Die Sonne bereitet uns bislang keine Sorgen in der Parzelle des Domaine Tageblatt. Dass die Sonne aber zum Problem für die Winzer werden kann, weiß man an der Mosel auch. Andere Weinregionen haben allerdings jedes Jahr mit der Sonne zu kämpfen und sich zum Teil kreative Lösungen ausgedacht. Zum Beispiel im australischen Hunter Valley, wo manche Weinberge weiß schimmern, wie von Raureif bedeckt. Was auf den ersten Blick wie ein Wintereinbruch wirkt, ist in Wirklichkeit Teil einer innovativen Klimastrategie: Ein Bio-Sonnenschutz auf Basis von Tonerde schützt die Reben vor Hitzestress und steigert gleichzeitig die Weinqualität. Zum Einsatz kommt das Verfahren beispielsweise bei Scarborough Wine – ein Familienbetrieb, der sich mit klugen Ideen gegen die Folgen des Klimawandels stemmt.

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Das Projekt ist ambitioniert und soll Einblicke in die Welt der Winzer verschaffen. Die Tageblatt-Redaktion wird in den kommenden anderthalb Jahren versuchen, ihren eigenen Wein herzustellen, in einer wöchentlichen Serie über Erfolg und Misserfolg berichten und dabei tiefere Einblicke in die Welt des Weinbaus geben.
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„Sonnenschutzmittel ist für uns ein wichtiges Werkzeug geworden, um Hitzespitzen zu bewältigen – vor allem, wenn die Trauben kurz vor der Reife stehen“, erklärt Weinbauexpertin Liz Riley. „Es hilft uns, den Reifeprozess effizient zu steuern und mit komprimierten Lesezeiträumen umzugehen.“
Die Tonerde wird in Wasser aufgelöst und wie ein Fungizid auf die Weintrauben gespritzt. Der Schutzfilm lässt sich flexibel und gezielt auftragen – nur nach starken Regenfällen muss der Schutz erneuert werden. „Der weiße Belag reflektiert die Sonnenstrahlen – der Weinberg sieht dann aus, als wäre er mit Schnee bestäubt“, so Riley. Besonders empfindliche Sorten wie Semillon profitieren von dem Schutz. „Man sagt, Semillon sei wie das rothaarige Familienmitglied: sehr hitzeempfindlich und schnell mit Laubverlust.“
Längere Reifezeit
Durch den kühlenden Effekt kann die Rebe länger aktiv bleiben. „Rebstöcke stellen ihre Photosynthese bei etwa 35 Grad Celsius ein“, erklärt die Expertin. „Wenn wir es mit Ton schaffen, diese Temperatur hinauszuzögern – etwa von 11 Uhr auf 16 Uhr –, gewinnen wir fünf Stunden Reifezeit pro Tag. Über vier heiße Tage hinweg bedeutet das 20 Stunden mehr Zuckerbildung.“
Mit mehr Arbeit verbunden
Bei uns sieht es momentan nicht danach aus, als würden unsere Trauben Sonnencreme benötigen. Tageblatt-Wetterexperte Philippe Ernzer geht auch nicht davon aus, dass sich bis Anfang August etwas an der aktuellen Situation ändert. „Eine Vorhersage ist aber schwierig. Kleine Veränderungen können die Wetterlage beeinflussen“, sagt Ernzer. Deshalb rechnet er auch noch mit ein paar Hitzetagen. Winzer Laurent Kox hat bereits vom Tongemisch als Sonnenschutz gehört. Allerdings würde so eine Behandlung wieder mehr Arbeit für den Winzer bedeuten. „Vor allem müsste das ja kurz vor der Lese gemacht werden“, gibt Kox zu bedenken. Also in einer Zeit, in der die Winzer ohnehin alle Hände voll zu tun haben. (cs)
Auch Jeremy Scarborough, Winzer und Rileys Ehemann, betont: „Der Sonnenschutz steigert die Effizienz der Weinrebe.“ Auf diese Weise können hochwertigere Trauben geerntet werden, die Lese kann früher stattfinden und damit riskante Wetterextreme wie Starkregen oder Hagel vermeiden. Denn durch den Klimawandel registriert Australien im Sommer nicht nur mehr Hitzetage. Auch katastrophale Ereignisse wie Hagelstürme würden häufiger, wie Scarborough bestätigt.
Eine Branche im Umbruch
Die Ton-Sonnencreme ist ein Beispiel dafür, wie sich australische Winzer und Winzerinnen an neue klimatische Bedingungen anpassen – und dabei zugleich wirtschaftlich denken müssen. Denn der Weinbau steht in Australien, ähnlich wie in Luxemburg, an einem Scheideweg: Der Klimawandel, veränderte Konsumgewohnheiten und wirtschaftlicher Druck setzen der Branche zunehmend zu. Australien zählt mit seinen über 2.100 Weingütern und international gefeierten Sorten wie Shiraz, Cabernet Sauvignon und Chardonnay zu den großen Playern auf dem Weltmarkt. Doch viele Betriebe sind klein, familiengeführt und besonders verwundbar. Laut Wine Australia erwirtschaftet die Branche jährlich 45 Milliarden australische Dollar, umgerechnet rund 25 Milliarden Euro, und beschäftigt über 160.000 Menschen – dennoch braut sich seit Jahren eine Krise zusammen.
Der Weinkonsum im Inland ist seit 2016/17 um neun Prozent gesunken. Ähnliche Trends zeigen sich weltweit – getrieben vom wachsenden Gesundheitsbewusstsein, der Generation Z, die Alkohol kritisch sieht, und dem allgemeinen Kostendruck in Haushalten. Besonders problematisch ist diese Entwicklung für Winzer in heißen, trockenen Binnenregionen in Australien, wo die Bewirtschaftung zunehmend schwieriger wird.
Nachhaltig denken
Trotz aller Unsicherheiten bleiben viele australische Winzer kreativ und lösungsorientiert. Scarborough Wine etwa experimentiert mit hitzeresistenteren Klonen, also einer genetisch identischen Nachzucht einer besonders hochwertigen Mutterrebe. Zudem pflanzen die Winzer heimische Arten wie Bursaria spinosa oder den seltenen Eucalyptus pumila, um Nützlinge anzuziehen und das Ökosystem zu stärken. Bodenbegrünung im Weinberg wirkt zudem wie ein natürlicher Schutzschild: Sie hält den Boden bei Extremwetter kühler und sorgt dafür, dass Regenwasser besser versickern und abfließen kann – wodurch das Risiko von Erosion bei Starkregen deutlich sinkt.
Selbst traditionelle Abläufe müssen sich verändern. Mittlerweile erfolgt die Lese häufig nachts, um die Früchte kühl und unbeschadet in die Kelter zu bringen. Wir gehen mal davon aus, dass uns das erpsart bleiben wird und wir unsere Rivanertrauben am Tag lesen können.
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