BudgetSozialversicherung: Die Defizite, die da kommen könnten

Budget / Sozialversicherung: Die Defizite, die da kommen könnten
Keine sechs Wochen bleiben mehr, bis der Haushaltsentwurf von Minister Gilles Roth (CSV) im Parlament gestimmt wird Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Im Debattenmarathon über den aktuellen Haushaltsentwurf ist das Budget beim Thema Gesundheit und Soziale Sicherheit angekommen. Ministerin Deprez präsentierte Sparmöglichkeiten für die Gesundheitskasse – und verriet neue Details zur geplanten Debatte über das Rentensystem.

So ein Staatshaushalt ist ein komplexes Werk. In seiner gedruckten Version ist er viele Hundert Seiten – oder für die Älteren unter uns: zwei Telefonbücher – dick. Sieben Wochen sind deshalb nicht viel Zeit, um das Budget in all seinen Details durchzusprechen, bevor es im Parlament Ende April zur Abstimmung kommt. Und doch ist das die Herausforderung, mit der sich Budgetberichterstatterin Diane Adehm (CSV) in diesem Jahr konfrontiert sieht. An diesem Freitag war der Haushalt für die Gesundheit und die Soziale Sicherheit an der Reihe – in Anwesenheit der zuständigen Ministerin Martine Deprez (CSV).

Für 2024 sieht der Haushaltsentwurf vor, dass die staatlichen Beiträge zu den verschiedenen Säulen der Sozialen Sicherheit, d.h. Renten-, Kranken-, Mutterschafts-, Pflege- und Unfallversicherung sowie die Mutualität der Arbeitgeber (MDE), um insgesamt 574 Millionen Euro steigen werden. Ein Plus von zwölf Prozent im Vergleich zu 2023. Der Hauptfaktor für den Anstieg der staatlichen Transfers an die Sozialversicherung, so heißt es im Gesetzestext weiter, werde durch die „Entwicklung der beitragspflichtigen Masse repräsentiert“. Dies betreffe vor allem die hohen Transfers an die Kranken- bzw. Mutterschaftsversicherung und die Rentenversicherung. 

Mehr Spielraum für die CNS

Dies waren auch die beiden Hauptdiskussionspunkte der Sitzung, wie Adehm dem Tageblatt berichtet. Während man im Haushalt 2024 vor allem auf Kontinuität setzen könne, gebe es 2025 das Risiko, in ein strukturelles Defizit zu rutschen. Ministerin Deprez habe deshalb angekündigt, zu prüfen, ob einzelne Leistungen, die nicht mit Krankheit zu tun haben, aus der Nationalen Gesundheitskasse (CNS) herausgelöst werden könnten. Dabei gehe es vor allem um die Mutterschaftsversicherung und den „congé maternité“, so Adehm. Die jährlichen Ausgaben der CNS beliefen sich in diesem Bereich auf beinahe 30 Millionen Euro. 20 Millionen davon werden schon heute vom Staat getragen. Die Ministerin stelle in Aussicht, so der LSAP-Abgeordnete Mars Di Bartolomeo, Vizepräsident des parlamentarischen Ausschusses für Gesundheit und soziale Sicherheit, gegenüber dem Tageblatt, „ob diese Ausgaben nicht ganz vom Staat übernommen werden könnten.“ Bei der CNS würde das einen „Spielraum“ von etwa 10 Millionen Euro schaffen, so Adehm.

In der Sitzung sei außerdem die Frage aufgekommen, so Di Bartolomeo, ob nicht noch andere Ausgaben von der CNS getätigt würden, die nicht unbedingt von der Kasse getragen werden müssten – und ob die Regierung vielleicht daran denke, der CNS andere Ausgaben zuzuschieben. Da habe Deprez abgewunken, berichtet Di Bartolomeo. „Das sei nicht geplant.“ Mit Blick auf das Budget für 2024 fällt des Weiteren auf, dass der staatliche Beitrag zur Mutualität der Arbeitgeber stark angestiegen ist – genauer: um mehr als 42 Prozent. Dies sei jedoch ganz einfach auf die in der Tripartite beschlossenen Ausgleichszahlungen zurückzuführen, erklärt der LSAP-Abgeordnete.

Insgesamt verschlechtert sich der Saldo der Sozialversicherung in den kommenden Jahren schrittweise von mehr als einer Milliarde Euro im Jahr 2023 auf 261 Millionen bis 2027. „Die Gesundheitskrise und die Inflationskrise belasteten nacheinander den Arbeitsmarkt. Der Beschäftigungsrückgang hat daher erhebliche Auswirkungen auf den Saldo des Sozialversicherungssektors“, heißt es dazu im Entwurf für den mehrjährigen Finanzplan. Während die Gesamtausgaben in diesem Zeitraum um durchschnittlich sieben Prozent steigen, liegt das geschätzte durchschnittliche Einnahmewachstum im selben Zeitraum bei 5,8 Prozent – ein negativer Schereneffekt.

Budgetberichterstatterin Adehm betont, wie schwierig langfristige Prognosen im Hinblick auf Beschäftigung und Arbeitslosigkeit seien. „Es hat niemand Covid vorhersehen können oder den Ukrainekrieg. Das waren große Belastungen für den Staat.“ Auch der Haushaltsentwurf bis 2027 bezeichnet die Erstellung von Prognosen als „gefährlich, da das wirtschaftliche Umfeld so instabil ist“. Der Faktor Beschäftigung spielt aber eine entscheidende Rolle für das empfindliche Gleichgewicht des Sozialversicherungssaldos. Je nachdem, welches Beschäftigungswachstum in den Prognosen angenommen wird, würde der Saldo der Sozialversicherung mehr oder weniger negativ werden. Während die Grundlinie im zentralen Statec-Szenario von einem geschätzten durchschnittlichen jährlichen Beschäftigungswachstum von 2,1 Prozent ausgeht, haben schon Abweichungen von einem halben Prozentpunkt enorme Auswirkungen. Am Grundtrend ändert das alles jedoch nichts: Das Saldo der Sozialversicherungen geht in den kommenden Jahren langsam, aber sicher gegen null.

Rentendebatte noch breiter als gedacht?

Was das Rentensystem anbelangt, so Adehm, sei schon lange die Rede von einem drohenden Defizit. Im Moment gehe man vom Jahr 2027 oder 2028 aus. Im Haushaltsentwurf findet sich dazu folgende Passage: „Die Ausgaben der Rentenversicherung werden von 2022 bis 2027 im Jahresdurchschnitt schätzungsweise um 8,2 Prozent steigen, was über dem Wachstum der Einnahmen liegt, die in diesem Zeitraum schätzungsweise um durchschnittlich 5,9 Prozent steigen werden.“ Im Jahr 2027 wäre der Moment erreicht, ab dem die jährlichen Beiträge nicht mehr ausreichen würden, um die jährlichen Ausgaben zu decken. Sollte sich so ein Defizit entwickeln, so Adehm, habe die Ministerin versichert, dass es Schrauben gebe, an denen man drehen könne.

Neben den Diskussionen zum Budget habe Ministerin Deprez eine interessante Aussage über die angekündigte breite Debatte zum Rentensystem getroffen, sagt Di Bartolomeo. Die Ministerin habe angekündigt, dass diese nicht nur „über das allgemeine Rentenregime“, sondern auch über „andere Rentenregime“ geführt werden soll. „Nicht uninteressant“, so der LSAP-Abgeordnete, schließlich könne sich Deprez damit nicht nur auf die Privatwirtschaft, sondern auch auf die Pensionen beim Staat und den Gemeinden beziehen.