhängigkeit Kataloniens durchzusetzen.

Abstimmung über erweiterte Autonomie

Sein damaliger Stellvertreter Oriol Junqueras, der damals nicht floh und dann zu 13 Jahren Haft verurteilt wurde, vollzog unterdessen eine bemerkenswerte Kehrtwendung: In einem selbstkritischen offenen Brief distanzierte er sich von einseitigen Schritten Richtung Unabhängigkeit und trat dafür ein, in Katalonien künftig den „schottischen Weg“ einzuschlagen und ein legales Referendum mit der spanischen Regierung auszuhandeln. „Andere Wege sind nicht möglich.“ Dies sei die einzige Möglichkeit, im Streben nach Unabhängigkeit auf internationale Anerkennung zu stoßen.

Junqueras bereitete seine Anhänger auf einen längeren Dialog mit Spaniens Regierung vor. Es seien keine schnellen Ergebnisse zu erwarten. Junqueras’ moderate Unabhängigkeitspartei ERC löste inzwischen Puigdemonts Bewegung JxCat als stärkste Separatistenbewegung ab und stellt mittlerweile den Ministerpräsidenten Kataloniens. Dies könnte Gespräche zwischen Barcelona und Madrid erleichtern.

Sanchez’ Vize-Regierungschefin Calvo stellte aber bereits klar, dass auch ein ausgehandeltes Referendum über die Unabhängigkeit derzeit nicht möglich sei, weil dies in der Verfassung nicht vorgesehen sei. Es müsste also zuerst die Verfassung geändert werden, wofür jedoch keine politische Mehrheit in Sicht ist.

Stattdessen will Sánchez den Katalanen nun eine größere Selbstverwaltung anbieten. Und über eine erweiterte Autonomie, so heißt es in Madrid, könne man die katalanischen Bürger durchaus per Plebiszit abstimmen lassen.