Staatstrauer nach Mord: Begräbnisfeiern ziehen auch politische Widersacher Adamowiczs an

Staatstrauer nach Mord: Begräbnisfeiern ziehen auch politische Widersacher Adamowiczs an
In der Altstadt Warschaus versammeln sich zahlreiche Menschen, um des ermordeten Danziger Bürgermeisters Pawel Adamowicz zu gedenken

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Die Ermordung des Danziger Stadtpräsidenten hat die bitter verfeindeten politischen Eliten in Polen etwas zur Besinnung gebracht.

Von unserem Korrespondenten Paul Flückiger

So hat die rechtnationale Kaczynski-Regierung sich nun doch dazu überwunden, eine Staatstrauer für den liberalen Pawel Adamowicz auszurufen. Laut Antrag von Regierungschef Mateusz Morawiecki hat diese am gestrigen Freitag um 17 Uhr mit dem Leichenzug des Ermordeten in die Danziger Marien-Kathedrale begonnen und endet am Samstagabend.

Die Bluttat hat Polen zutiefst erschüttert. Seit Montagabend kommt es im ganzen Land zu Schweigemärschen gegen Hass und Gewalt mit Tausenden von Teilnehmern. Allerdings wird der Mord auf ein paar rechten, teils regierungsfreundlichen Internetportalen in den Diskussionsforen von einer Minderheit auch gutgeheißen. Die seit der rechtspopulistischen Machtübernahme der Kaczynski-Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) direkt dem Justizminister unterstellte und damit nicht mehr unabhängige Staatsanwaltschaft hat in den letzten Tagen nun damit begonnen, solche Hassredner zu verfolgen. Bis Freitagmittag wurden bereits 20 solcher Internet-Täter festgenommen. Viele von ihnen hatten weitere liberale Bürgermeister – etwa in Poznan (Posen) oder Wroclaw (Bresslau) – mit dem Tod bedroht. Ihnen drohen nun bis zu zwei Jahre Gefängnis. Das Justizministerium will 105 Staatsanwälte in eine ad hoc-Krisengruppe gegen Hassreden eingeteilt haben.

Teile der liberalen Opposition, der auch Adamowicz angehörte, obwohl er 2015 aus der PO ausgetreten war, werfen der Regierung vor, angesichts der großen Betroffenheit im Lande nur zum Schein nun wieder Kreide zu fressen. Die PiS wolle ihre Chancen bei den Parlamentswahlen vom Herbst nicht unnötig senken, deshalb trete sie nun plötzlich gegen jenen politischen Hass auf, den sie jahrelang – etwa im von der PiS gleichgeschalteten Staatsfernsehen – angefacht hatte, heißt es.

Seltsame Abwesenheit bei Schweigeminute

Für diese Lesart spricht die seltsame Abwesenheit des PiS-Parteichefs Jaroslaw Kaczynski bei einer Schweigeminute für Adamowicz am Donnerstag im Sejm (Parlament). Kaczynski und weitere PiS-Falken wollen sich dazu unabsichtlich verspätet haben. „Ich würde keine Haarspalterei darüber betreiben, wer bei welcher Schweigeminute anwesend ist“, beruhigte Staatspräsident Andrzej Duda die Stimmung.

Duda wird am Samstag zusammen mit Morawiecki in Danzig am Begräbnis Adamowiczs teilnehmen. Auch deren beider erbitterter politischer Feind, EU-Ratspräsident Donald Tusk (PO) und weitere liberale Spitzenpolitiker wollen daran teilnehmen. Kaczynski bleibt vermutlich in Warschau, obwohl sein geliebter 2010 beim Flugzeugabsturz von Smolensk umgekommener Zwillingsbruder Lech in den Achtzigerjahren den damaligen Studenten Adamowicz noch in Arbeitsrecht geschult hatte. Bis zuletzt war unklar, ob die PiS-Vertreter auch das Wort erhalten. Adamowiczs Familie hatte sich ein apolitisches Begräbnis gewünscht. Pawel Adamowiczs Urne wird heute Samstag um 15 Uhr in einem Seitenschiff der Marien-Kathedrale beigesetzt, so wie viele Danziger Stadtväter vor ihm.